GANTZ 01

Am U-Bahn-Gleis stehend, blättert der 15-jährige Schüler Kei Kurono durch ein Pin-Up-Magazin. Sich der Illusion hingebend, wird er jäh unterbrochen, da ein Mann auf die Zuggleise taumelt. Er sieht, wie sein alter Freund Masaru Kato in das Gleisbett hinabsteigt, um zu helfen. Doch der Mann ist schwer, und der Zug kündigt sich an, sodass auch Kei hinabsteigt, um dem Retter unter die Arme zu greifen. Als der Zug die Gruppe erreicht, fliegen zwei Köpfe empor. Kei und Masaru haben es nicht rechtzeitig geschafft … Wieso nur stehen beide unmittelbar danach unversehrt in einem Apartment in Tokio und blicken auf eine schwarze Kugel?

von Daniel Pabst

„GANTZ“ ist eine abgeschlossene Manga-Serie des japanischen Mangakas Hiroya Oku. Hiroya Oku ist manchen vielleicht auch bekannt durch die Manga-Serie „Last Hero Inuyashiki“ (Egmont Manga). Manga Cult, das Manga-Label des Verlags Cross Cult, hat sich im Jahre 2018 die Rechte für die deutsche Übersetzung von „GANTZ“ gesichert. Seitdem erscheinen in regelmäßigen Abständen die Mangas in Form der „Perfect Edition“. Dabei bedeutet „Perfect Edition“, dass die insgesamt 35 Bände in zwölf Sammelbänden veröffentlicht werden. Bis in das Jahr 2003 erschienen übrigens bereits die ersten fünf Bände von „GANTZ“ in deutscher Sprache, bis Planet Manga (Panini) die Serie einstellte. Dann war erstmal für eine lange Zeit Schluss für den Manga „GANTZ“ in Deutschland. Und dass, obwohl „GANTZ“ als Erfolgsserie gilt, die bereits 2005 als Anime-Serie in Deutsch veröffentlicht wurde (Anime-Vertrieb von OVA Films). Auch zwei Realverfilmungen hat es gegeben mit den Titeln: „Gantz – Spiel um dein Leben“ (2011) und „Gantz – Die ultimative Antwort“ (2012). 2016 dann wurde auch ein Anime-Science-Fiction-Film produziert mit dem Titel „GANTZ:O“, welcher bei Netflix ins Programm genommen wurde. Voller Erwartung blickte man auf die Ankündigung von Cross Cult. Und man wurde nicht enttäuscht. Aktueller Stand (März 2021) der Serie ist, dass Cross Cult zehn der zwölf Sammelbände veröffentlicht hat. Die abschließenden Sammelbände sind angekündigt für den 03.06.2021 und den 02.09.2021.

Doch was bietet „GANTZ“? Warum diese große Fan-Gemeinde? Und warum sollte man sich jetzt Band 1 der „Perfect Edition“ zulegen? Wie viele Seiten umfassen alle zwölf „GANTZ“-Sammelbände eigentlich?

In „GANTZ“, so lesen wir auf der Rückseite des ersten Mangas, hat der „Kampf um Leben und Tod“ gerade erst begonnen. Wie lässt sich das erklären, wenn die Leserinnen und Leser doch nach nicht einmal 25 Seiten, in denen sie Kei Kurono und Masaru Kato kennenlernten, von diesen Abschied nehmen müssen, da ihre Köpfe durch einen japanischen U-Bahn-Schacht fliegen? Nun, sie finden sich nach dieser Szene in einem Raum wieder, und wissen weder, wie sie dorthin gekommen sind, noch, warum sie keine Verletzungen aufweisen. Alles, was Masaru durch einen Blick aus dem Apartment-Fenster erkennen kann, ist, dass sie in Tokio sein müssen, da dort der Tokyo Tower leuchtet. Und dann leuchtet da auch eine mysteriöse schwarze Kugel inmitten des Raumes.

Neben Kei und Masaru sind weitere Menschen und ein Hund versammelt. Sie erfahren, dass man die Türen und Fenster nicht öffnen kann und sie auf die Regungen der Kugel namens „GANTZ“ warten würden. Eine erste Regung folgt in Form einer Liedzeile: „Ein neuer Morgen, ein neues Glück!“. Nachdem sich alle um die Kugel versammelt haben, lesen sie auf ihr „Euer Leben ist beendet. Ich bestimme, wie ihr euer Leben führt“. Dann erhalten alle besondere Kampfanzüge und Waffen aus dem Innern der Kugel, um den Auftrag („Aufgabe“) zu erfüllen: „Den Lauchianer kaltmachen“. Ja, richtig gehört, es geht darum, eine Person namens „Lauchianer“ ausfindig zu machen und zu töten. Dieser, so erfahren wir, sei ein außerirdischer Straftäter, verbannt von seinem Heimatplaneten, der nun in Tokio sein Unwesen triebe, ohne dass die anderen Menschen es mitbekämen. Kei, Masaru sowie die anderen Personen werden in die Außenwelt transportiert und merken, dass dieser „Lauchianer“ einen noch stärkeren Bruder hat, und so erschließt sich die Rückseite des Mangas, dass es hier in spezieller Weise um „Leben und Tod“ geht. Bei dem angekündigten einen Kampf wird es nicht bleiben. Auch in der späteren Hälfte dieses Sonderbandes heißt ein weiterer Auftrag: „Macht den Tanaka Ianer kalt“. Ein weiterer Außerirdischer?

Bei „GANTZ 01“ steht neben der Horror- und Science-Fiction-Thematik klar die Action beziehungsweise hier die in Schwarz-Weiß gehaltene Splatter-Thematik im Vordergrund. Das fügt sich in das Bild, dass der Mangaka Hiroya Oku Geschichten eher „für Erwachsene“ bietet. Zwar mag sich der 15-jährige Protagonist Kei als jugendliche Identifikationsfigur in der Pubertät anbieten, der von Seite zu Seite über sich hinauswächst, und langsam die Kindheit hinter sich lässt; die Zeichnungen gehen in „GANTZ 01“ aber über den „normalen“ Shounen-Manga hinaus. Dies wird neben den immerwährenden Andeutungen über den Tod, insbesondere durch die dritte Hauptfigur in „GANTZ 01“ deutlich. Diese heißt Kei Kishimoto und erscheint kurze Zeit nach der Ankunft von Kei und Masaru in dem Raum. Dabei enthält die „Ankunft“ in diesem Raum, wie auch die „Abreise zu Missionen“ (wie etwa den „Lauchianer“ zu töten) die Besonderheit, dass man scheibchenweise erscheint. Bei der weiblichen Protagonistin, die sich in einer Badewanne das Leben nehmen wollte (oder genommen hat?), erfolgt diese Transformation folglich unbekleidet. So sehen die Leserinnen und Leser Kei Kishimoto, wie Hiroya Oku sie schuf, und auch gerne immer wieder abbildet, mit dem Fokus auf ihren großen Brüsten. „GANTZ“ bietet damit eine Mischung aus Horror, Mystery, Action, Splatter, Akt, und spannender Entwicklungsgeschichte über „Leben und Tod“.

Dass daraus eine Fan-Gemeinschaft wachsen konnte, und dank Cross Cult weiterwachsen darf, liegt wohl auch daran, dass „GANTZ“ eine Parallele zu den beliebten „Isekai“ aufweist. Dieses Genre bedeutet übersetzt: „Andere Welt“. Es umfasste eine Geschichte, in denen ein ganz normaler Charakter plötzlich aus der wirklichen Welt gerissen wird und sich in einer Fantasiewelt oder in einem Paralleluniversum wiederfindet. Zurück geht dieses Konzept auf „Alice im Wunderland“ (1865) von Lewis Carroll. Ähnliche bekannte Werke dieser Art aus der westlichen Welt sind: „Peter Pan“, „Die Chroniken von Narnia“, „Die unendliche Geschichte“ oder „Der Zauberer von Oz“. Die populären japanischen Werke dieses Genres sind zum Beispiel: „Inuyasha“, „Sword Art Online“, „No Game No Life“, „Overlord“, „Ich bin eine Spinne, na und?“ oder der Animefilm „Chihiros Reise ins Zauberland“.

Für „GANTZ 01“ aber passt die Einordnung in das Genre „Isekai“ aber eben nur fast, da die Protagonisten sich nach der ersten Aufgabe wieder in ihrem normalen Umfeld wiederfinden. Jedoch sollen sie dort nur „Kopien“ ihrer selbst sein, ähnlich eines Faxes. Das erfahren sie von einem verschwiegenen Jungen namens Nishi. Und so sieht Kei Kishimoto auf der Straße sich selbst an ihr vorbeigehen. Wie passt dies alles zusammen? Die Antwort erfährt man in „GANTZ 01“ als Auftaktband naturgemäß noch nicht. Womit wir bei den letzten beiden Fragen wären: Warum sollte man sich jetzt Band 1 der „Perfect Edition“ zulegen? Wie viele Seiten umfassen alle zwölf „GANTZ“-Sammelbände eigentlich? Die letzte Frage ist schnell beantwortet. Insgesamt erwarten einen stolze 7.714 Manga-Seiten!

Warum also zu „GANTZ 01“ greifen? Einerseits ist es beruhigend zu wissen, dass eine Reihe komplett erscheint. Bei Cross Cult kann man sich da seiner Sache sicher sein, dass man noch in diesem Jahr alle zwölf Bände zu lesen bekommt (auch wenn „GANTZ 02“ derzeit verlagsvergriffen ist, aber noch im Handel weiter erhältlich ist). Es gibt genügend Serien, die mittendrin abgebrochen oder nicht weiter übersetzt werden. Das spricht schon mal für diese Manga-Reihe. Dann ist da die Geschichte, die man mit Spannung liest. Die Fragezeichen, was sich hinter diesem „Spiel“ oder den „Aufgaben“ verbirgt und wie das technisch möglich sein soll, mehren sich, und sind so weiterer Anreiz „GANTZ 01“ zu lesen. Befinden sich die Protagonisten vielleicht, wie Kei zu Beginn gesagt bekommt, im Paradies?

Nicht zu verschweigen ist abschließend, dass man sich nicht an der großzügigen Nacktheit der Protagonistin und den sexuellen Anspielungen stören darf, da man ansonsten viele Seiten schnell überblättern muss. „GANTZ 01“ ist keine prüde Geschichte. Dies sollte aus der Rückseite von „GANTZ 01“ jeder und jedem vorab klargeworden sein, denn darauf ist Kei Kishimoto halbnackt zu sehen.

Zum Umfang des Mangas sei noch kurz hinzugefügt: Der Sonderband 01 ist sehr umfangreich, da er vier Bände enthält und daher auf 880 Seiten kommt. Für den Preis ist das sehr gelungen und nicht unhandlich, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, statt einzelner Bände einen solchen Sonderband in den Händen zu halten. Auf den letzten Seiten erhält man einen kleinen Einblick, wie die Zeichnungen entstanden sind, sowie eine kurze unabhängige Geschichte von Hiroya Oku über seinen Arbeitsalltag und die „Miautzi-Wutzi-Süssreisklösschen“.

Leseprobe

Fazit: „GANTZ 01“ bietet einen Auftakt in eine Manga-Welt, bei der man sich nach 880 Seiten berechtigterweise fragen darf, was man da gerade erlebt hat. Ehe man sich versieht, hat einen Hiroya Oku um den Finger gewickelt, und man möchte zügig nach „GANTZ 02“ greifen, um zu erfahren, wie sich unsere zwei Protagonisten und die Protagonistin mit ihren „Guns“ durchschlagen werden. Gan(t)z sicher warten viele Überraschung auf sie und damit auch auf die Leserinnen und Leser! „GANTZ 01“ lohnt sich.

GANTZ 01
Manga
Hiroya Oku
Cross Cult 2018
ISBN: 978-3-96433-000-0
880 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 20,00

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