von Daniel Pabst

Ganze 13 Jahre hat der Mangaka und Autor von „GANTZ“ Hiroya Oku an diesem Opus geschrieben und gezeichnet. Mit der „Perfect Edition“ Ausgabe 12 von Manga Cult, die die Einzelbände 35, 36 und 37 umfasst, ist die deutsche Übersetzung im Jahre 2021 nun abgeschlossen. Im Anschluss präsentiert „GANTZ 12“ auch ein Interview mit Hiroya Oku, das einen spannenden Einblick in den Schöpfungsprozess dieses eigenartigen Mangas gibt. Mit den insgesamt 7.714 Manga-Seiten von „GANTZ“ haben die Leserinnen und Leser eine gewaltige Lese-Strecke hinter sich. Schaut man ins eigene Regal, so benötigt man für die 12 Bände einiges an Platz. Doch dieser ist gut investiert. Denn die Geschichte rund um Kei Kurono ist vielfältiger als man meinen könnte. Immer wieder gab es Wendungen und Zeichnungen, die überraschend, verwirrend und faszinierend zugleich waren.

Besonders im Abschlussband wird noch einmal aus allen Rohren geschossen. Hiroya Oku lässt uns dabei die Möglichkeit selbst zu schlussfolgern, was den Menschen von „Aliens“ trennt. Wenn während einer Fragestunde, die Kei und den anderen Helden und Heldinnen gegeben wird, zu lesen ist: „Im Grunde seid ihr nichts weiter als Staub, der vom Wind weggetragen wird. Bloße Materie, das seid ihr“, dann spricht der verzweifelte Kato einem mit: „Nein … das stimmt nicht“ wohl aus dem Herzen. Doch da das Wesen, welches die Fragen beantwortet, dabei ständig zwischen Gesichtern von Menschen aus dem 20. Jahrhundert und aus vorigen Zeitepochen wechselt, kann die Antwort Katos uns Lesern und Leserinnen allein kein ruhiges Gewissen verschaffen. „GANTZ“ verlässt ein letztes Mal die reine Action und Science-Fiction und lädt ein, sich über das Menschsein Gedanken zu machen.

Wo bleibt die Liebe? Auch in diesem Band blicken wir auf die Beziehung zwischen Kei und Tae. Wenn auf dem Titelumschlag geschrieben steht: „Der Sinn des Lebens liegt im Tod“ und Tae und Kei ein weiteres Mal auf den Seiten dieses Mangas mit schier ausweglosen Situationen konfrontiert werden, so beginnt man zu zweifeln, ob ein Happy End für die Liebe möglich bleibt. Denkt man zurück an den Beginn von „GANTZ“, wird einem zudem jäh in Erinnerung gerufen, dass Kei von einer U-Bahn überrollt worden war, und er ohnehin schon nur eine „Erscheinung“ ist, die für die Spiele von GANTZ geschaffen wurde. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt!

Was bleibt von der Bruderliebe? Kato möchte Ayumu, seinen Bruder, noch einmal in die Arme schließen können. Dieser Gedanke hat ihm übermenschliche Kräfte gegeben und den Kampf gegen die Aliens überstehen lassen. Jetzt am Ende wäre ein Wiedersehen zu wünschen und mehr als verdient. Wenn es zudem ein Treffen mit einer wunderschönen Frau, seiner großen Liebe geben könnte, wäre sein Glück perfekt. Doch dazu müsste eine Auferstehung von den Toten möglich sein. Apropos Auferstehung: In diesem – nicht ganz prüden – Band wird es eine Begegnung mit Reika geben, die die Leserinnen und Leser ein letztes Mal begeistern wird. Auch eine weitere bekannte Heldin erhält ihren brustbetonten Überraschungsauftritt. Packend!

Fake News? Als sich die Nachrichten über die Alien-Invasion überschlugen, wurde auch die Familie um Kei nicht verschont. Der Vater hörte davon, dass sein Sohn ein Terrorist sei. Was ist aus diesen Nachrichten geblieben? In „GANTZ 12“ nun sehen, wir wie eine Korrektur stattfindet, und auch die fleißigen Kommentatorinnen und Kommentatoren in Internet-Foren erleben eine Wende, die nicht nur sie überrascht. Hieß es erst: „Kuronos Tod unabwendbar. Yeah! Yeah!“, und „Danke für nix“, so ertönen inmitten eines allerletzten Kampfes Anfeuerungsrufe, die lauten: „Kurono, Kurono, Kurono“ … Kann ein Einzelkampf alles entscheiden?

Neben dem Helden-Opus, enthält dieser Band auch verstörende Seiten, die insbesondere dann ihren Höhepunkt finden, wenn die unterschiedlichen Nationen gezeigt werden, und wie deren Auserwählte in schwarzen Kampfanzügen mit gefangenen Aliens umgehen. Da blitzen erneut die Parallelen zur Realität auf und machen „GANTZ“ ein weiteres Mal zu dem, der er ist: ein Kult-Manga.

Wer also auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk ist, und jemanden kennt, der ausreichend Platz im Bücherregal aufweisen kann, der kann hier zugreifen, und wird eine gan(t)z besondere Lesereise verschenken oder einfach selbst durchleben.

In dem doppelseitig-abgedruckten Interview mit Hiroya Oku (ursprünglich erschienen im Miracle Jump No. 5 „Die Zutaten von GANTZ: Hiroya Oku und Science-Fiction-Filme“) am Ende dieses Bandes, erfahren wir von Oku über seine Herangehensweise: „(…) alles so zu gestalten, dass es mir auch selbst gefällt. Würde ich dabei nur an die Leser denken, käme es bei mir vielleicht auch zu sich stapelnden Entwürfen. Hätte ich Schlag auf Schlag neue Gegner, Mysterien, Verbündete oder Waffen eingeführt, hätte das vielleicht die Leser gefreut, aber ich selbst wollte so was nicht sehen“. Und bezüglich seiner Leidenschaft sei abschließend zitiert: „Wenn ich beim Lesen keine Leidenschaft für etwas entwickeln kann, hat das Ganze auch keinen Sinn“. Bemerkenswert ist an diesem von Manga Cult abgedruckten Bonus-Interview auch, dass wir erfahren, dass Oku mit „GANTZ“ eine Hommage an „Invincible Superman Zambot 3“ beabsichtigte, die ihn als Kind aufrüttelte und beeindruckte.

Leseprobe

Fazit: „GANTZ“ ist Kult. Hiroya Oku zeichnet ein Abbild der (Kriegs-)Geschichte, ohne den Hang zur Science-Fiction zu vernachlässigen. Bei all den aufgeworfenen Fragen ist diese Manga-Reihe besonders vielfältig und keine reine Unterhaltungs-Lektüre. Action, rohe Gewalt und das rasante Tempo verhüllen die tiefergehenden Fragen, was dem Lesefluss zugutekommt und ausgeglichen wird, wenn man sich die Zeit nimmt, das Gelesene nach jedem einzelnen Band der „Perfect Edition“ zu abstrahieren. Auf die Fragen: „Was ist GANTZ?“ und „Warum kämpfen die eigentlich?“ ist man nach dem Lesen von „GANTZ 12“ bestens vorbereitet. Also, was meinst du?

GANTZ 12
Manga
Hiroya Oku
Cross Cult 2021
ISBN: 978-3-96433-044-4
662 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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