Waisen 1: Das Ende ist erst der Anfang

Die Erde wurde aus heiterem Himmel von einer Katastrophe heimgesucht, bei der mehrere Millionen Menschen das Leben verloren. Die Oberfläche der Welt wurde für immer verändert. Die Überlebenden dürsten nach Rache. Jahre später: Gut, dass es nun Elitesoldaten gibt, die diesen Job überaus gern übernehmen.

von Lars Jeske

Für den Auftakt der Geschichte rund um die Waisen Ringo, Jonas, Juno und Sam ist der Untertitel „Das Ende ist erst der Anfang“ optimal. Beschreibt dieser doch die Szenerie nicht nur für den Leser als Einführung, sondern auch für die Protagonisten. Als die Erde vollkommen unvorbereitet Ziel eines erstmal nicht näher definierten Angriffs wurde, kam ein Großteil der Bevölkerung ums Leben. Einige Überlebende, vor allem Kinder, konnten in Sicherheit gebracht werden. Szenenwechsel. Eine Gruppe Jugendlicher wird quasi indoktriniert und unter militärischem Drill dazu gebracht, stumpf als Soldaten zu funktionieren und den Feind ohne Rücksicht zu erledigen, wann immer man sich diesem zum Kampf stellen kann. Dafür werden sie in der Wildnis ausgesetzt. Ohne Waffen, Ausrüstung oder Hinweisen was zu tun ist. Wer überlebt, der lebt. Ein Experiment. Szenenwechsel. Gereifte Krieger landen in bester Sturmtruppenmanier auf einem öden Planeten und bringen überaus effektiv „Gegner“ um; ohne eine andere Option zu hinterfragen. – Sie sind die Kinder von einst. Die Waisen.

Der Cross Cult Verlag nahm sich der Waisen an. Aber nicht irgendwelcher, sondern derer, die von Franco Busatta, Emiliano Mammucari (Zeichnungen) und Roberto Recchioni (Texte) geschaffen wurden. Dabei handelt es sich um deren ehrgeizig-ambitioniertes Projekt, eine noch nie dagewesene Comic-Geschichte in einem festen Rahmen abzuliefern: 1200 Seiten, je 100 pro Monat, also 12 Hefte und dann ist Schluss. Im Jahre 2014 verlegte der Cross Cult Verlag die deutsch lokalisierte Fassung dieser futuristischen Geschichte in 6 (Doppel)Bänden mit je 200 Seiten. Was dabei herausgekommen ist, kann sich sehen, lesen und angucken lassen. Inszeniert wird ein Setting, bei welchem vage Erinnerungen an „Starship Troopers“ werden wach. Das Besondere am Erzählstil der „Waisen“ ist, dass mindestens zwei Zeitlinien parallel erzählt. Zum einen die Anfänge, wie die Welt geworden ist und wie sich die Kinder allesamt kennenlernen. Zum anderen, wie es mit der zufällig auserwählten Gruppe von Waisen in einer Zukunft aussieht, als sie Elitesoldaten geworden sind; zumindest einige von ihnen. Dieser Erzählstil ist nicht nur für einen Comic halbwegs innovativ, funktioniert jedoch auch nur dann, wenn man bereits einen Plan davon hat, was man erzählen möchte. Dies ist bei einem Comic, einem Medium, das vor allem mit Bildern arbeitet, umso schwieriger. Aber hier funktioniert es eindeutig.

Der Comic erschien in einem sehr stabilen Hardcover und ist nicht nur schwarz-weiß, sondern sogar koloriert. Das Cover schuf Massimo Carnevale, ein italienischer Top-Coverkünstler und mehrfach ausgezeichneter Illustrator. Die Details der Hintergründe im Comic sind ausreichen erkennbar, die Gesichter und wichtigen Details dem Thema sehr angemessen detailliert herausgearbeitet. (Auch) ein Wechsel des Zeichners nach ca. 100 Seiten geht in Ordnung. Ein Teil der Figuren sieht anschließend leicht verändert aus, jedoch ist es noch früh genug in der Geschichte, um nicht analog zu einer TV-Serie eine Umbesetzung akzeptieren zu müssen, die die geschaffene Intensität der Geschichte stört. Gesprochen wird nur das Nötigste: Taten warten. Trotz des Themas und der selber vorgegebenen Seitenanzahl verfallen die Schöpfer nicht in Hektik. In großflächigen und ausreichend vielen Bildern wird die Geschichte erzählt. Nicht langsam, jedoch mit größeren und damit in weniger Bildern also beispielsweise beim Comic zu „The Walking Dead“. Im Anhang gibt es zudem ein Interview mit den Schöpfern und Arbeitsskizzen als Bonus.

Für die nachfolgenden Bände wird es vor allem interessant sein zu beobachten, inwieweit die Charakterentwicklung wirklich von Beginn an bereits abgeschlossen war, da die beiden Zeiträume bislang parallel erzählt werden. Der Leser weiß somit bereits, wie sich einiges entwickelte, erfährt vermutlich jedoch erst im Verlauf der Geschichte das Warum. Ein Spannungsbogen, welcher nicht zu unterschätzen ist.

Fazit: Es passiert nicht viel, aber das mit Karacho. Der „Waisen“-Comic zieht den geneigten Leser sofort in seinen Bann. Hier wird nicht lange gefackelt und gleich auf Action und Tempo gesetzt, ohne dabei hektisch oder fahrig zu werden. Die Story ist interessant inszeniert und vor allem Fans von „Starship Troopers“ werden auf ihre Kosten kommen. Allerdings ist es nicht überspitzt, sondern erst gemeint, und diese Waisen sind vielleicht das letzte Schutzschild zwischen den Angreifern und den Erdbewohnern. Mit dem offenen Ende kann man leben, aufgrund der insgesamt nur 6 Bänden ist diese Anschaffung preislich sehr übersichtlich und für eine Comic-Reihe fast schon eine Kurzgeschichte.

Waisen 1: Das Ende ist erst der Anfang

Comic
Franco Busatta, Emiliano Mammucari, Roberto Recchioni, Alessandro Bignamini
Cross Cult 2014
ISBN: 978-3-86425-390-4
205 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 16,80

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