Geh nicht in den Winterwald

„Don?t walk in the winterwood“ ist eines dieser kleinen, unscheinbaren Rollenspiele, die in der Indie-Szene einen hervorragenden Ruf genießen. Mit „Geh nicht in den Winterwald“ legt der umtriebige System Matters-Verlag nun die deutsche Übersetzung vor.

von André Frenzer

Die vom System Matters-Verlag dabei als Finanzierungsweg gewählte Vorbestelleraktion war dabei ein überraschend großer Erfolg: Weit über einhundert Vorbesteller wollten „Geh nicht in den Winterwald“ in deutscher Übersetzung sehen. Dafür stellte der Verlag zahlreiche Zusatzmaterialien wie weitere Settings und Abenteuer in Aussicht. Doch was erwartet die Spieler nun eigentlich in diesem Spiel?

„Geh nicht in den Winterwald“ ist ein regelleichtes Erzählspiel, welches das Gefühl von gruseligen Lagerfeuergeschichten einfangen möchte. Es spielt in einem kleinen Dorf im Amerika der Kolonialzeit. Das Dorf liegt einsam, abseits aller größeren Städte. Die Bewohner sind fromme Menschen, die mit ehrlicher und harter Arbeit der umliegenden Natur ihr Auskommen abtrotzen. Ganz in der Nähe des Dorfes liegt der Winterwald, ein urtümliches Waldgebiet, in dem es unnatürlich kalt ist. Kein Wunder, dass sich die seltsamsten Geschichten um dieses gruselige Gebiet ranken ...

Eröffnet wird das Buch dann auch mit den zahlreichen Lagerfeuergeschichten, die sich die Bewohner des Dorfes über den Winterwald zuraunen. Von Hexen ist hier die Rede, eigentümlichen Naturgeistern, verschwundenen Kindern, mörderischen Bestien und Menschen, die furchtbar verwandelt aus dem Wald zurückkehrten. Kinder, geht nicht in den Winterwald – das ist die eindeutige Botschaft hinter all diesen Schauermärchen. Dieses Kapitel ist für mich zugleich das Highlight des Büchleins – es sprüht vor Kreativität und unheimlichen Ereignissen. Darüber hinaus liest es sich angenehm flüssig – mein Lob an die Übersetzer!

Das anschließend vorgestellte Regelsystem ist erwartungsgemäß rasch erklärt. Die Abenteuer behandeln Dorfbewohner, die – aus welchem Grund auch immer – den Winterwald betreten müssen. Hier werden ihnen schreckliche und unheimliche Dinge widerfahren. Wann immer ein Charakter Schaden – seelischer oder körperlicher Natur – erleidet, erhält er einen sogenannten Kältemarker. Etwaige Proben – beispielsweise für das Balancieren über einen umgestürzten Baumstamm – werden einfach mit einem W6 gegen die Anzahl vorhandener Kältemarker gewürfelt. Wer ein Wurfergebnis erzielt, das niedriger ist als seine aktuelle Anzahl Kältemarker, der scheitert – und erhält einen weiteren Marker. Wer schließlich sechs Kältemarker erhalten hat, scheidet aus der Geschichte aus. Dieser Mechanismus sorgt für eine besondere Dynamik: Was am Anfang der Geschichte noch einfach erscheint und gut gelingen mag, wird im Laufe des Abenteuers immer schwieriger. So steigt die Spannung zum Finale hin immer mehr an.

Abgerundet wird „Geh nicht in den Winterwald“ von einigen Beispielszenarien, die sehr grob umrissen wurden und letztendlich nur weitere, wunderliche Begebenheiten zu dem ohnehin schon umfangreichen Sagenreigen hinzufügen. Außerdem gibt es noch ein paar Tipps, wie die Atmosphäre einer Lagerfeuergeschichte eingefangen werden kann und ein paar Inspirationshinweise.

Die deutsche Ausgabe wurde von der Künstlerin Kristina Kister komplett neu illustriert. Ihre unheimlichen Strichzeichnungen und -skizzen, nur rudimentär koloriert – zeichnen ein ganz besonderes Bild der Sagen und Legenden um den Winterwald. Das spartanische Layout tut ein weiteres, um eine ganz besondere Atmosphäre beim Lesen zu erzeugen. Ein hervorragendes Lektorat rundet den guten Gesamteindruck ab.

Fazit: „Geh nicht in den Winterwald“ ist ein Spiel für Zwischendurch. Lange Abenteuer oder gar Kampagnen kann und will das Regelsystem nicht abbilden. Was es erreichen will – das Nacherzählen spannender Gruselgeschichten – macht es allerdings sehr gut. Die zahlreichen Inspirationen und Gruselgeschichten, die der Autor mitgeliefert hat, sorgen für ein rundes Bild. Damit kann ich es allen Spielern, die auf der Suche nach einem System für diesen Zweck sind, absolut empfehlen.


Geh nicht in den Winterwald
Grundregelwerk
Clint Krause
System Matters Verlag 2017
ISBN: n.a.
72 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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