von André Frenzer
Im Rahmen der Vorfinanzierungaktion für die deutsche Ausgabe von „Geh nicht in den Winterwald“ wurde ein Abenteuerband angekündigt, der grausige Geschichten aus dem Winterwald rund um verschiedene Feiertage präsentieren sollte. Pünktlich zur RPC 2018 – und damit rund ein Jahr nach dem Hauptband – erscheint dieser nun unter dem schönen Titel „Grausige Festtage“. Bevor ich näher auf die Abenteuer eingehe, sei mir die obligatorische Spoilerwarnung erlaubt – es geht vielleicht nie ganz ohne daher. Wer die Abenteuer noch als Spieler erleben will, der springt besser gleich zum Fazit vor.
Insgesamt fünf neue Erzählungen haben sich auf 52 Seiten versammelt. Zunächst widmet sich Verena Busch dem Valentinstag und erzählt die traurige Geschichte einer hoffnungslosen Liebe zwischen einem weißen Siedler und einer jungen Indianerin. Das grausame Ende ihrer tragischen Beziehung wirkt sich auch heute noch auf das Dorf nahe dem Winterwald aus und als zum Valentinstag einige Dorfbewohner verschwinden, müssen die Charaktere im Winterwald nach dem Rechten sehen. Kaid Ramdani hat sich des Osterfestes angenommen und verbindet es mit der Cherokee-Sage um den Achaanwaapush, eine Art kannibalistischem Dämon in Hasengestalt. Die Dorfleute müssen sich auf die Suche nach zwei Geschwisterkindern machen, die auf der Suche nach dem Osterhasten verloren gingen.
Sehr amerikanisch wird es dann bei Stefan Droste und seiner Legende um die fünf Patrioten. Pünktlich zum Unabhängigkeitstag wird das Ehrenmal nahe dem Dorf von Unbekannten verschandelt. Natürlich müssen die dörflichen Patrioten der Spur in den Winterwald folgen und werden schon bald mit der unrühmlichen Vergangenheit des Dorfes im Revolutionskrieg konfrontiert. Ralf Sandfuchs wiederum schreibt eine erstaunlich persönliche Geschichte rund um Thanksgiving, in der den Charakteren eine ganz eigene Rolle zukommt. Nachdem sie der Einladung von entfernten Verwandten in das Dorf gefolgt sind, müssen sie zur abendlichen Stunde an der Festtafel eine folgenschwere Entscheidung fällen.
Abgerundet wird der Band dann mit der Legende von den drei Weisen aus der Feder von Daniel Neugebauer. Wer die verschiedenen Tätigkeiten des Autors und Verlegers in den letzten Jahren verfolgt hat weiß, dass Daniel nicht nur gerne Weihnachtsabenteuer schreibt, sondern auch ein glühender Verehrer von H. P. Lovecrafts Geschichte „Das Fest“ ist. Mit seinem Beitrag zum Band geht er denn auch gleich diesen beiden Leidenschaften nach und schreibt eine düstere Geschichte voll offensichtlichen Anklängen bei Lovecraft, deren offenes Ende eine große Stärke ist.
Ganz wie es die Regeln des Spiels vorsehen, sind alle Abenteuer in der Vergangenheitsform erzählt. Was zunächst etwas ungewöhnlich erscheint, erleichtert später die Handhabung am Spieltisch ungemein. Die Auswahl der Festtage ist gut gelungen und gerade die Mischung aus „typisch amerikanisch“ und „doch vertraut“ ermöglicht einen raschen Einstieg in das jeweilige Szenario. Auch die Bandbreite unterschiedlicher Abenteuerthemen, die hier vorgestellt werden, weiß zu gefallen. Ein besonderes Lob geht allerdings an die von Axel Weiß erstellten Illustrationen. Sein Stil unterscheidet sich zwar von den oft skizzenhaften Andeutungen im Grundregelwerk, fügt sich aber hervorragend in die Stimmung des Bandes ein und ist auf qualitativ absolut hochwertigem Niveau. Der konsequente Einsatz der Farbe rot als einziger Farbtupfer im Band trägt zu der unnatürlichen Grundstimmung bei.
Fazit: Ob es für ein Erzählspiel wie „Geh nicht in den Winterwald“, das in erster Linie von den Ideen der Spieler lebt und in dem der Spielleiter für kaum mehr als die Ausgangssituation sorgen muss, wirklich einen eigenen Abenteuerband gebraucht hätte, das muss jede Spielgruppe für sich selbst entscheiden. Wer diese Frage für sich mit „ja“ beantworten kann, sollte hier aber unbedingt zugreifen, denn „Grausige Festtage“ ist ein absolut gelungener Band voll toller Ideen und einer hervorragenden optischen Aufbereitung.
Grausige Festtage
Abenteuerband
Verena Busch, Stefan Droste u. a.
System Matters Verlag 2018
ISBN: 978-3963780059
52 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 9,95
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