Maleficium (Startnext-Preview)

Würfelmechanismen für Rollenspiele gibt es viele: von der berühmten „3W20-Probe“ aus „Das Schwarze Auge“ über das Pool-System bei „Shadowrun“ bis hin zu universellen Systemen wie den D20-Systemen, dem auf dem W100-Wurf basierenden „Basic Role Playing“ oder der „Mutant-Year-Zero“-Engine, die vielen Free-League-Systemen zugrunde liegt. Wer aber kennt schon ein Spiel, welches Tarotkarten zurate zieht, um das Probenergebnis zu bestimmen?

von André Frenzer

Autor David Ruschkowski wählte eben jenes traditionelle Kartensystem aus, da er die grundlegende Idee sehr interessant fand. Immerhin sind die Ergebnisse, die ein Würfelwurf liefert, zumeist recht eindimensional, handelt es sich doch schlicht um eine Zahl oder vielleicht ein Symbol. Bei einer Karte lassen sich mehrdimensionale Werte ablesen – neben dem Symbol und dem Wert spielen beim Tarot auch noch Dinge wie die Reihenfolge und die Ausrichtung der Karten eine tiefergehende Rolle. So entstand in zahlreichen Testrunden das nun in Eigenregie erscheinende „Maleficium“, welches seine Proben über das Ziehen von Tarotkarten abhandelt.

„Maleficium“ ist dabei kein universell einsetzbares Rollenspiel, sondern bedient eine bestimmte Prämisse. Es versteht sich als Horror-Rollenspiel. Im Speziellen geht es sogar darum, eine ganz bestimmte Gruppenkonstellation zu spielen: Alle Charaktere sind auf die eine oder andere Weise verflucht. In dem Abenteuer geht es nun für die Charaktere darum, entweder den Fluch zu brechen oder an ihm zugrunde zu gehen. Das System ist darauf ausgelegt, für One-Shots oder eine Folge kurzer Spieleabende zu funktionieren. Die Flüche können dabei vielgestaltig sein. Dämonische oder hexische Flüche sind ebenso möglich wie seltsame Krankheiten oder Besessenheit.

Die Charaktere sind rasch erstellt und bestehen nur aus wenigen Attributen – hier „Wesenszüge“ genannt. Körper, Verstand und Seele werden über ein einfaches Punktkaufsystem mit 1 bis 5 Punkten versehen. Anschließend beschreibt der Spieler die größte Angst, den größten Makel und die größte Schwäche seines Charakters. Die Wahl eines Schwerpunktes – was in etwa einem Beruf entspricht – legt die Dinge fest, die der Charakter besonders gut kann. Dann geht es auch schon los. Da das System für kurze Abenteuersitzungen gedacht ist, wird auf Regeln für Charakterentwicklung nahezu komplett verzichtet.

Kommt es nun zu einer Probe, legt die Spielleitung einen Schwierigkeitsgrad fest. Dieser wird mit einem passenden Wesenszug des Charakters verglichen und es wird eine Tarotkarte gezogen. Der Wert der Karte wird zum Wert des Wesenszuges addiert und anschließend mit dem Schwierigkeitsgrad verglichen – fertig. Nun kommt allerdings die Mehrdimensionalität der Karten ins Spiel: Je nachdem, wie herum die Karte liegt, können positive und negative Nebeneffekte entstehen. Auch unterscheidet das Spiel zwischen kleinen und großen Arkana-Karten: Während die kleinen Arkana-Karten schlicht der Probe dienlich sind, wirken sich die großen Arkana-Karten auf den Fluch aus. Die Spielleitung erhält diese Karten zur späteren Verwendung, um Flucheffekte zu wirken und so den Spielern das Leben zusätzlich schwer zu machen.

Grundsätzlich fügt diese Mechanik dem Spiel eine interessante Meta-Ebene hinzu. Denn ähnlich wie bei „Dread“, dem Spiel mit dem „Jenga-Turm“, muss der Spieler nicht nur abwägen, ob sein Charakter die Probe bestehen kann, sondern auch, ob er überhaupt eine Probe durchführen will. Denn jede Probe kann – unabhängig von ihrem Ausgang – dem Spielleiter neue Werkzeuge an die Hand geben, um die verfluchten Charaktere dem Untergang näher zu bringen.

Auch abseits dieser Meta-Mechanik ist „Maleficium“ alles andere als ein lockeres Erzählspiel. Tatsächlich ist der Regelkern – überbiete einen Schwierigkeitsgrad mithilfe deiner Werte und einem Zufallsmechanismus – sehr klassisch. Auch fallen die Detailfülle an kleinen Hinweisen – etwa für Traglast oder Rüstungen – sowie die eingängigen Kampfregeln auf. „Maleficium“ bringt damit reichlich „Crunch“ auf wenigen Seiten unter. Nichtsdestotrotz sind alle Spielenden angehalten, die gezogenen Karten zu interpretieren und ihre Auswirkungen auf die Charaktere und die Spielwelt ausführlich zu umschreiben. Damit ist „Maleficium“ ein geeigneter Kandidat für Leute, die einmal einen Schritt in Richtung Erzählspiel wagen wollen, ohne auf ein klares Regelgerüst zu verzichten.

Abgerundet wird das Grundregelwerk mit einigen Tipps für die Spielleitung – dieses Kapitel enthält dann auch beispielhafte Spielwerte für Gegner – sowie einem kurzen Einstiegsabenteuer, in dem die Gruppe einem seltsamen Fluch aus ihrer Kindheit nachgeht.

Link zur Homepage des Systems

Autor David Ruschkowski veranstaltet noch bis Ende Juni ein Crowdfunding auf Startnext. Mit diesem Crowdfunding sollen in erster Linie Illustrationen für das System finanziert werden. Der Realisierungszeitraum soll dann noch im gleichen Jahr liegen. Neugierig geworden? Zum Crowdfunding geht es hier: Startnext.