Mietling auf Abwegen

Wer auf der Suche nach kleinen Erzählspielen ist, die abseits des großen „Rollenspiel-Mainstream“ bestimmte Themen aufgreifen, der wird stets und ständig bei der sogenannten „Kleinen Reihe“ des System-Matters-Verlag fündig. Der neueste Ableger ist das humoristische „Mietling auf Abwegen“.

von Jens Krohnen

In „Mietling auf Abwegen“ übernehmen die Spieler die Rolle von sogenannten „Mietlingen“. Jeder waschechte „Dungeons & Dragons“-Spieler weiß genau, um wen es sich hier handelt: die Wasserträger einer „echten“ Heldengruppe. Diese Hilfsarbeiter sind einer Heldengruppe in den Dungeon gefolgt, um für ein wenig Gold ihr Leben zu riskieren. Nun hat die finale Bedrohung des Dungeons die Helden dahingerafft und die Mietlinge müssen versuchen, mit ihrem Leben davonzukommen. Keine leichte Aufgabe, vor allem, weil die Mietlinge keinerlei heldenhafte Fähigkeiten mitbringen …

„Mietling auf Abwegen“ stellt einige interessante Spielercharaktere vor. So können die Spieler in die Rolle des „Chronisten“ (der eigentlich nur dabei ist, um die Heldentaten der Abenteurer niederzuschreiben), des „Fallenpieksers“ (der einen enorm praktischen Metallstab zum … nun ja … Fallenpieksen dabeihat) oder des „Fackelträgers“ schlüpfen. Diese eher wenig heldenhaften Charaktere können alle eine Sache richtig gut – und sonst nichts. Und eben diese Gruppe gilt es nun, mehr oder minder heil aus dem Dungeon herauszubringen.

Der Spielablauf folgt dabei einfachen und festen Regeln. Die Gruppe betritt einen Raum des Dungeons und ein Spieler legt die generelle Bedrohung in diesem Raum fest. Das kann eine Falle, ein Monster, ein tiefer Graben oder sonst etwas sein, das die Mietlinge vor eine Herausforderung stellt. Nun gilt es, mithilfe der begrenzten Fähigkeiten der Charaktere diese Gefahr zu umgehen. Dabei können klar definierte Spielzüge ausgeführt werden – ein wenig gemahnt das an „Dungeon World“ und andere „Powered by the Apocalypse“-Spiele –, die mehr oder minder erfolgversprechend sind. Um die eigenen Chancen zu unterstützen, können die Mietlinge mitgebrachtes Gold und sogenannte „Fuchtelpunkte“ einsetzen, die sie wiederum für absichtliche Niederlagen erhalten. Mithilfe dieser beiden Ressourcen und der geschickten Argumentation, warum die einzige Fähigkeit des Mietlings in gerade dieser Situation „total nützlich“ ist, steuern die Spieler ihre Mietlinge nun von Raum zu Raum, bis irgendwann das Ende des Dungeons erreicht ist.

„Mietlinge auf Abwegen“ ist eines dieser Spiele, die für einen ganz bestimmten Zweck geschrieben wurden und die sich kaum auf andere Themen übertragen lassen. Das tut dem Spielspaß allerdings keinen Abbruch: Wer schon immer einmal wissen wollte, was mit den mitgebrachten Mietlingen nach einem „Total Party Kill“ geschieht, der wird hier fündig. Und das mit reichlich Spaß, denn „Mietlinge auf Abwegen“ nimmt weder sich noch das Fantasy-Genre bierernst. Die Regeln sind dabei völlig ausreichend, und stehen dem Spiel nicht im Weg.

„Mietlinge auf Abwegen“ erscheint im für die „Kleine Reihe“ üblichen A5-Querformat. Die deutsche Variante hat dabei komplett neue Illustrationen aus der talentierten Zeichenfeder von Maria Hecher spendiert bekommen. Doch auch die originalen Illustrationen finden sich als Anhang in dem Band wieder. Das Layout ist sauber und aufgeräumt, das Lektorat und Korrektorat gelungen. Die mir vorliegende, streng limitierte Hardcoverausgabe ist hervorragend verarbeitet. Technisch kann ich damit nur eine gute Note vergeben. (Allerdings gibt es aktuell nur noch die Softcoverausgabe zu erwerben.)

Fazit: Wer schon immer einmal wissen wollte, was mit den mitgebrachten Mietlingen nach einem „Total Party Kill“ geschieht, der wird hier fündig. Als humoristisches One-Shot-System und willkommene Abwechslung zum bierernsten Dungeon-Crawl absolut empfehlenswert.

Mietling auf Abwegen

Grundregelwerk
Thomas Novosel, Murray Alan Budeus-Murchinson, u.a.
System Matters Verlag 2020
ISBN: n. a.
72 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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