Die Powder-Mage-Chroniken 1: Blutschwur

Wenn man den König stürzt, um eine Systemwende zum Wohle des Volkes einzuleiten, kann es nur der Beginn sein. Der Ärger, der sich daraufhin mit den Verbündeten anbahnt, der bevorstehenden Krieg mit dem Nachbarn und eine verhängnisvolle Prophezeiung vom Ende der Welt sind nur einige der Dinge, mit denen sich der Pulvermagier Feldmarschall Tamas in „Blutschwur“ konfrontiert sieht.

von Lars Jeske

Die Nation von Adro breitet sich vor dem Leser wie eine Welt vor der industriellen Revolution aus. Schöne Kleider und Bälle zählen bei den Royalisten, das Militär mit Musketen und Bajonetten ist so wichtig wie angesehen, Pferdekutschen sind das bevorzugte Verkehrsmittel auf den Straßen mit den großen, viktorianisch anmutenden Häusern. Abgeschottet in einem Bergtal liegt das fruchtbare Land um den Adsee und in dessen Norden die größte Stadt im Zentrum des Tales namens Adopest. Just in dieser wird der ehemalige Polizeiinspektor Adamat mitten in der Nacht zum königlichen Palast gerufen. Und wenn der bekanntermaßen launische König ruft, lässt man sich nicht zweimal bitten. Im Palast angekommen stellt sich heraus, dass etwas nicht stimmt. König Manhouch wurde unter der Regie von Feldmarschall Tamas aus dem Amt geputscht. Ein älterer Herr um die 60 Jahre, der sein ganzes Leben dem Militär gewidmet hatte und auch außerhalb des Militärs im Volk hochangesehen und geachtet ist. Also ist es wohl ein Militärputsch von einem heimatverbundenen Mann gewesen, der die Knechtschaft des Volkes beenden will und nun die Macht vom Volke ausgehen lassen möchte. Aber was hat Adamat damit zu tun?

Der Fantasy-Anteil beim Debütroman von Brian McClellan kommt ins Spiel, als dass es unwahrscheinlich war, dass der König einfach so trotz besonderer Leibwächter fällt. Denn neben den normalen Haudraufs, hatte er wie jeder König der Neun Reiche speziell ausgebildete Magier namens Privilegierte, die ihn ständig umgeben und vor allen Gefahren bewahren. Gebunden durch Kresimirs Versprechen, das Versprechen eines Gottes. Eben dieses ist es, welches die Geschehnisse quasi in Gang bringt. Denn das ist, was Adamat herausfinden soll, und dies ist schwieriger als gedacht. Es scheint so, als wenn eine mächtige Person im Hintergrund alle Spuren darauf beseitigt hat. Bleibt allein der verstoßene Privilegierte Borbador, der Licht ins Dunkle bringen kann.

Unterdessen hat Tamas ganz irdische Probleme. Nicht alle seiner einflussreichen Mitverschwörer sind so patriotisch wie er selber und eben nur opportunistisch auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie spielen ein eigenes Spiel und wollen sich selber an die Macht bringen. Da ist das nächste Blutvergießen nicht weit weg. Ein ums andere Mal entkommt Tamas einem Anschlag auf sein Leben und stellt sich immer mehr die Frage, welchem seiner Mitverschwörer nicht zu trauen ist. Neben diesen internen Machtstreitigkeiten sind die zahlenmäßig weit überlegenen und generell sehr kriegerisch eingestellten Kez im Süden bereit, die Situation auszunutzen. Adro zu überfallen und sich einzuverleiben scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, und auch hier muss Tamas schnell handeln. Nichts ahnend, dass dieser Gegner noch ein weiteres Ass im Ärmel hat, beginnt er sich auf den Feind vorzubereiten.

Spätestens wenn man diese actionreichen und dennoch nur 770 Seiten ausgelesen hat, ist man begeistert zu erfahren, dass man nicht mit seiner positiven Meinung über den Roman allein dasteht. Glücklicherweise bekam diese Geschichte eine Fortsetzung, welche schließlich in die dreiteilige „Powder-Mage-Chroniken“ überführt wird. Warum? Nun, Brian McClellan wählte für seinen Debütroman „Blutschwur“ (2014) einen ungewöhnlichen Einstieg in die Geschichte. Normalerweise wäre der Weg zum Umsturz das zentrale Element der ersten paar hundert Seiten oder des ersten Romans. Ebenso, wie die Protagonisten darauf hingearbeitet haben, eine Zeitenwende herbeizuführen. Nicht so hier. Gleich auf den ersten Seiten wird klar: Das alte politische System ist am Ende und mit Mittelpunkt stehen die Ereignisse die daraufhin folgen. Von nun an ist alles neu, ebenso wie für den Leser, der zusammen mit Adamat die Szenerie betritt. Nicht zufällig, aber unvorbereitet. Das wer wie wo wann warum ist dann überraschend schnell geklärt. Doch was passiert, wenn die Wende da ist und der vermeintliche Retter gar keinen Plan hat, wie es weitergehen soll?

Ebenso ein Highlight ist das sehr klug durchdachtes Magiesystem in dieser Welt. Privilegierte bilden darin die stärkste Gruppe, die zwar ihre runenverzierten Handschuhe brauchen, dann jedoch nahezu unbesiegbar sind. Ihnen gegenüber stehen die Magiebrecher, denen es gelingt, das Els so zu beeinflussen, dass in ihrer Gegenwart keine Magie mehr funktioniert. Konträr dieser Gruppe gegenüber stehen die Pulvermagier als Gezeichnete oder Begabte. Ihnen gelingt es, sich durch das Schnupfen von Schwarzpulver in einen (Drogen)Rausch zu bringen, der nicht nur ihre menschlichen Fähigkeiten verstärkt, sondern es ihnen auch gestattet, die Pulverladungen der Gewehre zu beeinflussen. Was je nach Wunsch zu Explosionen führen kann oder den Lauf einer Kugel im Flug so manipuliert, dass sie Gegner auch in physikalisch unmöglichen Winkeln oder über sehr weite Entfernungen präzise treffen. Das sind einige der Arten der Magie in dieser glaubhaft beschriebenen Welt.

Die Protagonisten sind überraschend vielschichtig und vor allem für ein Debüt hervorragend herausgearbeitet, allen voran der überaus charismatische Tamas und sein Sohn Taniel Zweischuss (welche einen unbewältigten Vater-Sohn-Konflikt haben). Die geheimnisvolle Wilde Ka-poel und das doch eher gewöhnliche Leben von Adamat runden dieses beispiellose Werk ab. Die Antagonisten sind jedoch auch nicht zu verachten und sorgen immer wieder für Überraschungen im Verlauf der Handlung wie auch dafür, dass das Buch trotz des Umfangs sehr kurzweilig ist.

Der neutrale Erzähler schildert ruhig die Geschichte als Beobachter für den Leser. Da er selber nicht allwissend ist oder in die Zukunft schauen kann, bleibt der Roman bis zum Ende spannend, da es keine Andeutungen gibt und auch das Ende nicht klischeehaft umgesetzt wurde. Der Roman ist leicht zu lesen, verständlich und die Übersetzerin Stephanie Pannen bringt uns den Roman ohne Tipp- oder Grammatikfehler näher. Kurzum: Wieder einmal hat sich Cross Cult die Rechte der deutschen Veröffentlichung an einem überaus großartigen Debüt gesichert und hervorragend übertragen. 2018 erschien „Blutschwur“, gefolgt von den sehnsüchtig erwarteten Folgebänden „Schicksalswende“ und „Herbstrepublik“ (je 2019).

Fazit: Brian McClellan legt mit „Blutschwur“ einen fulminanten Auftakt seiner „Powder-Mage-Chroniken“ hin. Es ist wie die Französische Revolution im Fantasy-Gewand. Da wo normale Bücher aufhören, fängt dieser Roman jedoch erst an und beleuchtet die Geschehnisse nach dem Sturz des Königs. Ein aufziehender militärischer Konflikt mit dem Ausland, Intrigen innerhalb Adros, die Prophezeiung eines Gottes persönlich, Blutrache zu nehmen, und das Ende der Welt bilden die Grundpfeiler der Geschichte, die zudem mit der Idee der Pulvermagier frischen Wind ins Genre bringt. Uneingeschränkter Lesegenuss jenseits von Drachen oder Fantasy-Ungeheuern, dessen Haupthandlung sogar abgeschlossen ist.

Die Powder-Mage-Chroniken 1: Blutschwur
Fantasy-Roman
Brian McClellan
CrossCult 2018
ISBN: 978-3-95981-668-7
765 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 16,00

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