Der Lotuskrieg 1 – Stormdancer

„Stormdancer“ verbindet eine feudale japanische Kultur mit Steampunk- und Fantasy-Elementen zu einem außergewöhnlichen Setting. Die Gesellschaftsordnung hat dystopischen Charakter, geprägt von einem Kontrollstaat, Unterdrückung und der Zerstörung der Umwelt zum Wohl weniger Reicher. Außerdem erlebt man die Freundschaft zwischen einem Menschen und einem mystischen Tierwesen.

von Shadow

Der Shogun hat einen Traum, in dem er auf einem Donnertiger reitet, einem gigantischen Greifvogel mit dem Hinterleib eines Tigers. Er hält es für eine Vision und schickt seine besten Jäger aus, um dieses längst ausgestorbene Wesen zu fangen und ihm zu bringen. Bei den Jägern handelt es sich um die 16-jährige Yukiko, ihren Vater und zwei weitere Personen. Weigern sie sich oder scheitern sie, wird der Shogun sie zum Tode verurteilen. So begeben sie sich auf eine irrsinnige Reise, bei der sie jedoch ein unvergessliches Abenteuer erleben und ihre aktuelle Lebenssituation reflektieren.

Von einem Flugschiff aus erhalten sie schockierende Anblicke von der Zerstörung des Landes. Für die Herstellung von Treibstoff wird der Blutlotus großflächig angebaut. Hierbei handelt es sich jedoch um eine giftige Pflanze, wodurch die Böden unfruchtbar werden und sowohl Mensch als auch Tier vergiftet werden. Die Wohlhabenden möchten auf den Luxus nur ungern verzichten, weshalb sie großzügig über die Konsequenzen hinwegsehen. Aufgrund des exzessiven Anbaus befinden sich außerdem zahlreiche Menschen in Sklaverei  – häufig sind sie sich dessen nicht einmal bewusst. Sie glauben fest daran, ein ehrenhaftes Leben zu führen, wenn sie den Befehlen des Shoguns folgen, ohne diese zu hinterfragen. Diese Erkenntnisse wecken die Rebellin in Yukiko, weshalb sie sich einer Widerstandsgruppe anschließt, wodurch ihr Leben eine überraschende Kehrtwende macht.

Der Einstieg in die Handlung verläuft etwas schwierig, da man die Ereignisse aus Sicht von Personen sieht, die mit den Lebensumständen bereits vertraut sind. Somit werden für den Leser verblüffende Details häufig nur beiläufig erwähnt, da diese für die Romanfiguren ganz normal sind. Hinzu kommen ein Zeitsprung und eine Aufteilung in mehrere Handlungsstränge, die erst noch zueinanderfinden müssen. Nach dieser Eingewöhnungsphase möchte man das Buch jedoch nicht mehr zur Seite legen. Kreative Ideen, tiefgehende Charaktere, reichlich spannende Momente und überraschende Wendungen prägen diesen Roman.

Wie es bei vielen Opfer der Schreckensherrschaft der Fall ist, hat auch Yukiko eine schockierende Vergangenheit, von der man aber nur stückchenweise erfährt. Die Neugierde, was damals geschehen ist, begleitet einen durchgehend. Außerdem erlebt man, wie sich Yukiko innerhalb kurzer Zeit stark verändert. Durch ihren Vater hat sie gelernt, sich anzupassen, doch eigentlich hat sie eine rebellische Art, die im Laufe der Reise immer mehr zu Vorschein kommt. Ein Wendepunkt ergibt sich, als die Jäger tatsächlich einen Donnertiger fangen. Sie sperren ihn ein und planen diesen, wie befohlen, dem Shogun zu überbringen. Yukiko hat jedoch Mitleid, verhilft ihm zur Flucht und folgt ihm in die Wildnis. Es gelingt ihr, sich mit ihm anzufreunden, obwohl dieser Menschen zutiefst verabscheut. Doch er merkt, dass Yukiko bereit dazu ist, an den Missständen etwas zu ändern. So kommt es, dass sie sich sogar einer Widerstandsgruppe anschließen und ein gewagter und zugleich genialer Plan Gestalt annimmt.

Bei „Stormdancer“ handelt es sich übrigens nicht um Jay Kristoffs neuestes Werk, sondern um sein erstes Buch, das er schon 2012 veröffentlicht hat. Warum die Reihe erst nach 9 Jahren hierzulande erscheint, ist eine interessante Frage, insbesondere da spätere Werke von ihm bereits erhältlich sind. Möglicherweise sind Fantasy-Romane mit asiatischem Ambiente momentan besonders beliebt. Wer dieses Setting mag, kommt auf jeden Fall auf seine Kosten. Man begegnet zahlreichen Elementen der japanischen Kultur, welche übrigens in einem Glossar am Ende des Buches erläutert werden. Insbesondere um von dem damaligen Kleidungsstil ein besseres Bild zu bekommen, kann das sehr nützlich sein. Gemischt mit Steampunk-Elementen ergibt sich ein noch unverbrauchtes Setting, welches für zahlreiche neue Eindrücke sorgt.

Die grundlegende Thematik des Romans ist zwar nicht neu, zeigt dafür jedoch interessante Parallelen zur Realität. In „Stormdancer“ ist die Zerstörung der Umwelt bereits so weit vorangeschritten, dass Tiere nahezu ausgestorben sind. In den Städten überlebt man nur noch mit aufwändig hergestelltem Atemschutz. Für in Armut lebende Menschen ist dieser zu teuer, weshalb sie meist früh an der verseuchten Luft sterben. Die Ursache liegt im Anbau des Blutlotus, der Wohlstand bringt – ganz besonders denjenigen, die ihn sich leisten können. Die Reichtumsverteilung hat eine gigantische Spanne erreicht, eine Ungerechtigkeit, die sich nur schwierig aufheben lässt, denn Reichtum bedeutet auch Macht.

Fazit: Die Kombination aus einem feudalen Japan mit Steampunk- und Fantasy-Elementen erschaffen ein außergewöhnliches Setting, das hervorragend zur Geltung kommt. „Stormdancer“ bietet außerdem viele Facetten wie Spannung, Dramatik, überraschende Wendungen und gesellschaftskritische Elemente.

Leseprobe

Der Lotuskrieg 1  – Stormdancer
Fantasy-Roman
Jay Kristoff
Cross Cult 2021
ISBN: 978-3-96658-386-2
528 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 14,00

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