Die Powder-Mage-Chroniken 2: Schicksalswende

Der Weg nach Hause ist für Feldmarschall Tamas und seine Untergebenen abgeschnitten. Also muss er alles riskieren, wenn er seine Heimat wiedersehen will, um ihr in der Stunde der größten Not beistehen zu können. Unterdessen muss sich Taniel seinen eigenen Dämonen stellen und einem überaus verärgerten Gott Paroli bieten.

von Lars Jeske

Die Nachwirkungen einer Revolution: Die Royalisten sind in ihre Schranken gewiesen, während Feldmarschall Tamas daran gelegen ist, eine bessere Welt für alle in Adro zu erschaffen. Da ihm das nicht allein gelingen kann, ist er auf die Hilfe eines Rates angewiesen, auf Fürsprecher, die jedoch wie zu jeder Zeit nicht ausschließlich für das Gemeinwohl agieren, sondern zuallererst ihre persönlichen Interessen verfolgen. Vornehmlich strebend nach Einfluss, Macht, Geld und Ruhm schielen sie nach den höchsten Ämtern in der neu zu schaffenden Republik. Dass hierbei jedes Mittel Recht ist, versteht sich von selbst. Zwar das Übliche – und Tamas wohl bewusst –, aber ohne Verbündete wäre der Umsturz erst gar nicht geglückt. Leider sind die geographischen Nachbarn auch über diese Veränderungen entzückt. Sie versuchen sogleich, die unsichere Zeit des Machtvakuums für sich zu nutzen und starten erneut eine Invasion. Eine zusätzliche Baustelle, der sich der Feldmarschall mit all seiner militärischen Erfahrung erst Recht nicht entziehen kann. Dies ist die Ausgangssituation nach „Blutschwur“.

In „Schicksalswende“ beschreiben initial zwei parallele Geschichten den fragilen Zustand der Nation Adro seitdem sehr gut. Wie bereits im begeisternden Debüt-Roman eröffnet Brian McClellan auch im Folgeband seine Geschichte mit einer Szene von Inspektor Adamat. Während er noch im ersten Teil unvorbereitet auf die Szenerie trifft, welche die gesamte Handlung in Bewegung setzte, ist es nun eine unmittelbare Konsequenz seiner bisherigen Handlungen. Der ehemalige Inspektor will seine Familie aus den Fängen von Lord Vetas befreien, auf der anderen Seite diesen auch umbringen. Wenn er zudem noch die geheime Identität des mächtigen Strippenziehers im Hintergrund herausbekommen würde, könnte er wieder ruhig schlafen. Auch die ehemalige Wäscherin Nila nebst dem von ihr in Sicherheit gebrachten Jakob, dem letzten Sprössling der Krone, ist in den Fängen von Lord Vesta gelandet und muss unfreiwillig dem Herrn des Hauses Gesellschaft leisten.

Abseits der Hauptstadt ist selbstverständlich wieder Feldmarschall Tamas Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Der Held der Revolution ist aufgrund einer verzweifelten Kriegslist mit einer übersichtlichen Anzahl Soldaten abgeschnitten vom Rest des Heeres auf der falschen Seite der Grenze gelandet. Ohne Proviant oder Ausrüstung werden sie (selbstverständlich) von einer Übermacht der Kez durch deren Heimatland gejagt und zuhause unterdessen für tot gehalten. Sein Sohn Taniel hat noch an seinen Erlebnissen am South Pike zu knabbern und gibt sich mannigfaltigen Rauscherlebnissen hin. Erst spät besinnt er sich wieder in den Krieg mit einzusteigen. An der Front muss er jedoch erkennen, dass mittlerweile andere Gesetze herrschen und seine einstmals herausragende Stellung als nunmehr vermeintlich letzter Pulvermagier nichts mehr wert ist. Somit geht er seinen eigenen Weg, während der angeschossene Gott Kresimir auf Rache an ihm sinnt.

Auch der immer als schwierig angesehene Mittelband einer Trilogie weiß auf ganzer Linie zu überzeugen. Wie kann man so viel Inhalt in so wenige Seiten schreiben? Große Erzählkunst und ein perfektes Erzähltempo, kein Ballast drumherum für ein retardierendes Moment. Denn wie nebenbei werden in den ruhigen Phasen des Buches weitere Details über die Organisationen des Landes, die Nachbarn oder prägende Ereignisse aus Adro eingeflochten, um Zusammenhänge zu beleuchten. Neben Tamas stehen nunmehr verstärkt dessen Sohn Taniel, der von der Zeit und seinem Schicksal aufgerieben ist, das Schicksal von Adamats Familie und Nila im Mittelpunkt der unterschiedlichen und voneinander größtenteils getrennten Erzählstränge. Dabei ist dieser Band unter anderem durch die Armeetaktiken von Tamas noch actionlastiger als der erste und damit wohl noch mehr ein Buch für Männer. Gewalt, Politik, Lügen und Täuschungen stehen auf dem Programm und lassen tief in die Seelen aller Personen blicken. Brian McClellan erzählt zugleich spannend und ist immer am Geschehen dran. Ob mit Ka-poel bei den schwarzen Hütern oder zusammen mit Adamat auf Spurensuche, alles erlebt man hautnah. Blut wird an allen Fronten reichlich vergossen und es gibt mannigfaltige Kämpfe zwischen Infanterie, Kürassieren und Dragonern mit Musketen, Degen und Bajonett. Diese sind jedoch kurz beschrieben und werden nicht ausufernd glorifiziert.

Ohne das Vorwissen aus dem ersten Roman ist für den geneigten Leser nicht alles verständlich, aber wer fängt mit einem zweiten Teil einer Trilogie an? Es wird wenig wiederholt, sodass auch die Handlung flüssig vorankommt. Die wenigen verwobenen Passagen werden größtmöglich chronologisch erzählt. Dadurch erscheint die Kapiteleinteilung willkürlich, da auch innerhalb von Kapiteln die Szenerie wechselt und in diesem Sinne keine abgeschlossenen Sinneinheiten darstellen. Da zudem die unterschiedlichen Begebenheiten der vier Haupthandlungsstränge ihrerseits nicht parallel stattfinden, hätte der Autor auch einfach kürze Kapitel nehmen können oder diese Unterteilung insgesamt weglassen. Aber das ist schon das Kritikwürdigste. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass während die Haupthandlung von „Blutschwur“ im Prinzip abgeschlossen ist, es bei „Schicksalswende“ eine Handvoll lose Ende gibt, die der Leser gern noch für sich geklärt hätte. Somit muss man dann quasi gleich zum Finale namens „Herbstrepublik“ greifen. Unter der Annahme, dass dieser Band jedoch ebenso spannend geschrieben ist, ist dies nur ein kleiner Wermutstropfen an dieser Stelle.

Fazit: Leider umfasst der Roman nur 800 Seiten. Nach dem überaus guten Erstlingswerk von Brian McClellan hatte ich mich auf die Lektüre von „Schicksalswende“ regelrecht gefreut und es hat sich erneut gelohnt. Natürlich ist der Roman etwas dicker, doch vor allem wer in Büchern politische Winkelzüge, militärische Manöver und tolle Charaktere in einer interessanten Welt, die auch noch Magiebenutzer beinhaltet, sucht, wird hier nicht nur fündig, sondern sollte sich generell diese Reihe nicht entgehen lassen.

Die Powder-Mage-Chroniken 2: Schicksalswende
Fantasy-Roman
Brian McClellan
Cross Cult 2019
ISBN: 978-3-95981-726-4
815 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 16,00

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