Escape Tales – The Awakening

Bei „The Awakening“ handelt es sich um eine Abwandlung der inzwischen weit verbreiteten „Exit-Games“. Man löst die Rätsel dieses Mal ganz ohne Zeitdruck und taucht in eine mysteriöse, gruselige Geschichte ein. Hierbei treffen die Spieler gemeinsam Entscheidungen, die den weiteren Verlauf der Handlung beeinflussen und nur vielleicht zu einem Happy End führen.

von Shadow

Samuel, 35, ist seit fünf Jahren verwitwet. Geblieben ist ihm seine Tochter Lizzy, die ihm in diesen schweren Zeiten viel Kraft gegeben hat. Seit 2 Monaten leidet sie jedoch unter einer seltsamen Krankheit. Erst ist sie ständig müde gewesen und inzwischen wacht sie gar nicht mehr auf und liegt nun im Koma. Die Ärzte wissen nicht weiter und Samuel ist verzweifelt. Eines Tages erfährt er von einem ähnlichen Fall und nimmt zu den Betroffenen Kontakt auf. Der Vater eines Kindes, das ebenfalls lange Zeit im Koma lag, erzählt ihm von einem mysteriösen Ritual, das einem eine Reise in eine andere Dimension ermöglicht, in der sich verlorene Seelen aufhalten. Samuel erhofft sich dadurch, seine Tochter aus dem Koma zu wecken. Das Ritual gelingt ihm, doch findet er sich in einer unheimlichen Welt wieder und weiß nicht, wem er trauen kann und welchen Preis er für seine Reise zahlen muss.

Zunächst einmal müssen die Spieler alle nötige Komponenten für das Ritual finden. Hierfür wird eine Raumkarte auf dem Tisch platziert, der mit Aktionsmarker erkundet werden kann. Die Spieler entscheiden nun gemeinsam, was Samuels nächster Schritt ist. Jeder Raum ist in 12 Felder unterteilt, die erkundet werden können. Für welches Feld man sich entscheidet, soll gut überlegt sein, denn die Aktionsmarker sind begrenzt. In den Räumen erhält man Gegenstandskarten oder Rätselkarten. Bei den Gegenständen kann es sich um Dinge wie einen Schlüssel handeln, den man einfach benutzt, oder auch Gegenstände, die zu einen bestimmten Zeitpunkt der Geschichte abgefragt werden. Hat man den Gegenstand zu diesem Zeitpunkt bereits gefunden, nimmt die Handlung einen anderen Verlauf oder man verdient sich einen Bonus. Die Rätselkarten können erst gelöst werden, wenn man alle dazugehörenden Rätselkarten gefunden hat.

Wie viel Karten man pro Rätsel braucht, verrät eine Website, die Teil des Spiels ist. Auch die Lösung muss über die Website eingegeben werden. Wer das Spiel mit in den Urlaub nimmt, sollte deshalb sicher gehen, dass er auch Netz hat. Das Schöne ist: Hat man die Website einmal geladen, kann auch offline weitergespielt werden, zudem ist sie für jede Bildschirmgröße geeignet, also auch gut mit dem Handy bedienbar. Verlässt man einen Raum, gibt es kein Zurück mehr, deshalb kann es schon mal vorkommen, das man manche Karten gar nicht erhält.

Verlieren kann man das Spiel theoretisch, indem die Aktionsmarker ausgehen. Dies passiert aber eigentlich nur, wenn man ständig Räume ausführlich erkundet und die Rätsel ignoriert. Löst man diese, erhält man häufig neue Aktionsmarker. Es lohnt sich somit häufig schon, sich die Räume genauer anzuschauen – so hat man auch mehr vom Spiel. Eine andere Möglichkeit zu „verlieren“ ist, dass man kein Happy End erhält, was in erster Linie aber Glücksache ist. Zwar hängt das Ende von den getroffenen Entscheidungen ab, doch kann man allein durch Logik nicht immer die richtige Entscheidung treffen. Hier braucht man vor allem ein gutes Bauchgefühl.

Für die Lösung der Rätsel kann man so oft raten, wie man möchte, ohne davon einen Nachteil zu erhalten und das ist auch gut, denn manchmal haben die Rätsel es echt in sich! Man trifft auf anspruchsvolle und erfreulich abwechslungsreiche Aufgaben – so wie man sie von den Exit-Games kennt, nur dass man sie dieses Mal ohne Zeitdruck lösen kann. Mal handelt es sich um Kombinationsrätsel, mathematische Aufgaben, Texträtsel oder auch Bilderrätsel. Eine Altersempfehlung ab 16 Jahren ist somit sinnvoll, da allzu viel Jüngere wahrscheinlich nur wenig Spaß an den Rätseln haben.

Anders als bei den Exit-Games geht es hier allerdings nicht nur um das Lösen kniffliger Rätsel, sondern auch das Erleben einer mitreisenden Geschichte. Der Einstieg verläuft bei „The Awakening“ leider jedoch etwas holprig und zwar steht man als Autor vor folgendem Problem: Warum sollte Samuel in seinem eigenen Zuhause Rätsel lösen müssen? Die Lösung dieses Problems ist leider nur mäßig gelungen.



Es gibt die Rätsel, die sich Samuel selbst gestellt hat, damit Lizzy nicht an seine Sachen kommt. Nur hat Samuel nicht nur die Lösung vergessen, die Formulierung „Du versuchst dich an die richtige Kombination zu erinnern, doch anscheinend hast du sie geändert“ liest sich nun einmal so, als wäre er sich da selbst nicht mehr ganz so sicher, ob er das überhaupt getan hat. In seinem Safe liegt übrigens eine Pistole, die er auch ganz vergessen hat. Dann gibt es noch die Rätsel, die von Lizzy stammen. Samuel kennt diese bereits, konnte sie aber nie lösen – als Spieler braucht man dafür nur wenige Minuten. In diesem Fall hätte man die Situation einfach so darstellen können, dass er die Rätsel zum ersten Mal sieht und schon hätte es runder geklungen. Haben die Spieler das Ritual durchgeführt, kommt die Handlung allerdings in Fahrt. Man erlebt eine mysteriöse und düstere Geschichte, die einem so packt, dass man „The Awakening“ am liebsten in einem Stück durchspielen möchte.

Die Tatsache, dass die eigenen Entscheidung Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Handlung haben, lässt den Spieler richtig mitfiebern und man überlegt sich zwei Mal, welchen Schritt man als nächstes geht. Verlässt man einen Raum, gibt es kein Zurück mehr und es besteht die Gefahr, dass man etwas verpasst hat. Verweilt man jedoch zu lange, kann dies ebenfalls Folgen haben. Wenn man das so liest, könnte man meinen, dass es sich lohnt das Spiel mehrmals zu erkunden und gezielt stark voneinander abweichende Entscheidungen zu treffen. Hierfür sind die offen stehenden Wege jedoch nicht unterschiedlich genug. Außerdem sind die Lösungen zu den Rätseln dann ebenfalls schon bekannt. Ein zweiter Durchgang lohnt sich also nicht. „The Awakening“ hat laut Angaben auf der Packung eine Spieldauer von 180-360 Minuten, was auch gut hinkommt, somit ist man an „The Awakening“ allerdings schon einige Stunden beschäftigt. Außerdem kann man mit diesem Spiel anderen noch eine Freude machen, da am Spielmaterial nichts zerstört werden muss und auch die Qualität es zulässt.

Als Spielmaterial sind zahlreiche Raum-, Gegenstands- und Rätselkarten enthalten, Aktionsscheiben aus Holz, ein Spielbrett, das Story-Buch und die Anleitung. Die Karten sind sehr detailreich und schön illustriert – da macht es besonders Spaß, sich alles genauer anzuschauen. Außerdem kommt die düstere Atmosphäre erst durch die Illustrationen richtig zur Geltung. Bei so viel Liebe zum Detail ist es schon etwas schade, dass sich gleich mehrere Denkfehler eingeschlichen haben. Immer wieder wird man dazu aufgefordert, eine Raumkarte bei einer Rätselkarte zu verwenden. Die Raumnummern stehen allerdings nur hinten auf der Karte. Da wäre es praktisch gewesen diese auf der Übersichtskarte zu ergänzen. Auf einer Illustration sieht der Fuß eines Beistelltischs aus, als wäre er mindestens ein Meter lang. Auf einer anderen Karte wird ein Schloss mit drei Drehscheiben dargestellt – für die Lösung des dazugehörenden Rätsels benötigt man allerdings nur zwei Ziffern.

Laut den Angaben von Kosmos ist „The Awakening“ für 1 bis 4 Spieler ausgelegt. Hat man mehr Spieler am Tisch, ist das allerdings auch kein Problem. Die Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, egal bei wie vielen Beteiligten. Die Einschränkung liegt eher bei den Rätseln. In der Regel können sich 2 bis 3 Leute die Rätselkarte gut gemeinsam anschauen. Da man die Karten meistens durchgehend für das Lösen der Rätsel braucht, entstehen durch das Weiterreichen Wartezeiten für die übrigen Spieler. Bei zu vielen Spieler könnte das störend werden.

Fazit: „The Awakening“ ist geprägt von einer düsteren, packenden Geschichte, bei der man sich seine Entscheidungen gut überlegen muss. Knobel-Fans kommen ebenfalls auf ihre Kosten. Die Rätsel sind anspruchsvoll und abwechslungsreich. Hinzu kommen tolle Illustrationen, die für eine stimmige Atmosphäre sorgen. Bei so viel positiven Eigenschaften kann man über einen etwas holprigen Einstieg in die Geschichte schnell hinwegsehen. „The Awakening“ verspricht mehrere Stunden Spielspaß, bei dem es einem nie langweilig wird!

Escape Tales – The Awakening
Spiel für 1 bis 4 Spieler ab 16 Jahren
Jakub Caban, Bartosz Idzikowski, Matt Dembek
Kosmos 2019
EAN: 4002051693008
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 24,99

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