Talisman – Legendäre Abenteuer

Fünf Talismane sind die Schlüssel für das Portal, hinter dem die Krone der Herrschaft verwahrt wird, die Macht über das ganze Land verspricht. Unholde sind auf der Suche nach den Talismanen, doch tapfere Helden stehen schon bereit, ihnen zuvorzukommen.

von Bastian Ludwig

„Talisman“ ist ein britisches Brettspielfranchise, das seit dem Jahr 1983 in vier Editionen erschienen ist. Mit „Talisman – Legendäre Abenteuer“ bring der Pegasus Verlag einen eigens entwickelten, kooperativen Ableger dieser Reihe auf den Markt, der sich anders als das Hauptspiel vor allem an Familien richtet. Ich habe „Talisman“ noch nie gespielt, kann also auch keinen Vergleich zwischen beiden Spielen ziehen, da „Talisman – Legendäre Abenteuer“ aber als eigenständiges Spiel konzipiert ist, ist das auch nicht unbedingt notwendig.

In „Talisman – Legendäre Abenteuer“ schlüpfen die Spieler in die Rollen klassischer Fantasy-Archetypen wie Kriegerin, Elf oder Zwergin und ziehen aus, fünf Talismane zu finden, damit diese nicht fiesen Unholden in die Hände fallen, die damit die mächtige Krone der Herrschaft erlangen können.

Die Spieler bewegen sich per Würfelwurf über ein Spielfeld aus zwölf Orten, auf denen verdeckte Plättchen ausliegen. Hält ein Spieler auf einem Ort an, werden die dortigen Plättchen aufgedeckt. Sie können Gegenstände zeigen, die eingesammelt, oder Unholde, die vertrieben werden müssen. Kern des Kampfsystems ist der sogenannte Heldenbeutel. Jeder Held hat einen davon, der zu Beginn sieben sogenannte Heldenplättchen enthält. Trifft man auf einen Unhold, zieht man blind drei davon aus dem Beutel. Unholden sind Kombinationen aus Schwert- und Magiesymbolen zugeordnet, die sich auch auf den Heldenplättchen finden. Um einen Unhold zu vertreiben, müssen die gezogenen Symbole mit denen des Unholds übereinstimmen. Als Belohnung gibt es dann ein Plättchen, das den Heldenbeutel verbessert. Neben den Plättchen mit den Kampfsymbolen kann man auch solche mit hilfreichen oder schädlichen Effekten aus dem Heldenbeutel ziehen. Gegner der Spieler ist die Zeit. Sie verstreicht, wenn man mit dem Bewegungswürfel Sanduhrsymbole würfelt oder welche aus den Heldenbeuteln zieht. Je länger die Suche nach dem Talisman also dauert, desto größer die Chance, zu viele Sanduhren zu bekommen und gegen die Zeit zu verlieren.


 Krieger, Elfen, Trolle: klassische Fantasy-Helden gehen hier auf spannende Schatzsuche.

„Talisman – Legendäre Abenteuer“ ist als Familienspiel konzipiert und versucht, aus dem Fantasy-Rollenspielbereich typische Elemente in eine leicht zu beherrschende Mechanik zu gießen. Und das gelingt dem Spiel ganz ausgezeichnet. Der Fokus liegt dabei auf Erforschung und Kampf.

Die Erforschung der Spielwelt wird durch verschiedene Mechaniken simuliert. Da wäre zunächst einmal die Bewegung über die Orte und das Aufdecken der Plättchen. Auf diese Weise begegnen die Helden Unholden und Verbündeten, finden Schätze und wichtige Gegenstände. Dank der anfangs verdeckten Plättchen weiß man nie, was einen hinter der nächsten Ecke erwartet. Aber damit muss sich der geneigte Entdecker noch nicht zufrieden geben. Ein besonders charmantes Spielelement ist meiner Meinung nach Folgendes: Jeder Ort des Spielfeldes ist mit einem kleinen Gemälde illustriert. Teilweise muss man auf diesen Illustrationen einem Wimmelbild ähnlich einzelne Bildelemente suchen. Eine wunderbare Simulation davon, wie die Heldencharaktere durch das Land streifen und es erkunden.

Auch das Kampfsystem baut auf einen klug erdachten Mechanismus, den grundlegend auch kleinere Kinder anwenden können: Blind Plättchen ziehen macht Spaß und ist spannend, Symbole vergleichen geht auch schon im Kindergartenalter. Dennoch steckt mehr dahinter. Bevor man nämlich zieht, darf man entscheiden, ob man alle Heldenplättchen, die man schon zuvor aus dem Beutel gefischt hat, zurücklegen möchte oder nicht. Dadurch ergeben sich durchaus taktische Überlegungen: Welche Symbole habe ich noch im Beutel? Kann ich den Kampf damit überhaupt gewinnen? Erhöht oder verschlechtern sich meine Siegeschancen, wenn ich die anderen Plättchen reinwerfe? Will ich das Risiko eingehen, Plättchen mit unerwünschten Symbolen in den Beutel zu werfen? Ein bisschen Gehirnschmalz muss man also investieren.


 Schwert und Zauberhut schlägt Schwert und Zauberhut: Die Kriegerin hat den Kampf gewonnen!

Trotz des Kampfes kommt „Talisman – Legendäre Abenteuer“ als Familienspiel natürlich kinderfreundlich daher. Unholde werden nicht getötet, sondern verscheucht, auch die Helden können nicht sterben. Der einzige Gegner, der einen besiegen kann, ist die verstreichende Zeit – eine kindgerechte Bedrohung. Durch die gelungene Mechanik geht das Spiel schnell von der Hand, bei sechs Spielern kann die Wartezeit bis zum eigenen Zug im Vergleich zur Zugdauer dann doch etwas lang werden.

Damit die Helden nicht ziellos durch die Welt taumeln müssen, bilden Abenteuer den roten Faden des Spiels. Fünf davon gibt es in „Talisman – Legendäre Abenteuer“. Präsentiert werden sie auf Abenteuerkarten, die sowohl mit wunderbar verfassten Erzähltexten die Geschichte vorantreiben, als auch etappenweise die Aufgaben der Heldengruppe beschreiben. Dass sich das Abenteuer auf diese Weise Stück für Stück entfaltet, sorgt für Spannung, denn zu Beginn weiß man – zumindest beim ersten Durchgang – nicht, was man tun muss, welche Ziele man hat und was einen noch alles erwartet. Hat man ein Abenteuer erfolgreich bestanden, darf man zum nächsten übergehen.
Die einzelnen Abenteuer bauen inhaltlich aufeinander auf. Dadurch bekommt man auf schöne Weise das Gefühl, eine epische Geschichte zu erleben.

Schade, dass sich der Fortschritt nicht auch auf Ebene der Mechanik zeigt. Zu Beginn eines jeden Abenteuers muss man alle Belohnungen, die man bisher gegen die Unholde erstritten hat, abgeben; nur gefundene Talismane darf man behalten, aber die zähle ich nicht, weil sie keinen Einfluss auf das Spiel haben. Man startet also jedes Abenteuer auf dem gleichen Level. Das ist enttäuschend, es fehlt die nachhaltige Belohnung, das Gefühl, sich als Charakter weiterzuentwickeln, zumindest, wenn man die Abenteuer der Reihe nach angeht. Aber ich leugne auch nicht die Schwierigkeiten: Dürften die Spieler alle gefundenen Gegenstände behalten, wären die Heldenbeutel irgendwann zu voll und unübersichtlich, man bräuchte hunderte Belohnungsplättchen und es würde wohl auch Probleme mit der Balance geben. Vielleicht hätte man den Spielern aber einzelne Belohnungen für zukünftige Abenteuer lassen können.


 Für jedes Abenteuer werden die Orte zu einem eigenen Spielbrett zusammengelegt.

Die Illustrationen des Spiels sind gut gelungen und ebenso atmosphärisch wie die Texte. Da ist es schade, dass die Bilder der Unholde nur fingernagelgroß auf den Plättchen auftauchen. Vielleicht hätte man hier der Spielanleitung noch vier Seiten gönnen sollen, um die Bilder zumindest in einer Galerie zu präsentieren. Dem erfahreneren Fantasy-Freund wird zwar auffallen, dass „Talisman – Legendäre Abenteuer“ visuell wie inhaltlich nur Fantasy-Standardkost bietet, für Kinder, die noch nicht so viel Genre-Ballast mit sich herumschleppen, ist das ja aber kein Problem.

Fazit: „Talisman – Legendäre Abenteuer“ ist ein wunderbares Familienspiel mit einfachen, aber vielfältigen und klug erdachten Regeln, das den Kleinen einen kurzweiligen und motivierenden ersten Einblick in Fantasy-Welten und Rollenspiel-Atmosphäre bietet, aber auch für die Erwachsenen nicht langweilig wird.

Talisman – Legendäre Abenteuer
Brettspiel für 1 bis 6 Spieler ab 8 Jahren
Lukas Zach und Michael Palm
Pegasus Spiele 2018
Sprache: Deutsch
EAN: 4250231716904
Preis: EUR 34,95

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