von Bastian Ludwig
Disclaimer: „Undo“ ist ein storygetriebenes Detektivspiel. Aber keine Angst, diese Rezension ist spoilerfrei.
In „Undo“ übernehmen die Spieler die Rolle von Schicksalswebern. Sie besitzen die Fähigkeit, an verschiedenen Stationen im Leben einer Person einzugreifen, so deren Zukunft zu verändern und hoffentlich ihren grausamen Tod abzuwenden.
Kern der Spielmechanik sind dreizehn Geschichtekarten. Jede dieser Karten enthüllt in einem kleinen Text ein wenig mehr vom Leben des Protagonisten, wobei die erste aufgedeckte Karte vom Zeitpunkt seines tragischen Ablebens berichtet. Am Ende einer jeden Karte dürfen die Spieler aus einer von drei Möglichkeiten wählen, in welcher Weise sie das Schicksal verändern möchten. Je nachdem, welche Entscheidung sie treffen, erhalten sie Punkte, die am Spielende darüber entscheiden, inwieweit das Los des Protagonisten verändert werden konnte.
Ist die Entscheidung getroffen, dürfen die Schicksalsweber zu einem beliebigen anderen Zeitpunkt, also zu einer anderen Geschichtekarte, springen. Dafür wird mit einer Zeitkarte bezahlt, von denen es insgesamt neun gibt – drei der Geschichtekarten werden also am Spielende verdeckt bleiben. Weitere Details zu bestimmten Aspekten der Geschichte verraten Hinweiskarten, von denen es eine je Geschichtekarte gibt und von denen man im Verlauf des Spiels insgesamt vier aufdecken darf.
Dreizehn Geschichtekarten erzählen vom Schicksal des Protagonisten.
Ist die letzte Geschichtekarte gespielt, wird auf Lösungskarten die gesamte Geschichte des Protagonisten verraten und die Spieler erfahren, in welcher Weise sie sein Schicksal haben verändern können.
„Undo“ ist ein kommunikatives Detektivspiel in der Tradition von Klassikern wie „Sherlock Holmes' Criminal-Cabinet“, das sicherlich nicht zuletzt im Zuge des derzeitigen Booms an Escape-Room-Spielen das Licht der Welt erblickt hat, mit denen es in gewisser Weise das Spielgefühl teilt. Bei „Undo“ geht es nicht um harte Regeln, sondern darum, gemeinsam mit Freunden zu knobeln, Theorien zu wälzen, zu diskutieren, sich an der Nase herumführen zu lassen und dann zu schauen, wie nah die eigenen Vermutungen an der tatsächlichen Geschichte lagen – letztlich wie bei einem Krimi, bei dem man die ganze Zeit miträtselt.
Es ist deswegen schwierig, das Spiel nur für sich genommen zu bewerten. Mehr als bei anderen Spielen hängt das Gelingen von der Spielgruppe ab. Ist die redselig, kann „Undo“ eine ungemein unterhaltsame Sogwirkung entfalten, hat man es mit maulfaulen Gesellen zu tun, darf man sich auf einen zähen Abend einstellen. Das Spiel selbst kann nur den Rahmen liefern und hierbei schlägt sich „Undo – Verbotenes Wissen“ ordentlich. Die Geschichte ist gut geschrieben; die Karten sehen zwar alle gleich aus, die grafische Gestaltung ist aber atmosphärisch gelungen. Seinen Antrieb erhält „Undo“ durch zwei Mechaniken: zum einen die Fähigkeit der Spieler, die Reihenfolge der Handlungsschnipsel frei zu wählen, zum anderen die Möglichkeit, immer wieder Entscheidungen über das Schicksal des Protagonisten zu treffen. Beide Mechaniken sind klug gewählt.
Mit Zeitkarten können die Schicksalsweber durch das Leben des Protagonisten reisen.
Die Reihenfolge, in der man die Geschichtekarten angeht, mag beliebig sein, folgenlos ist sie aber nicht, denn mit jeder Karte erhält man Informationen, die man dann vielleicht schon auf der nächsten Karte benötigt, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen. So werden sie Spieler angehalten, die Geschichte tiefgehend zu durchdringen und das Leben des Protagonisten sauber zu entwirren; und dafür müssen sie nun einmal reden, reden, reden. Würden beide Mechaniken fehlen, wäre man sicherlich schnell dazu verleitet, die Geschichtekarten einfach von vorn nach hinten aufzudecken. Die Mechaniken verleihen dem Handeln der Spieler Fokus und Kontur.
Klar, dass man dabei noch immer oft genug ins Blaue schießt und die nächste Karte oder eine bestimmte Schicksalsoption dann doch aus dem Bauch heraus wählt, aber wenn man zuvor eingehend darüber diskutiert hat und Spaß dabei hatte, hat das Spiel sein Ziel erreicht. An eine Grenze stößt das Konzept aber doch: Von der Idee her reist man ja in der Vergangenheit zurück, um das Schicksal des Protagonisten zu verändern. Das Problem: Die Geschichtenkarten sind nun einmal fest formuliert und es gibt keine unterschiedlichen Handlungsverläufe, wie man sie etwas aus Soloabenteuerbüchern kennt. Welchen Einfluss man auf das Schicksal des Protagonisten hatte, erfährt man deswegen erst ganz zum Schluss. Das eigene Wirken als eigentlich ja sehr mächtiger Schicksalsweber bleibt damit die ganze Zeit enttäuschend ungreifbar.
Je Lebensstation stehen drei Möglichkeiten zur Wahl, das Los des Protagonisten zu ändern.
Fürs Protokoll soll noch erwähnt werden: „Undo“ gehört zum Kreis der Spiele, die man nur einmal spielen kann – auch das ein Trend der letzten Jahre. Entsprechend gibt es inzwischen mehrere einzelne Episoden, die sich vollkommen unabhängig voneinander spielen lassen und verschiedene Genres bedienen. Ohne zu spoilern, kann man sagen: „Verbotenes Wissen“ bedient dabei das Genre des Okkult-Horrors, orientiert sich in Richtung Lovecraft, ohne dabei aber in dessen Absurditätsgefilde vorzustoßen. Damit dürfte die Geschichte auch für Spieler verdaubar sein, die dem Genre etwas weniger zugetan sind. Aber klar: Um die Geschichte zu entwirren und sie nachvollziehen zu können, schadet es nicht, zumindest ein Faible für übernatürliche und schaurige Erzählungen zu besitzen und die Mechanismen des Genres zu kennen.
Fazit: „Undo“ ist ein kommunikatives Detektivspiel, das seine Spieler mit wenigen, aber klug gesetzten Mechaniken zum Diskutieren motiviert. Die Episode „Verbotenes Wissen“ überträgt die Schauergeschichten von H. P. Lovecraft angemessen in dieses Konzept. Wer also Lust am Rätseln hat und sich in Lovecraftsche Horrorlogik hineindenken kann, kann bedenkenlos zugreifen.
Undo – Verbotenes Wissen
Detektivspiel für 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren
Michael Palm, Lukas Zach, Lea Fröhlich
Pegasus Spiele 2019
EAN: 4250231725418
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 9,95
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