von Ansgar Imme
Das „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel hat eine lange Geschichte hinter sich. Zum ersten Mal 1986 erschienen und an das Tabletop „Warhammer Fantasy Battle“ angelehnt, hatte es einige besondere Eigenarten, welche es bei Erscheinen von anderen Rollenspielen abhob: die sehr düstere Spielwelt, ein schnelles und tödliches Kampfsystem, sogenannte Karrieren statt Charakterklassen sowie viele (alt)deutsche Namen für Städte, Personen oder Regionen (da die englischen Autoren gerne deutsche Namen verwendeten). Zur ersten Edition gehört auch die legendäre Kampagne „Der Innere Feind“ („The Enemy within“), welche von Spielern oft gelobt wurde.
In 2005 erschien die 2. Edition bei Green Ronin Publishing (in Deutsch bei „Feder & Schwert), in dem die Regeln grundlegend überarbeitet wurden, trotzdem aber noch eine hohe Ähnlichkeit zur 1. Edition bestand und bei Spielern sehr beliebt war. Hierzu erschienen auch viele weitere Quellenbände und Abenteuer. Die 3. Edition (Fantasy Flight Games / Heidelberger Spieleverlag) brach mit vielen bekannten Regeln und veränderte das Spielprinzip durch spezielle Würfel und den Einsatz von Karten. Bei den Spielern kam die neue Edition nicht gut an. Als in 2017 der Verlag Cubicle Games – auch verantwortlich für das hervorragende „The One Ring“/„Der Eine Ring“ zu Tolkiens „Der Herr der Ringe“ – ankündigte, eine neue 4. Edition herauszubringen, war die Vorfreude und Spannung groß. In Deutschland hat sich Ulisses Spiele der Übersetzung angenommen und das Grundregelwerk vor kurzem veröffentlicht.
Das Grundregelwerk umfasst 352 Seiten und ist wie heute üblich in Vollfarbe gestaltet. Das Cover, auf dem mehrere Menschen und ein Zwerg gegen eine Trupp Skaven kämpfen, trifft den Kern des Spiels recht gut. Auch die verschiedenen Illustrationen geben den Ton des Spiels gut wieder und sind durchgehend von guter bis sehr guter Qualität. Während in vielen neuen Rollenspielen Illustrationen oft am PC oder Tablet erstellt werden (und auch entsprechend erkennbar sind), wirkt bei „Warhammer Fantasy 4“ noch vieles wie echt gemalt und gezeichnet, obwohl sicherlich auch einiges digital entstanden ist. Mit Jon Hodgson hat man einen oder sogar den Hauptillustrator von „Der Eine Ring“ verpflichtet, dessen Bilder auch hier unverkennbar sind und die Stimmung des Spiels hervorragend umsetzen.
Ein umfangreiches (und durch kurze Kommentare vor jedem Kapital sogar lustiges) Inhaltsverzeichnis und eine kurze Einleitung zu Rollenspielen im Allgemeinen, den verwendeten Würfeln sowie Hinweisen zum Verständnis einzelner Begriffe eröffnen das Grundregelwerk. Die Erklärungen zum Rollenspiel sind bloß auf einer Viertel Seite zusammengefasst. Allerdings wird für Neulinge auf die Einsteiger-Box (die in Deutschland noch nicht erschienen ist) sowie Erklärungen zum Rollenspielen auf der Ulisses-Verlagshomepage verwiesen.
Mit atmosphärisch tollen, ganzseitigen Bildern erfolgt über 13 Seiten eine kurze Einführung in das Imperium, ergänzt durch einen Brief an einen Adligen, der nach langer Zeit wieder in das Imperium zurückkehrt und dem Besonderheiten erläutert werden. Auch als komplett neuer Spieler in der „Warhammer“-Welt bekommt man mit beidem eine gute und ausreichende Einführung, um die wichtigsten Eigenheiten der Welt kennenzulernen.
Nach der Einleitung wird sich direkt der Charaktererschaffung zugewandt. Im Gegensatz zur 1. und 2. Edition, dem die 4. Edition ähnelt (weswegen im Folgenden der Vergleich zu 1. und 2. Edition immer wieder aufgenommen wird), wird für die Charaktererschaffung sowohl die komplette Zufallserstellung (wie früher) als auch die eigene Auswahl sowie eine Mischung aus beidem angeboten. Wer seine spätere Figur dem Zufall überlässt, erhält dafür in den einzelnen Abschnitten ein paar zusätzliche Erfahrungspunkte, die zusätzlich zum Steigern der Werte verwendet werden können. Dieses simple Vorgehen ist eine gute Idee – man verabschiedet sich nicht von der Möglichkeit, das zu nehmen, was das Leben einem gibt. Aber man vergrault auch nicht die Spieler, die unbedingt eine bestimmte Idee vor Augen haben. Einzig über die Höhe der Erfahrungspunkte bei Zufallswahl kann man diskutieren – diese wirken eher zu gering dafür, dass man die Wahl ganz oder teilweise dem Zufall überlässt. Als Spielleiter kann es hier überlegenswert sein, die Punkte dafür zu erhöhen.
Da sich die Charaktererschaffung an einigen Stellen geändert hat, soll diese hier genauer beleuchtet werden. Bei der Auswahl der Völker ist weitestgehend alles gleich geblieben: Neben Menschen, Zwergen und Halblingen ist jetzt bei den Elfen nur die Unterscheidung zwischen Hochelfen und Waldelfen neu. Die jeweiligen Völker werden dazu kurz beschrieben und ihre Ansichten über die anderen Völker in Zitaten wiedergegeben. Diese Abschnitte sind ausführlich genug, um auch als Neuling damit spielen und das jeweilige Volk darstellen zu können. Als nächstes erfolgt das Auswürfeln (oder Bestimmen) der Karriere. Die Karrieren sind in „Warhammer Fantasy 4“ mittlerweile acht verschiedenen Klassen zugeordnet, welche den Platz innerhalb der Gesellschaft wiedergeben (Beispiel: Akademiker, Bürger, Gesetzloser). Die Karrieren einer Klasse haben somit grob den gleichen sozialen Status. Ansonsten haben die Klassen kleine, aber geringere Auswirkungen auf den späteren Spielverlauf als die Karrieren, die wie in „Warhammer Fantasy 1/2“ spätere Entwicklungen im Spiel vorgeben (allerdings mit wesentlich mehr Freiheiten ab dieser Edition, dazu später mehr).
Nach der Karriere würfelt man die Attribute aus, von denen es mittlerweile zehn verschiedene gibt. Neu dazugekommen sind Initative sowie die Aufteilung von Geschicklichkeit in Gewandtheit (körperlich) und Geschicklichkeit (manuell). Die Werte unterscheiden sich zwischen den Völkern etwas, vor allem Elfen sind bei den Werten besser gestellt, was aber an anderer Stelle ausgeglichen wird. Im Vergleich zu „Warhammer Fantasy 1/2“ werden die Lebenspunkte nicht mehr frei ausgewürfelt, sondern sind von Willenskraftbonus und Widerstandsbonus abhängig. Auch diese kleine Änderung ist durchaus zu loben, da sie den kompletten Zufall wegnimmt und es etwas beeinflussbarer macht. Neben den früheren, schon bekannten Schicksals- und Glückspunkten sind jetzt zudem Zähigkeits- und Mutpunkte dazu gekommen beziehungsweise man hat dies aufgeteilt. Mit dem Schicksal kann man selten und einmalig je Punkt dem Tod oder großem Schaden trotzen und mit den Glückspunkten mehrfach pro Tag kleine Boni erhalten. Mit der Zähigkeit kann man eine Mutation verhindern oder ein direktes Würfelergebnis auswählen, während Mut gegen Angst oder Wahnsinn hilft oder kritische Verletzungen vermeiden lässt. Zur Gewinnung von Mutpunkten wählt jeder Spieler eine Motivation für seinen Charakter aus, welcher das Wesen des Charakters in einem Wort oder Satz beschreibt und rollenspielerisch ausspielbar sein soll. Dadurch kann man dann Mutpunkte zurückgewinnen.
Zum Abschluss dieses Abschnitts darf man fünf Steigerungen auf die drei Attribute verteilen, die durch die Karriere vorgegeben sind. Aus den Fähigkeit und Talenten der Völker und der gewählten Karriere können nun eine gewisse Anzahl ausgewählt und verschiedene Steigerungspunkte verteilt werden. Es gibt zwar Begrenzungen bei der Anzahl der auswählbaren Fähigkeiten und Talente, aber man ist hier sehr frei in der Verteilung und Priorisierung. Im folgenden erhält man eine der Klasse und Karriere entsprechende Ausrüstung und gemäß Rang und Ansehen der Karriere beziehungsweise Karrierestufe ein bestimmtes Startkapital, welches man bei Bedarf auch für Ausrüstung verwenden kann. Die Auswahl eines Namens und körperlicher Merkmale wie Haarfarbe oder Größe (frei wählbar oder zu erwürfeln) runden die Figur weiter ab. Neu eingeführt wurden die Charakter- und Gruppenziele, die sowohl kurzfristig als auch langfristig bestimmt werden. Bei Erfüllung dieser Ziele erhält der Spieler/Charakter beziehungsweise die Gruppe extra Erfahrungspunkte, die wieder zum Steigern genutzt werden können. Wer während der Erschaffung Bonus-Erfahrungspunkte bekommen hat, kann diese als letztes dann noch zum Steigern ausgeben. Die Steigerungen sind dabei nicht mehr linear wie in „Warhammer Fantasy 1/2“, sondern werden teurer, je mehr Steigerungen bereits vorgenommen wurden. Gleichgeblieben sind die Punkte für Talente und Karrierewechsel.
Im dritten Kapitel werden die Klassen und Karrieren vorgestellt. Die Klassen ordnen die Karriere in Gruppen, haben Einfluss auf die Charakterentwicklung und Startausrüstung sowie Karrierewechsel. Dazu ermöglichen die Klassen unterschiedliche Aktivitäten zwischen den Abenteuern. Die Karrieren haben mittlerweile vier Stufen (Etwa Medicus: Medicus-Lehrling, Medicus, Doktor, Hofarzt), innerhalb derer man aufsteigen kann, wobei man immer auf der ersten Stufe beginnt. Jede Stufe erweitert das Steigerungsprofil, sodass man zusätzliche Eigenschaften, Talente und Fähigkeiten steigern beziehungsweise erwerben kann. Im Gegensatz zur 1. und 2. Edition gibt es keine Begrenzung der erlaubten Steigerungen (dort ja explizit festgelegt). Allerdings benötigen die Steigerungen immer mehr Erfahrungspunkte. Grundsätzlich könnte man in „Warhammer Fantasy 4“ also immer in seiner Karriere verbleiben. Da man nur Zugriff auf durch die Karriere vorgegebene Werte hat, ist ein Karrierewechsel aber sinnvoll, um auch andere Werte steigern zu können. Hier bleibt es dem Spieler aber vorbehalten, ob er Spezialist in seinem Bereich werden will oder sich breiter entwickelt. Für einen Karrierewechsel muss man bestimmte Bedingungen erfüllen, da ansonsten ein Karrierewechsel mehr Erfahrungspunkte kostet. Die Stufen bieten neben verbesserten Steigerungsmöglichkeiten auch ein verbessertes Ansehen und höheren Rang, was einerseits Vorteile beim Geld verdienen, und gesellschaftlichen Proben wie Anführen oder Einschüchtern bringt. Andererseits muss auch Geld und Zeit aufgebracht werden, um den Status und das Ansehen zu halten. Die Auswahl der Karrieren ist weiterhin sehr umfassend und bietet auf etwa 60 Seiten die Beschreibung der verschiedenen Karrieren mit ihren Stufen.
Der vierte Abschnitt beschreibt die Fähigkeiten und Talente. Wie in den vorherigen Versionen gibt es Grundfähigkeiten, die jeder Charakter beherrscht, und Ausbaufähigkeiten, die man nur nutzen kann, wenn man sie durch seine Karriere erlernt hat. Zur Vereinfachung wurden zudem manche Fähigkeiten gruppiert, was bedeutet, dass man verschiedene Spezialisierungen erwerben kann (Sprache Reikspiel, Sprache Bretonisch etc.). Hat man keine Steigerung in einer Grundfähigkeit, würfelt man bei einer Probe auf seinen Grundwert (= zugehörige Eigenschaft). Im Gegensatz zu vorherigen Versionen, wo man nur auf den halben Wert würfeln durfte, verbessert dies natürlich die Erfolgschancen und mindert die Frustration bei Spielern. Die Talente geben Boni für bestimmte Situationen und Fähigkeiten. Neu ist hier, dass man manche Talente mehrfach erwerben und somit die Boni erhöhen kann.
Im fünften Kapitel werden die (neuen) Regeln erläutert. Am Grundprinzip hat sich nichts geändert: Man würfelt üblicherweise gegen den Fähigkeitswert, welcher aus dem Eigenschaftswert der zugehörigen Eigenschaft sowie den Steigerungen besteht. Seltener wird direkt gegen die Eigenschaft gewürfelt, wenn keine Fähigkeit passt. Dazu kann der Wurf durch den Spielleiter erschwert oder erleichtert werden. Für einen Erfolg muss man gleich oder unter den Wert würfeln. Allerdings wird zwischen Standardwürfen und Dramatischen Würfen unterschieden. Standardwürfe werden bei einfachen Sachen genutzt: Man würfelt gegen den entsprechenden Wert, und es wird nur zwischen Erfolg oder Misserfolg unterschieden. Neu sind nur der automatische Erfolg und automatische Misserfolg. Beim Dramatischen Wurf ist auch das Ausmaß des Erfolg oder Scheiterns wichtig und wird in Erfolgsgraden gemessen. Dabei werden nur die Zehnerstellen verglichen (Beispiel: Wert 42 und Wurf 29, trotzdem 2 Erfolgsgrade). Je nach Anzahl der (Miss-)Erfolgsgrade fällt die Wirkung aus. Als Ergänzung werden noch vergleichende Würfe, Sammelproben über Zeit sowie unterstützende Würfe durch andere Charaktere erläutert. Auch wenn sich dies alles über mehrere Seiten zieht, ist der Regelbereich für normale Proben doch weiter sehr einfach und gut überschaubar, was gerade Einsteigern sehr hilft, aber auch Spielern, die einfach kein Interesse an zu viel Detailgrad haben.
Der Kampf hat auch viele Ähnlichkeiten zu den beiden alten Editionen. Allerdings wurde dieser sogar vereinfacht. Es bleibt zunächst beim üblichen Ablauf aus Überraschung bestimmen, Initiative ermitteln und zusammenstellen und Aktion ausführen. Durch das neue Attribut Initiative erfolgt die Sortierung nach diesem Wert und ohne würfeln. Als Option wird vorgeschlagen, ein Zufallselement einzubringen (etwa Initiave + W10). Im Kampf hat jeder Spieler dann eine Bewegungs- und eine Handlungsaktion. Der Bewegungswert ermöglicht etwa die Überbrückung der entsprechenden Meterzahl oder einen Sturmangriff, der +1 Vorteil (dazu unten mehr) verschafft. Eine Handlung kann ein Gebet, ein Zauber, der Einsatz einer Fähigkeit oder vor allem ein Angriff sein. Neu ist hier, dass es nicht mehr verschiedene Angriffs- und Abwehroptionen gibt, sondern dies massiv vereinfacht wurde. Wer eine defensive Handlung wählt, erhält generell +20 auf diesen Wurf. Bei der Attacke wird ein vergleichender Wurf gemacht: Wer mehr Erfolgsgrade erzielt, der gewinnt. Aus der Differenz der Erfolgsgrade wird das Endergebnis bestimmt (bei negativen Erfolgsgraden wird auch dies berücksichtigt). Der Attackierende verursacht bei Erfolg Schaden und erhält +1 Vorteil, während der Parierende bei Erfolg +1 Vorteil erhält und die Attacke abwehrt. Je Vorteil erhält man +10 Bonus auf Kampf- oder Psychologie-Würfe, wobei die Vorteile auch wieder verloren gehen können.
Bei gelungener Attacke werden Trefferzone und Schaden bestimmt. Die erzielten Erfolgsgrade erhöhen den Schaden. Der Schaden wird noch durch Rüstung und Widerstandsbonus reduziert. Ein Pasch bei gelungenem Angriffswurf wie auch ein Treffer, der zu unter 0 Lebenspunkten führt, erzeugen zusätzlich kritische Treffer, für die auf die passende Tabelle gewürfelt wird, was Verletzungen verursachen kann. Dabei wird nicht mehr wie früher nach der Zahl der Punkte unter 0 unterschieden. Die Tabellen wurden deutlich entschärft, sodass der Tod einer Figur seltener eintritt, dabei aber öfter schwere Verletzungen auftreten können. Geht der Angriffswurf fehl und man erzeugt einen Pasch, kommt es dagegen zu einem Patzer, deren Ergebnis zu verschiedenen Nachteilen im Kampf führt. Recht ähnlich geblieben zu den alten Editionen sind Erschwerungen im Kampf, Fernkampf, Waffenloser Kampf oder Bewegungen. Neu eingeführt wurden dagegen kurze Regelungen für Verfolgungsjagden sowie sogenannte Zustände (wie man sie etwa von „Splittermond“ oder „Das Schwarze Auge 5“ kennt). Zustände wie Betäubt, Bewusstlos, Erschöpft oder Geblendet stellen Sonderereignisse dar, die spezielle Folgen für den Charakter haben und nicht unbedingt mit Kampfende beendet sind. Die Zustände sind interessant, verkomplizieren den Ablauf aber auch etwas.
Ebenso findet man im Regelbereich die neuen Regeln zur Korrumpierung (früher Angst, Entsetzen und Wahnsinn). Je nachdem ob es sich um ein geringes, moderates oder schweres Ereignis handelt, wird ein Ausdauer- oder Besonnenheitswurf (abhängig von körperlich oder geistiger Beeinträchtigung) fällig, bei dessen Misslingen man Korrumpierungspunkte erhält. Wenn diese Punkte gesammelt die Summe aus Willenskraft- und Widerstandsbonus überschreiten, würfelt man eine Ausdauerprobe. Eine misslungene Probe führt zu Mutationen oder psychischen Beeinträchtigungen. Neu ist zudem, dass man die Korrumpierungspunkte auch verlieren kann, wenn man nachteilige Aktionen unternimmt, etwa einen Feind entkommen lässt oder „versehentlich“ auf einen Verbündeten schießt. Passend zu dieser Herausforderung für die Charaktere findet sich zudem noch ein Abschnitt zu Krankheiten und Infektionen.
Im sechsten Abschnitt werden Vorschläge für Ereignisse zwischen den Abenteuern gemacht. Neben einem zufälligen Ereignis kann jeder Charakter eine bestimmte Anzahl sogenannter Unternehmungen machen, mit denen er etwa Geld verdient, Kontakt mit seiner elfischen Sippe pflegt, Bankgeschäfte tätigt oder auch Fähigkeiten verbessert. Je nach Klasse gibt es dazu spezielle Unternehmungen. Insgesamt ist das eine gute Idee, die ein wenig das normale Leben zwischen den Abenteuer symbolisiert, das die Karriere einbindet und auch Abenteueraufhänger sein kann. Fraglich ist nur, ob das auf Dauer befriedigend sein wird oder vor allem bei den ersten Mal spannende und überraschende Momente bringt.
Die Religion und Glaube der Alten Welt werden im siebte Kapitel vorgestellt. Hier hat sich wenig geändert. Man findet vielfältige Informationen zu den Göttern, ihren Gläubigen, heiligen Stätten, Opfergaben oder Geboten. Neu und eine gute Ergänzung sind Abschnitte zu lokalen Göttern. Segen und Anrufungen ermöglichen gesegneten Charakteren die Unterstützung durch ihren Gott, wobei regeltechnisch auch hier jetzt die Anzahl der Erfolgsgrad bei gelungener Probe Auswirkungen auf Segen oder Anrufung hat. Verletzt man die Gebote seines Gottes, sammelt man Sündenpunkte, die den Zorn der Götter auf den Charakter ziehen können, was unterschiedlich schlimme Folgen haben kann. Es werden einige Segnungen und Anrufungen vorgestellt, die sicherlich in einem Folgeband noch erweitert werden, da je Gott nur sechs Anrufungen/Wunder enthalten sind.
Auch der folgende Teil zur Magie ähnelt bisherigen Veröffentlichungen. Nach einer Vorstellung der acht Lehren der Magie werden noch kurz andere Magiearten oder Lehren wie Schwarze Magie oder Heckenzauberei vorgestellt. Der Zauberwurf hat sich verändert und läuft entsprechend geschilderter Regeln ab: Die Anzahl der Erfolgsgrade bestimmt, ob ein Zauber klappt. Zum Gelingen sind eine gewisse Anzahl Erfolgsgrade je nach Zauber vorgegeben. Durch einen erweiterten Wurf auf die Fähigkeit Kanalisieren kann man zudem Erfolgsgrade sammeln, um auch schwere Zauber zu schaffen. Kritische Erfolge oder Patzer beim Zaubern oder Kanalisieren können zu Kontrollverlusten führen, die zu Nachteilen beim Zauberer oder in dessen Umgebung führen. Neu sind Gegenzauber, die funktionieren, indem man einen Zauberwurf gegen den Zaubernden macht und bei Gewinn die Wirkung neutralisiert. Eine interessante Idee. Es folgen schließlich die Zauberlisten zu den verschiedenen Lehren der Zauberei wie der Lehre des Lichts oder der Tiere. Die einzelnen Zauber bieten nichts besonders Neues oder Innovatives, passen sich in der Einfachheit aber gut dem Spiel an.
Der Spielleiter erhält eine Unterstützung im neunten Abschnitt. Dabei wird seine generelle Aufgabe beschrieben, es werden Ratschläge zum Leiten gegeben, wie man Regeln schnell um- und einsetzt, wie man die Charaktererschaffung begleitet und vor allem, was man am Spieltisch machen sollte, um für einen gelungenen Spielabend zu sorgen. Das ist alles nichts wirklich Neues, hilft aber vor allem Einsteigern oder sorgt bei langjährigen Spielleitern mal wieder für Orientierung. Dazu werden einige Tipps zur Gestaltung von Reisen inklusive Kosten und Ereignissen als Abwechslung gegeben.
Im zehnten Kapitel wird das Reikland als Startspielregion beschrieben. Die Autoren haben statt einer Beschreibung des ganzen Imperiums diesen Bereich herausgegriffen und beschreiben ihn genauer, was immer noch ausreichend genug ist. Es gibt prägnante Informationen zu den Landschaften und besonderen Bergen, Wäldern, Flüssen, Kanälen und Mooren. Lobenswert sind etliche in die Beschreibungen eingebaute Abenteueraufhänger. Dazu gehören ebenso eine Zeitleiste mit der Chronik des Reiklandes sowie Abschnitte zur Politik mit ihren Funktionen. Ebenso werden die Städte wie Altdorf oder Bögenhafen und größere Ansiedlungen vorgestellt. Auch sonstige besondere Orte wie bekannte Festungen, heilige Stätten oder schreckliche Orte lernt man als Leser kennen. Zur Unterstützung der Startregion hat Cubicle zudem bereits mehrere – teilweise kostenlose – Kurzabenteuer veröffentlicht, die alle im Reikland spielen und bei Drivethroughrpg.com zu finden sind.
Einen Einkaufsführer findet man im elften und vorletzten Abschnitt. Kaum unterschiedlich zur 2. Edition gibt es die Beschreibung der Münzen sowie eine reichhaltige Auswahl an Waffen, Rüstung, Kleidung, Speisen und Getränken, Kräuter, Drogen, Gifte, Transportmöglichkeiten sowie natürlich Erklärungen zum Feilschen und Handeln oder Ausrüstungsqualitäten. Neu findet sich ein kurzer Absatz zu den Lebenshaltungskosten der verschiedenen Ränge und eine Abhandlung über Mietlinge, die die Charaktere gegen Geld anheuern können.
Zum Abschluss des Bandes findet sich als Unterstützung für den Spielleiter zudem noch ein Bestiarium mit Gegnern, die man den Charakteren entgegen stellen kann. Neben den Werten findet sich immer eine kurze Beschreibung sowie eine ansprechende Illustration. Dabei gibt es sowohl weitestgehend normale Kontrahenten wie Menschen oder Bären, aber auch Oger, monströse Bestien wie Drachen oder Moorbestien sowie verschiedene Arten von Toten. Zu „Warhammer Fantasy“ gehören natürlich auch die grünen Horden aus Trollen, Goblins oder Orks und die legendären Diener des Chaos in Form von Tiermenschen, Mutanten, Dämonen und Skaven. Alle Kreaturen erhalten dazu besondere Eigenschaften, die sie individueller werden lassen.
Fazit: Insgesamt ist der Band rundum gelungen und bietet eine sehr gute Einführung ins „Warhammer Fantasy“-Rollenspiel. Die Regeln haben das alte Flair beibehalten und wurden an passenden Stellen geändert und bieten somit vor allem bei Charaktererschaffung und späteren Steigerungen mehr Flexibilität und Einfluss für die Spieler. Gleichzeitig wurden mit manchen Detailmöglichkeiten aber sogar an anderen Stellen wie dem Kampf Komplexität abgebaut. Einziger Wermutstropfen ist ein fehlendes Einstiegsabenteuer im Band. Hier hat der Verlag aber bereits mit mehreren kostenlosen PDFs Abhilfe geschaffen (wenn auch bisher nur auf Englisch). Für jeden „Warhammer Fantasy“-Liebhaber lohnt sich daher unbedingt ein Blick in das Buch, und für Neueinsteiger ist es sowieso zu empfehlen.
Warhammer Fantasy (4. Edition)
Rollenspiel-Regelwerk
Dave Allen, Gary Astleford, Graeme Davis u.a.
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 3963311983
352 Seiten, Hardcover, deutsch
Preis: EUR 59,95
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