Warhammer Fantasy Rollenspiel – Spielleiter-Handbuch (3. Edition)

Nachdem das „Spielleiter-Arsenal“ gleichzeitig mit dem „Spieler-Handbuch“ und dem „Spieler-Arsenal“ den Start für die deutsche Version der dritten Edition des „Warhammer Fantasy“-Rollenspiels darstellte, musste man leider auf das „Spielleiter-Handbuch“ ein bisschen warten. Doch endlich findet man es in den Regalen, und man weiß nun endlich, wozu man all die Karten im Arsenal benutzen kann.

von Sebastian Thies

 

Es gibt eigentlich zwei Arten von Veröffentlichungsstrategien bei Rollenspielen. Auf der einen Seite hat man die Veröffentlichung der Regeln in einem kompletten und meist auch komplexen Buch beziehungsweise einer Box und auf der anderen Seite gibt es die Aufteilung der Grundregeln in zwei verschiedene Bänden, einmal ein Spieler- und dann noch ein Spielleiterhandbuch. Sowohl die erste als auch die zweite Edition des „Warhammer Fantasy“-Rollenspiels hatte die Grundregeln jeweils in einem komplexen Regelwerk (mit der Softcover Version der ersten Edition hätte man manchen Chaos-Krieger niederstrecken können), und auch mit dem Beginn der dritten Version auf Englisch bekam man mit dem Core-Set alles in einer Box. Doch mit immer mehr Regelerweiterungen entschied man sich dann bei FFG, noch einmal die Regeln in drei separaten Hardcoverbänden zu veröffentlichen und darin auch die regeltechnischen Kapitel aus den bis zu diesem Punkt erschienenen Erweiterungen zu integrieren. Bei diesen drei Büchern handelt es sich um das „Spieler-Handbuch“, das „Spielleiter-Handbuch“ und das „Kreaturenbuch“, welche nun auch ins Deutsche übersetzt wurden.

Neben den obligatorischen Kapiteln über das Leiten von Spielrunden, den Aufbau von Kampagnen und Abenteuern und Hilfestellungen zum realistischen Präsentieren der Spielwelt gibt es bei der dritten Edition von „Warhammer“ einige Mechanismen, auf die der Spielleiter zurückgreifen kann, die man so sonst wohl nirgendwo findet. So hat man zwar schon häufiger in Rollenspielen neueren Datums Aufbausysteme für Abenteuer nach einer Aktstruktur gesehen, die somit ähnliche Spannungsbögen verfolgen, wie man sie aus Filmen kennt, doch habe ich es bisher noch nicht gesehen, dass diese Aktstruktur auch noch Regeln mit sich bringt. Wie bei einem Wendepunkt in einem Film, wenn man gerade einen Twist in der Handlung erlebt hat und kurz Zeit hat, um zu reflektieren, haben auch die Charaktere in solch einem Moment im Abenteuer kurz Zeit, um einmal durchzuatmen, Kräfte zu sammeln und das Geschehenen noch einmal zu durchdenken. In spieltechnischer Hinsicht bedeutet das, dass ein Charakter eine von mehreren Aktionen durchführen kann, wie zum Beispiel ein paar Wunden heilen oder Stress abbauen oder auch nur sich in eine andere Haltung für den bevorstehenden Kampf versetzen.

Viele Aspekte bei der dritten Edition von „Warhammer“ zielen darauf ab, das Spiel übersichtlicher zu machen und die Verwaltung durch Stift und Papier durch Marker und Karten zu ersetzen. Ein Utensil dafür ist die Fortschrittsleiste, die man aus Haltungs- und Mittelstücken zusammensetzen kann, die man im „Spieler-Arsenal“ oder dem „Spielleiter-Arsenal“ findet. Diese Leiste kann man sich so zusammen stellen, wie man sie gerade braucht, um dann mit Markern die verschiedensten Dinge festzuhalten. Wie weit ist es noch bis zum rettenden Burgtor und wie nah sind die Tiermenschen gerade hinter einem? Oder wie hat man sich gegenüber dem Grafen verhalten? Hat man ihn verärgert und steht man kurz davor, in den Kerker geworfen zu werden, oder hat man ihm geholfen und ist nur noch ein bisschen Stiefellecken vom  Zugang zu der geheimen Bibliothek entfernt? Viele werden jetzt sagen, dass man so etwas auch vorher festhalten konnte, ohne dass man solch eine Leiste benötigt hat, aber mit der Leiste geht das Ganze schnell und unkompliziert und man braucht nicht für alles Schmierpapier.

Weiterhin hat der Spielleiter nun auch die Möglichkeit, den Spielern ohne große Worte zu zeigen, wie zufrieden er mit dem Vorankommen ist. Der Gruppensheet, der die Motivation der Gruppe auf Abenteuer zu gehen darstellt (sind sie Söldnertypen, die sich für das richtige Geld in jede Schandtat stürzen, oder sind sie Streiter für eine gerechte Sache), gibt dem Spielleiter die Möglichkeit, die Spieler mit Schicksalspunkten (im Gegensatz zur zweiten Edition können diese nicht als „Rette dich vor dem Tod“-Joker verwendet werden) zu belohnen. Er kann aber auch den Marker auf der Anspannungsleiste voranschieben, wenn die Gruppe mal wieder uneinig ist und sich einfach nicht entscheiden kann. Nähert sich der Marker erst einmal einem der Felder, die negative Auswirkungen für die Spieler haben, dürften die meisten sich dann doch zusammenraufen. Man kann dies zum Beispiel auch sehr gut nutzen, um zu zeigen, dass der Elf und der Zwerg in der Gruppe einfach nicht miteinander zurechtkommen, indem man schon von Anfang an den Marker ein bisschen nach hinten schiebt.

Einen Großteil des Buches machen jedoch die Regeln und die Hintergründe aus, die hier aus den englischen Erweiterungsboxen zusammengefasst wurden. Wer also allein auf deutsche Publikationen zurückgreift, wird hier Regeln finden, für die er noch keine Karten hat, da diese erst mit den Boxen, die es ja im Englischen schon vorher gab, erscheinen werden. Man hat also die Regeln für Mutationen, Krankheiten und Verderbnis, muss aber noch warten, bis man die Karten dafür erwerben kann. Jedoch kann man auf Zufallstabellen zurückgreifen, die man im Anhang des Buches finden kann. Wenn man also diese Dinge verwenden will, muss man sich Notizen machen (eigentlich ist das eines der Grundprinzipien der dritten Edition, dass man das nicht machen muss). An Hintergrund bekommt man hier natürlich nicht den kompletten Inhalt der Erweiterungsboxen, da diese ja auch noch verkauft werden sollen. Man bekommt also einen groben Abriss der verschiedenen Themen – beispielsweise Magie innerhalb des Imperiums, Glaube usw. –, jedoch ohne dass das Material in die Tiefe geht.

Abgerundet wird das Buch durch ein Einführungsabenteuer, das die Spieler in die Welt des Adels und des Verderbens führt. Das Abenteuer strahlt den Glanz alter bekannter Abenteuer des „Warhammer“-Universums aus und bringt die Spieler gleich in die dunkle Alte Welt.

Fazit: Im Grunde reicht das „Spielerhandbuch“ und das Würfelset aus, um die dritte Edition von „Warhammer Fantasy“ zu spielen, jedoch muss man dann auf einiges verzichten, was die Alte Welt so besonders macht. Die Karten aus dem „Spieler-Arsenal“ und „Spielleiter-Arsenal“ steigern den Spaß schon um einiges, und mit dem „Spielleiter-Handbuch“ hat man auch noch die Mechanismen, die man braucht, um die Spielwelt rund zu machen. Die Frage, die sich für die deutschen Kunden stellen wird, ist: Lohnt es sich dann eigentlich noch, die Erweiterungsboxen zu kaufen? Oder kaufe ich das Ganze nur wegen der neuen Karten und kann die Bücher beiseite legen? Das wird sich noch zeigen müssen, aber der Kauf dieses Buches lohnt sich auf jeden Fall.


Warhammer Fantasy Rollenspiel – Spielleiter-Handbuch
Grundregelwerk
Jay Little
Heidelberger Spieleverlag 2012
ISBN: 9783942857017
198 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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