Selenia – Kaiserreich unter den Monden

Das Kaiserreich Selenia, erst 60 Jahre alt und doch die bedeutendste Macht in ganz Dragorea. Mit dem Weltenband „Selenia – Kaiserreich unter den Monden“ führen uns die „Splittermond“-Autoren in eine Welt der Ritter und Burgen, der Fürstenhöfe und Intrigen, des Edelmuts und der Verschlagenheit.

von Bastian Ludwig

Nach den schmaleren Heften, in denen die Arwinger Mark, eine der selenischen Provinzen, und die Gnomenstadt Dakardsmyr näher beleuchtet wurden, ist „Selenia – Kaiserreich unter den Monden“ nun die erste ausführliche Beschreibung für eines der großen Länder der „Splittermond“-Welt Lorakis.

Selenia ist ein klassisches Fantasy-Setting nach dem Vorbild des europäischen Mittelalters und so liest sich auch die Geschichte des jungen Kaiserreiches: Am Anfang vor 1000 Jahren herrschte Kleinstaaterei, dann gab es Kriege noch und nöcher, aus denen vor knapp 60 Jahren das Fürstentum Selenia als Sieger hervorging, das die anderen Fürstentümer mehr oder weniger unfreiwillig in einem Kaiserreich gleichen Namens vereinte. Aus dieser Geschichte speist sich der Kernkonflikt von Selenia, der Gegensatz von jahrhundertealten Traditionen, politischen Beziehungen und Herrschaftsansprüchen auf der einen und einer jungen Monarchie auf der anderen Seite. Wachstumsschmerzen eines heranreifenden Staates könnte man das nennen und die sind es, die das Spiel in Selenia interessant machen. Natürlich bietet das Land auch eine Menge Raum für Wildnisabenteuer, aber allein der Platz, den der kaiserliche Hof, die Politik und die Städte des Kaiserreiches in diesem Weltenband einnehmen, zeigt, dass Selenia in erster Linie für Stadtabenteuer mit politischen Verwicklungen konzipiert ist.

Inhaltlich bekommen wir einen Abriss über die Provinzen des Kaiserreiches samt Flora und Fauna, Geographie, Kultur und Politik, die Geschichte Selenias und die selenische Kultur. Das ist gut, um einen groben Überblick über das Kaiserreich und die eine oder andere Anregung für die Ausgestaltung von Abenteuern zu bekommen. Eigene, ausführlichere Kapitel beschäftigen sich mit dem kaiserlichen Hof und dem Zirkel der Zinne, einem Magierzirkel. Die drei großen Metropolen Selenias – Herathis, Südfang und vor allem Sarnburg – werden eingehender beleuchtet, ein kürzerer Abschnitt über die Wildnis von Selenia und das dort zu findende Erbe der Drachlinge runden den Band inhaltlich ab.

Schön ist, dass unter die Überblickstexte immer wieder etwas detailliertere Schlaglichter gemischt sind. Unter der Überschrift „Weitere Besonderheiten“ bekommen wir etwa in knapper Form Detailwissen über bestimmte Orte der verschiedenen Provinzen zusammengefasst. Auch gibt es kleine Exkurse zu unterschiedlichen Themen, die sich immer wieder als die spannendsten Passagen des Bandes entpuppen. Da bekommt man dann Einblicke in die Heiratspolitik der verschiedenen Spezies von Lorakis, die sich ja untereinander nicht fortpflanzen können; ein Problem in einer dynastisch geprägten Welt. Es wird erläutert, dass der Kaiser jeden Kämpfer Selenias zum Dienst in seiner Mondgarde verpflichten kann, Zölibat inklusive. Oder es geht um den Glühberg, den größten Vulkan Selenias, und um die Bemühungen, ihn am Ausbruch zu hindern. Das sind die Texte, die ich wirklich lesen will, denn hier entwickelt „Splittermond“ seinen eigenen Charakter abseits von üblichen Fantasy-Standards.

Der Band bietet seine Informationen in abwechslungsreicher Form dar. Da gibt es längere und kürzere Sachtexte, Infokästchen, Erzähltexte, Lieder, Zeitleisten, Auszüge aus selenischen Schriften, Märchen, Speisekarten, Tagebucheinträge, Gesetzestexte, dazu natürlich Karten und Illustrationen: Das macht „Selenia“ zu einem wunderbaren Band zum Schmökern.

In meiner Besprechung von „Die Arwinger Mark“ hatte ich mir gewünscht, dass die „Splittermond“-Macher die Weltenbeschreibungen nicht nur aus einer In-Game-Perspektive und beschränkt auf den Wissenshorizont eines Lorakers schreiben, sondern den Lesern auch eine Außenperspektive bieten sollten. „Selenia“ geht einen guten Schritt in diese Richtung. Ein ganzes Kapitel ist dem Spielleiterwissen gewidmet. Hier bekommt man einige Tipps zum praktischen Spiel in Selenia, zum Beispiel zu Reisen, vor allem aber findet man auch Informationen, die den Bewohnern von Lorakis nicht zur Verfügung stehen. Weiter so, mehr davon.

Fazit: „Selenia – Kaiserreich unter den Monden“ ist eine bunte, gut zu lesende und angemessen auf die Bedürfnisse von Rollenspielern ausgelegte Weltenbeschreibung, die sich vor allem auf klassischen High-Fantasy-Pfaden bewegt, die Welt von „Splittermond“ aber auch um einige originelle Details anreichert.


Selenia – Kaiserreich unter den Monden
Quellenbuch
Tobias Hamelmann, Claudia Heinzelmann (Hrsg.)
Uhrwerk Verlag 2016
ISBN: 978-3-958670-43-3
136 S., Hardcover, vierfarbig, deutsch
Preis: EUR 29,95

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