Dakardsmyr – Im Nebel der Myrkansümpfe

Diese „Splittermond“-Regionalbeschreibung stinkt zum Himmel. Nicht etwa, weil sie schlecht wäre, sondern weil uns die Autoren mitten in die modrigen Myrkansümpfe bringen, wo sich das Volk der Sumpfgnome sein ganz eigenes Zuhause geschaffen hat.

von Bastian Ludwig

Die Myrkansümpfe sind ein riesiges Gebiet im Norden Dragoreas. Eine neblige Landschaft voll giftiger Gase, tückischer Sumpflöcher und brennender Teerseen, aber auch reich an Zutaten für allerlei alchemistische Gebräue. Hier haben die Sumpfgnome ihre Stadt Dakardsmyr erbaut, keine Rose, die auf einem Misthaufen erblüht, sondern eine Metropole, deren Kultur sich der unwirtlichen Umgebung angepasst hat. Gilden, einflussreiche Familien und zahllose Geheimbünde ringen um Einfluss in der Stadt, zum Teil in einer Art großem Spiel, in dem es darum geht, sich am besten in der dakardsmyrischen Gesellschaft zu positionieren, zum Teil aber auch mit bitterem Ernst und dem Ziel, skrupellos die eigenen Interessen durchzusetzen.

Damit hat „Dakardsmyr“ schon mal ein tolles Grundkonzept: Auf der einen Seite die Stadt, düster, ein bisschen anrüchig und verkommen, aber auch liebenswert skurril und linkisch, chaotisch und unberechenbar; auf der anderen Seite die Sümpfe, gefährlich und hinterhältig, aber auch großzügig mit ihren Ressourcen, wenn man sie abzubauen versteht.

Ein anderer Punkt ist es aber, der Dakardsmyr und die Myrkansümpfe zu einer überaus gelungen gestalteten Region macht: Sie wirkt wie aus einem Guss. Natur und Kultur bedingen sich gegenseitig, die Autoren haben aus der Prämisse einer Stadt in einem lebensfeindlichen Sumpf eine konsequente Welt entwickelt.

Ein paar Beispiele:

Dakardsmyrisches Essen: beinahe unerträglich scharf gewürzt. Warum? Weil so Giftstoffe abgetötet und der Geschmack des hiesigen Quellwassers überdeckt werden soll.

Die Architektur: Dakardsmyr versinkt permanent im Sumpf, neue Gebäude werden deswegen schon seit Jahrhunderten auf halb versunkenen erbaut. So gibt es einen ganz plausiblen Grund dafür, weswegen sich unter der Stadt zahlreiche Dungeons befinden, durch die man die Abenteuergruppe hetzen kann.

Das bedeutendste Handwerk: die Alchemie. Warum? Weil die Sümpfe zum einen zahlreiche Wirkstoffe bereithalten, weil es zum anderen ohnehin egal scheint, wenn man die giftige Umgebung noch weiter vergiftet.

Daraus folgt: giftige Abwässer, Rauschmittel, die immer präsente Gefahr von Explosionen und Bränden. Die Gnome vergiften sich und ihre Heimat mindestens ebenso, wie es die Natur ohnehin schon ist. Die Stadt Dakardsmyr ist kein Gegenentwurf zur Natur, sondern von der Natur assimilierte Zivilisation.

Dieses tolle Konzept wird in angemessener Weise präsentiert: Die Beschreibungen von Stadt, Umgebung und Sumpfgnomen umfasst knapp 30 Seiten, genug, um zu verstehen, wie die Region funktioniert, aber mit jeder Menge Spielraum für eigene Überlegungen. Das ist sogar gewollt. So wird etwa die Stadt nicht detailliert beschrieben, stattdessen gibt es mit den Vitriol-Gassen die Blaupause für ein typisches dakardsmyrisches Viertel, anhand dessen man dann seine eigenen Stadtteile gestalten kann.

Mir haben beim Lesen nur wenige Infos gefehlt. Ein Kulturmodul für Dakardsmyr wäre zum Beispiel schön gewesen, ein paar Ausbildungsmodule noch besser. Aber das sind Kleinigkeiten.

In der zweiten Hälfte des Bandes finden sich zwei Abenteuer, die es verstehen, die Besonderheiten des Settings zu nutzen. In „Der Totengräber von Dakardsmyr“ geht es um Meuchelmörder und Verschwörungen, in „Bis zum Hals“ beginnt das Wasser in Dakardsmyr aus unerklärlichen Gründen zu steigen und die Ermittlungen führen in die kriminellen Kreise der Stadt. Ideal also, um diese düstere Ecke von Lorakis für sich zu entdecken.

Fazit: „Dakardsmyr – im Nebel der Myrkansümpfe“ ist ein toller Regionalband um eine spannende, düstere und clever konzipierte Region.


Dakardsmyr – Im Nebel der Myrkansümpfe
Quellenbuch
Tilman Hakenberg u. a.
Uhrwerk Verlag 2016
ISBN: 978-3-958670-48-8
64 S., Softcover, vierfarbig, deutsch
Preis: EUR 14,95

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