Blade Runner 2019 – Los Angeles

„Blade Runner“ – der Kino-Science-Fiction-Thriller von Ridley Scott nach der Geschichte von Philip K. Dick „Träumen Roboter von elektrischen Schafen?“ – ist im Jahre 2019 angekommen. Ort der Handlung: Los Angeles. Jägerin der Replikanten: „Detective“ Aahna Ashina, alias „Ash“. Ihre Aufgabe: Eine vermisste Mutter mit Tochter zu finden. Ein leichter Job im Vergleich zur Replikanten-Jagd? Vielleicht. Und welche Rolle spielt die Tyrell Corporation? Welches Geheimnis verbirgt die Blade Runnerin? Folgt Ash in die düstere, trostlos regnerische und futuristische Neon-Welt, in der sich die Grenzen zwischen Menschen und bioelektronischen Kunstmenschen auflösen.

von Daniel Pabst

Der Comic „Blade Runner 2019 – Los Angeles“ bildet den Auftakt in das neue „Blade Runner“-Universum mit der Replikanten-Jägerin Aahna Ashina, alias „Ash“. Autoren sind Michael Green, der bekannt ist für seine Drehbuch-Mitarbeit zu „Blade Runner 2049“ und „American Gods“, sowie Mike Johnson, bekannt aus der Comic-Serie „Batman/Superman“ und „Star Trek“. Die Zeichnungen übernahm Andrés Guinaldo. Für die Farben zuständig war Marco Lesko. Übersetzer war Bernd Kronsbein, Lettering durch Elleti. Erstmals erschienen ist der Comic 2019 bei Titan Comics, die deutsche Version wurde im Jahre 2020 bei Panini Comics veröffentlicht.

Im Anhang an den Comic sind neben den alternativen Coverbildern, die Coverentwürfe sowie Figurenentwürfe und Probeseiten des Zeichners abgedruckt. Zudem findet sich dort ein Interview Andrés Guinaldo. Darin beschreibt er, dass er beim Zeichnen „nur den Originalfilm vor Augen“ hatte. Dies wird bereits auf der ersten Seite des Comics deutlich.

Der Großstadt-Dschungel mit den auffallenden Ansammlungen aus Reklame-Leuchten, die als einzig Erhellendes in der düsteren Szenerie leuchten, versetzt einen schnell zurück in die Kino-Atmosphäre von 1982. Die spezielle Aura einer futuristisch trostlos wirkenden Stadt, wird durch Andrés Guinaldo überzeugend ins heimische Wohnzimmer der Leserinnen und Leser transportiert. Im abgedruckten Interview teilt dieser weiter mit, dass er (Krimi-)Film noir „noch mehr als Science-Fiction-Streifen liebt“. So erinnert auch die Protagonistin Ash an dieses Film-Genre. Ihr Outfit besteht aus einem weiten Regenmantel, Krawatte und Hemd. Trüge sie noch einen Hut, so könnte man glatt den Eindruck gewinnen, einen weiblichen Philip Marlowe zu betrachten. Auch eine Hommage an die geheimnisvolle Rachael, verkörpert durch Sean Young, aus dem „Blade Runner“-Film von 1982 ist nicht von der Hand zu weisen. Insgesamt kann man beim Lesen des Comics den Eindruck gewinnen, ein Drehbuch für einen neuen „Blade Runner“-Film zu lesen, so actionreich, temporeich und zugleich emotional entwickelt sich die Geschichte. Im Vergleich zum Privatdetektiv im „Blade Runner“-Film von 1982 namens Rick Deckard, verkörpert durch Harrison Ford, ist Ash ohne Empathie für andere und eine Spur taffer, versteckt noch ein persönliches Geheimnis, welches erst im Laufe der Geschichte in Teilen gelüftet wird, und scheint keinerlei Interesse an einer Begleitung zu haben.



Los Angeles. 2019. Obgleich Fans von „Blade Runner“ bekannt, wird der Leserin und dem Leser zu Beginn des Comics durch eine „Infotafel“ in Erinnerung gerufen, wer die Tyrell Corporation ist und welche Funktion die künstlich produzierten Replikanten – dem Menschen völlig identische Wesen – haben. Nach dieser kurzen Einführung setzt ohne Umwege die Handlung ein und man begleitet Detective Aahna Ashina vom Los Angeles Police Department bei der Ausführung eines Auftrags. Sie als „Beste der Replikanten-Jäger“ hat die Aufgabe, einen untergetauchten Replikanten zu stellen. Gnadenlos, schnell, präzise und überlegen bringt sie diesen Auftrag zum Abschluss. Es folgt ein Anruf ihrer Chefin, die Ash befiehlt, sofort ins Büro zu kommen, eine Aufforderung, der sie gelangweilt nachkommt. Das Büro entpuppt sich als Restauranttheke in einer rauchigen und leuchten Straße von Los Angeles. Wieder einmal zeigt sich das zeichnerische Geschick von Andrés Guinaldo, dem die Darstellung der (nächtlichen) Umgebung, hier die Stadt Los Angeles, neben den Figurenbeleuchtungen sehr gelingt.  

Es folgt der Hauptauftrag, den Ash von der Chefin vorgelegt bekommt und den sie im Laufe des Comics erfolgreich abzuschließen versucht. Der reiche und erfolgreiche Alexander Selwyn sucht verzweifelt nach seiner Frau Isobel und seiner Tocher Cleo. Ash erfährt, dass diese das letzte Mal bei der Geburtstagsfeier der „kleinen Lydia Tyrell“ gesehen worden seien. Als Jägerin von Replikanten übernimmt Ash nur widerwillig den ihr minderwertig-erscheinenden Auftrag und ermittelt in alle Richtungen. Dabei kommt es zu waghalsigen Flugmanövern durch die Stadt, einem Besuch in einem „Fleischladen“, ein Treffen in der Höhle des Löwen, der Tyrell Corporation, und Begegnungen mit bioelektronischen Kunstmenschen, den Replikanten.

Immer wieder taucht – wenn auch unterschwellig – die gleiche Frage auf, die bereits im „Blade Runner“-Kinofilm behandelt wurde. Es ist die Frage nach dem „Ursprung“, in concreto nach den Eltern. Menschen wie Replikanten suchen nach Identifikationsfiguren. So antwortet der Replikant Roy Batty, verkörpert durch Rutger Hauer (Rutger Hauer wird im Comic-Impressum aufgrund seines Todes am 19.07.2019 besonders in Form einer Widmung erwähnt), gegenüber Tyrell auf die Frage, was jetzt für ihn getan werden könne: „I want more life – father!“ („Ich will länger leben – Vater!“). Im Comic ist der Hauptauftrag von Ash die Suche nach vermissten Familienmitgliedern, man entdeckt während des Lesens des Comics Familienfotos und blickt zudem zurück in die Kindheit der Protagonistin, eingeleitet durch ihre Erinnerung: „Mamas Hand ist eiskalt. Ich halte ihre Hand nicht, um mich besser zu fühlen. Sondern umgekehrt“.

Fazit: „Blade Runner 2019 – Los Angeles“ liest sich schnell und glänzt mit eindrucksvollen, stilvollen Zeichnungen. Mit Spannung erreicht man die letzte Seite. Dass auf die Leserschaft – dort angekommen – ein Cliffhanger wartet, war vorhersehbar, handelt es sich bei dem Comic doch um den Auftakt einer „Blade Runner“-Serie, die mit „Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde“ fortgeführt wird. Die Fortsetzung liegt auch schon auf Deutsch bei Panini Comics vor. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Veröffentlichung des dritten Comic-Bandes des neuen „Blade Runners“ erst 2021 erscheinen wird und man sich nach dem ersten und zweiten Band weiter gedulden muss, wie Ash in der düsteren, trostlos regnerischen und futuristischen Neon-Welt die Geschehnisse meistert.

Blade Runner 2019 – Los Angeles
Comic
Michael Green, Mike Johnson, Adrés Guinaldo
Panini Comics 2020
ISBN: 978-3-7416-1720-1
116 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 15,00

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