Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde

Off-World. 2026. Die Blade Runnerin Ash lebt undercover in der Off-World, einer Welt „Jenseits der Erde“. Welchen Grund gibt es für ihre Heimlichtuerei? In Fortsetzung zum Comic „Blade Runner 2019 – Los Angeles“ werden weitere Geheimnisse der Tyrell Corporation, der Replikanten und der Protagonistin Ash sowie ihres vorherigen Auftrags gelüftet …

von Daniel Pabst

„Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde“ ist der zweite Band der Comic-Serie „Blade Runner 2019“. Autoren sind Michael Green, der bekannt ist für seine Drehbuch-Mitarbeit an „Blade Runner 2049“ und „American Gods“ sowie Mike Johnson, bekannt für die Comic-Serien „Batman/Superman“ und „Star Trek“. Die Zeichnungen übernahm Andrés Guinaldo. Für die Farben zuständig war Marco Lesko. Übersetzer war Bernd Kronsbein, Lettering durch Gianluca Pini. Erstmals erschienen ist der Comic 2019 bei Titan Comics, die deutsche Version wurde im Jahre 2020 bei Panini Comics veröffentlicht.

Im Anhang des Comics befinden sich – wie vom ersten Band gewohnt – eine Covergalerie, Bilder zur Coverentstehung und diesmal beispielhaft die Darstellung, wie der Zeichner Andrés Guinaldo die Autorenvorgaben künstlerisch umsetzte. Zudem widmet sich dieser Comic-Band im Anhang dem berühmten Syd Mead, welcher am 30. Dezember 2019 verstarb. Syd Mead war unter anderem der Designer (sich selbst betitelte er als „Visual Futurist“) für den „Blade Runner“-Kinofilm von 1982. Er setzte den Grundstein für die dystopische Filmkulisse der Stadt Los Angeles, kreierte die flugfähigen Polizeiautos (sogenannte „Spinner“) und vervollständigte die in der Geschichte „Träumen Roboter von elektrischen Schafen“ von Philip K. Dick beschriebene und von Ridley Scott anschließend skizzierte „Voight-Kampff-Maschine“, mit welcher die gejagten Replikanten zu identifizieren sind. Der Zeichner Andrés Guinaldo setzt auch in diesem Comic-Band diese „Blade Runner“-typischen Elemente geschickt um. So sehen wir in „Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde“ zum Beispiel über mehrere Seiten die Voight-Kampff-Maschine.

„Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde“ spielt in unterschiedlichen Zeiten. Zu Beginn befinden wir uns im Jahre 2026. Ash lebt, im Rollstuhl sitzend, undercover in der Off-World, einer Welt „Jenseits der Erde“. In ihrer Obhut befindet sich ein kleiner Junge, welcher Handel mit Replikanten betreibt. Doch die Zeit dieser Beschäftigung wird abrupt unterbunden. Wieso und durch wen? Nun, seit 2019 hat sich einiges im „Blade Runner“-Universum geändert und die Replikanten folgen einem geheimnisvollen Plan. Der Angriff auf die Weltraum-Station, in der auch Ash und der Junge hausen, gehört zu diesem Plan.

Es folgt eine Rückblende ins Jahr 2020, in dem Ash der wiedergefundenen Cleo, der Tochter von Alexander Selwyn (bekannt aus dem ersten „Blade Runner“-Band), eine Einschlafgeschichte vorliest. Dazu verwendet sie mangels anderweitiger Literatur schlicht den Text einer Info-Broschüre von „Arcadia“. „Arcadia“, so viel sei verraten, wird im weiteren Handlungsverlauf noch einmal eine Rolle spielen …



Sogleich wechselt die Handlung wieder ins Jahr 2026 in die Off-World. Dort wird Ash von einer ihr unbekannten Blade Runnerin aufgefordert, sich einem Test durch die Voight-Kampff-Maschine zu unterziehen. Fast schon an die Leserschaft gerichtet, lassen die Comic-Autoren hier Hythe die Frage stellen: „Sie wissen, was das ist?“ Eine besonders schöne Frage für Fans von „Blade Runner“. Die Maschine fixiert die Iris der Testperson, um subtile Veränderungen während provokativen Fragen festzustellen und so zu unterscheiden, ob vor ihr ein Mensch oder Replikant sitzt. Das Ergebnis von Ash? Steht im Comic! Im Anschluss an den Test fordert Hythe die Protagonistin auf, mir ihr einen gemeinsamen Auftrag zu erfüllen. Im Gegenzug verspricht sie ihr die Genesung der Rückenverletzung, die Ash an den Rollstuhl gefesselt hat. Ash willigt ein.

Wieder ins passende Outfit, im Stile Philip Marlowes, geworfen, beginnt in knapp der Hälfte des Comic-Bandes die „wirkliche Handlung“, in der die Action nicht zu kurz kommt und auch die Spannung weiter zunimmt. Ash reist mit Hythe für ihre Mission zu einem Ort, der als Knotenpunkt dient, von dem aus man in weitere Welten verreisen kann. Die Szenen der Stadt sind geprägt von leuchtenden Reklametafeln, dunklen Gassen und düsteren Verkaufsläden. Durch zahlreiche Rückblenden, auch wieder in die Vergangenheit von Ash, wird die Handlung jedoch immer wieder unterbrochen. Dies tut der Spannung aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil folgt man so nicht linear verschiedenen Personen, was einen dazu veranlasst, die Seiten noch schneller umzublättern, um zu erfahren, wohin die Erzählung einen am Ende führt.

Die neue Blade Runnerin Hythe wirkt mysteriös und es scheint als ob Ash nur mit ihr gemeinsam auf Mission geht, da sie ihre Rückenprobleme heilen kann. Auch hängt die Mission mit Cleo und ihrer Mutter Isobel zusammen, denen sich die eigentlich gefühllos auftretende Ash in gewisser Weise verantwortlich und zugeneigt zeigt. Hat Ash gegenüber Cleo Muttergefühle entwickelt? Neben der allgemeine Frage, wem die Protagonistin trauen kann, in einer Welt in der die Unterscheidung zwischen echten Menschen und den bioelektronischen Kunstmenschen (Replikanten) nahezu unmöglich ist, tritt die Frage hinzu, ob von der Jägerin Hythe für Ash eine Gefahr ausgeht und welche Verbindungen diese zur Familie Selwyn hat. Letztendlich ist Ash auf sich allein gestellt. Dies reiht sich ein in die ohnehin trostlose regendurchnässte Welt von „Blade Runner 2019“, in der jede und jeder an dem alleinigen Überleben orientiert durch die kalten Betonbauten huscht.

Neben dem Schwerpunktthema des ersten „Blade Runner“-Bands, „Ursprung“, welches insbesondere die Replikanten beschäftigt, liegt in „Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde“ ein besonderes Augenmerk auf dem Thema „Augen“ und damit auf der Frage, was Replikanten von echten Menschen eigentlich trennt. Dieser Fokus wird im Comic besonders ersichtlich durch die Voight-Kampff-Maschine, eine gezeigte Augenoperation, sich spiegelnde Brillengläser, und nicht zuletzt blicken die Leserinnen und Leser bereits im ersten Bild des Comics in ein vergrößertes Auge oder werden sie von einem Auge angeblickt?

Fazit: „Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde“ bleibt der Linie des ersten Comic-Bandes treu. Man hat den Eindruck einen „Blade Runner“-Film in den Händen zu halten, welcher gekonnt ikonische Filmelemente aufnimmt und neu aufleben lässt. Die Protagonistin ist keinesfalls als reine Spiegelung von Rick Deckard, im Film von 1982 verkörpert durch Harrison Ford, zu sehen. Man möchte ihre Hintergrundgeschichte erfahren und sehen, ob sie für sich ein glückliches Leben in dieser tristen „Blade Runner“-Welt finden kann. Einziger Kritikpunkt bleibt damit die Wartezeit auf den dritten Band – oder anders ausgedrückt, dass dieser Band nicht doppelt so viele Seiten umfasst.

Blade Runner 2019 – Off-World Jenseits der Erde

Comic
Michael Green, Mike Johnson, Adrés Guinaldo
Panini Comics 2020
ISBN: 978-3-7416-1992-2
116 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 15,00

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