First Rat

Vor beinahe 160 Jahren erträumte Jules Verne die Reise von der Erde zum Mond und schrieb den Roman „Von der Erde zum Mond“. Der Roman mit dem erfrischend direkten Titel beschrieb erstaunlich genau, wie ein Flug zum Mond funktionieren müsste. Vielleicht war es eine alte Ausgabe der illustrierten Version aus dem Jahre 1953, der auf einem Schrottplatz von ein paar jungen Ratten gefunden wurde, wodurch kurze Zeit später Erstaunliches geschah.

von KaiM

„Auf zum Käsemond!“ – Seit Generationen träumen die Ratten vom lunaren Schlaraffenland, denn wie jeder sehen kann, ist der Mond gänzlich aus Käse. Es ist also nicht verwunderlich, dass das ganze Rudel in helle Aufregung verfällt, als sich die Möglichkeit ergibt, dorthin zu reisen. In einer gut bebilderten Anleitung, die von den Jungen auf dem Schrottplatz gefunden wurde, ist ganz genau beschrieben, was zu tun ist, um eine Rakete zu bauen. Mit ihr können sie sich endlich auf den Weg machen, um all den Käse zu bekommen, den sie Nacht für Nacht bisher nur aus der Ferne anhimmeln konnten.

„First Rat” ist ein Laufspiel für ein bis fünf Rattenfamilienoberhäupter ab 10 Jahren. Es funktioniert tatsächlich in jeder Gruppengröße gut und das Alter ist ebenfalls angemessen. Der Spielablauf ist recht einfach und schnell verstanden, aber auch wenn jüngere Spieler durchaus mitspielen könnten, so ist es doch notwendig, strategisch zu planen, damit man mithalten kann. Das könnte bei Jüngeren zu frustrierenden Spielerlebnissen führen. Eine Partie dauert laut Packung 30 bis 75 Minuten, was erfreulicherweise recht realistisch ist. Gerade allein oder zu zweit geht eine Partie sehr schnell und zieht sich erst mit einer höheren Spielerzahl auf über eine Stunde.



Das Material

Hier wurde wirklich ganze Arbeit geleistet. Vom detailreichen Spielplan über die Spielhilfen und die Holzratten bis zu den Ressourcen, den Regeln und den Solokarten wurde unglaublich viel Liebe in die Illustrationen und Details gesteckt. Dabei wirkt aber nichts davon überladen oder verwirrend, denn die wichtigen Informationen gehen nicht unter oder gar verloren. Ein absolutes Highlight fällt erst auf, wenn man das Spiel bereits ein oder zweimal gespielt hat, denn für die ersten Partien wird empfohlen, bestimmte Upgrades zunächst auszusortieren. Hat man ein wenig Erfahrung gesammelt, kommen Superratten ins Spiel und diese sind nicht nur als Charaktere genial gewählt, man nehme nur „Arnold Rattenegger“, sondern auch wirklich toll in das Material integriert. Die Holzratten haben nämlich so schöne hoch stehende Rattenschwänze und wenn man sich entscheidet, eine seiner vier Ratten zu einer Superratte zu machen, nimmt man ein Papp-Porträt und steckt es hinten auf die gewählte Ratte. Das ist wirklich praktisch gelöst und außerdem ein weiterer Beweis für den Ideenreichtum des Designerteams.  

Aber Schluss des Lobliedes und zurück zu den harten Fakten. Neben dem doppelseitigen Spielplan, der Ausstattung für fünf Spieler mit je vier Ratten und zehn Holzwürfeln, über 200 Ressourcen und besonderen Pappmarker und der Startspielerratte gibt es auch noch Material für einen variablen Spielaufbau und Karten für das Solospiel. Die Anleitung ist anschaulich geschrieben und hat bei uns keine Fragen offen gelassen. Außerdem gibt es ein extra Referenzblatt, wo die diversen Sonderfähigkeiten während des Spiels nachgelesen werden können. Die Qualität des Materials ist durchweg in Ordnung, und einzig die Handhabung der schieren Menge an Plättchen ist ein wenig anstrengend wenn das Spiel auf den Tisch gebracht wird. Für diese Art von Spiel kann man dem Material aus meiner Sicht aber nur eine glatte Eins geben.



Der Spielaufbau – einmal schnell und einmal richtig

Wird das Spiel die ersten Male aufgebaut, ist das recht schnell erledigt. Die Ressourcen werden auf dem Tisch verteilt und es kommen ein paar Comics, Kronkorken und Rucksäcke auf den Spielplan. Dann wird die Startratte vergeben, etwas Käse verteilt und los geht’s. Die Siegpunkte und Laufwege vom Rattenbau zur Rakete sind aufgedruckt und damit nicht variabel.

Für die ersten Spiele ist das auch ausreichend, aber es zeichnet sich einigermaßen schnell eine gute Strategie ab. Auf der anderen Seite des Spielbretts wird aber alles durcheinandergewirbelt. Der Weg vom Rattenbau zur Rakete ist in Zonen aufgeteilt, in die die jeweils zugehörigen Plättchen zufällig gelegt werden. Zudem bekommen die Ziele der Rattengemeinschaft eine andere Gewichtung, womit die Siegpunkte nun auf einmal anders verteilt werden. Damit steigt der Aufwand beim Aufbau zwar etwas, sichert aber den Langzeigspielspaß. Insgesamt läuft der gesamte Aufbau flüssig ab, so dass es schnell losgehen kann.

Spielablauf – Wo wuseln sie denn hin?

Der einzelner Spielzug liest sich denkbar einfach. Ist man an der Reihe, bewegt man eine Ratte um bis zu fünf Felder oder beliebig viele um bis zu drei Felder vom Rattenbau in Richtung Rakete. Einzige Bedingung: Alle Ratten müssen am Ende des Zuges auf dem selben Feldtyp landen. Anschließend werden die Boni eingesammelt, die je nach Feldtyp variieren, und hat man sich gut positioniert, kann man in einem der drei Shops einkaufen gehen. Abschließend darf man gesammelte Ressourcen auch noch abgeben, um die gemeinsamen Ziele voranzubringen. Sei es ein wichtiges Teil für die Rakete, das gebaut werden möchte, Sicherung der Stromversorgung oder die Verpflegung. Aber egal, für was die Ressourcen gesammelt und ausgegeben werden, nur wenn man vor allen anderen dazu beiträgt, bekommt man auch die meisten Punkte, denn je häufiger die Rattengemeinschaft zu einem Ziel beiträgt, desto weniger ist der Einsatz wert.



In dieser Form geht es reihum, und wenn man aus dem nächsten Zug keine Wissenschaft macht, ist die Downtime wirklich gering. Selbst mit fünf Spielern dauert es nicht allzu lange, bis man wieder an der Reihe ist. Tatsächlich wuseln die kleinen Nager nur so über die Müllkippe, und gerade mit vielen Spielern kann es auf dem Weg zur Rakete ganz schön eng werden.

Aber was für Optionen hat man denn eigentlich? Das lässt sich recht gut anhand der verschiedenen Ressourcen erläutern. Entweder man bekommt Material für den Bau der Rakete oder Käse. Diesen benötigt man in vielerlei Hinsicht, denn möchte man ein Feld besuchen, auf dem bereits andere Ratten stehen, muss man diese mit einem Stück Käse bezahlen. Außerdem gibt es auf dem Weg diverse Shops, wo man sich für Käse wichtige Ausrüstung kaufen kann oder man hortet Käse für den Flug zum Mond, wofür ein paar Siegpunkte winken. Sammelt man statt der Ressourcen Glühbirnen oder Apfelreste ein, darf man entweder den Weg ausleuchten (was beim Einsammeln von Ressourcen hilft) oder den Nachwuchs im Rattenbau versorgen.

Auch dort gibt es wieder Entscheidungsbedarf, denn man kann sich zum Beispiel der Bildung widmen und Comics besorgen. Diese geben individuelle Boni, die nur einmal im gesamten Spiel zur Verfügung steht. Oder man füttert den Nachwuchs, damit er schnell bei dem Bau der Rakete helfen kann. So bekommt man neue Ratten ins Spiel. Oder man widmet sich der allgemeinen Rattenbaupflege, wofür man am Ende des Spiels Siegpunkte erhält.

Mit Strategie zum Käsethron im Käsemond

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten und Strategien, um mit der eigenen Sippe zum Sieg zu wuseln, und einige Optionen erschließen sich erst, nachdem ein paar Partien gespielt hat. Der variable Spielaufbau stellt die Rattenfamilien jedes mal vor eine neue Situation, sodass keine Strategie die einzig richtige ist und bleibt. Vielmehr muss erkannt werden, welches die beste Strategie ist, um genau dieses Spiel mit einer geschickten Kombination aus Kronkorken, Rucksäcken, Ressourcen und weiteren Zielen zu gewinnen. Oder aber auch vielleicht die zweitbeste Strategie, denn wenn zwei sich streiten, freut sich ja häufig die dritte Ratte. Oder es ergibt sich die Gelegenheit, die eigenen Ziele zu verfolgen, die anderen aber geschickt zu behindern.



Und genau da geht der Spaß los. Sind die ersten Partien gespielt und man hat alle Möglichkeiten verstanden, oder glaubt es zumindest, geht es darum, das beste aus der Situation zu machen, ohne sich in wenig lukrative Auseinandersetzungen verstricken zu lassen. Alle Informationen sind offen, und es gibt nach dem Aufbau keinen einzigen Glücksfaktor mehr in diesem Spiel. Das verspricht natürlich spannende Matches zwischen erfahrenen Rattenfängern, birgt auf der anderen Seite aber auch die Gefahr, dass dieses Wettrennen nur auf Augenhöhe spannend bleibt. Kids und Neulinge werden es äußerst schwer haben und nur mit einem ganz großen Vielleicht werden sie bei einer größeren Runde davon profitieren, dass die anderen sich um die lukrativsten Ziele streiten.   

Die Solo-Umsetzung ist grundsätzlich ebenfalls gelungen, aber der Automa ist leider viel zu leicht geraten. Auf der schwierigsten Stufe kann man sich an den verschiedenen Herausforderungen versuchen und wird vielleicht nicht immer gewinnen.

Die Spielanleitung beim Verlag herunterladen.

Fazit: „First Rat“ ist insbesondere mit wenigen Spielern ein schnelles, taktisches Rennspiel um Käse, Limo und Raketenteile. Selten wird ein Spiel mit so viel Liebe zum Detail ausgearbeitet, und auch spielerisch weiß es zu überzeugen. Sollten die Ratten einmal zum Mond fliegen wollen, bin ich vorne mit dabei.

First Rat

Brettspiel für 1 bis 5 Spieler ab 10 Jahren
Gabriele Ausiello
Pegasus Spiele 2022
EAN: 4250231729942
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 34,99

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