Star Wars: Krieg der Kopfgeldjäger

Cross-Over-Events, bei denen Geschichten und Helden verschiedener Comic-Reihen zusammenfinden, sind beim US-Comic-Verlag Marvel im Superheldenbereich schon seit den 1980ern beliebt, um groß aufzutrumpfen. Als „Star Wars“ 2015 zu Marvel zurückkehrte, war klar, dass auch hier ähnliche Events folgen würden. Mit „Vader Down“ und „Eine Allianz auf Zeit“ wurden jeweils zwei Reihen verknüpft – hier „Star Wars“ und „Darth Vader“, dort „Star Wars“ und „Doktor Aphra“. „Krieg der Kopfgeldjäger“ nun ist ein Event der Superlative. Warum? Das schauen wir uns an.

von Frank Stein

Ein Bild gegen Ende der ersten Hälfte des vorliegenden Softcoverbandes gibt die Antwort. Im Zentrum des 2-seitigen Panel ist der Kopf des grinsenden Han Solos zu sehen. Der schaut in Wahrheit natürlich gerade ganz anders, denn „Krieg der Kopfgeldjäger“ ist zwischen „Episode V: Das Imperium schlägt zurück“ und „Episode IV: Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ angesiedelt, das heißt Solo ist derzeit in Karbonit eingefroren und mit Boba Fett auf dem Weg zu Jabba, wo er als Wanddekoration enden soll. Auf dem Bild ist Solo umgeben von seinen Rebellenfreunden Luke, Leia, Chewie und Lando, außerdem Vader, den Kopfgeldjägern Dengar und Valance, Jabba und den zwei unangepassten Antiheldinnen Doktor Aphra und Sana Starros. „Sie alle lieben ihn, hassen ihn, haben Schulden oder Ansprüche an ihn“, heißt es dort vielsagend.

Genau darum geht es in diesem Mega-Cross-Over, der alle vier aktuellen Comic-Reihen, die zwischen „Episode V“ und „Episode IV“ angesiedelt sind, verbindet: „Star Wars“, „Darth Vader“, „Doktor Aphra“ und „Kopfgeldjäger“. Zwar hat Boba Fett am Ende von „Das Imperium schlägt zurück“ Solo auf Bespin einsammeln können, aber die Begehrlichkeiten Han betreffend sind groß. Entsprechend dauert es nicht lange, bis der Mann, der auch das Cover dieses Bandes ziert und als zentraler Protagonist fungiert, große Probleme kriegt, die darin gipfeln, dass ihm Solo abhanden kommt – gestohlen von einer Verbrecherorganisation, die niemand mehr auf dem Schirm hatte, die aber hier ihre große Rückkehr feiert. Jabba findet diesen Verlust nur bedingt gut, weswegen er Fett mit einem offenen Steckbrief alle Kopfgeldjäger-Kollegen der Galaxis auf den Hals hetzt. Auf einer großen Party, auf der Solo als Attraktion angeboten wird, stößt Fett dann obendrein mit all den Parteien zusammen, die aus dem ein oder anderen Grund ein großes Interesse an Solo haben. Das Ganze endet natürlich in einem deftigen Chaos!

Viel mehr soll zum Inhalt gar nicht verraten werden. Wobei es tatsächlich auch gar nicht viel mehr zu sagen gibt. Der zentrale Sammelband des Events, der die auf Deutsch auch schon in Heftform („Star Wars #74-79“) erschienen Original-Geschichten „War of the Bounty Hunters, Prelude: „Precious Cargo“ (Mai 2021) und „War of the Bounty Hunters #1-5“ (Juni bis Oktober 2021) enthält, setzt vor allem auf Action. Boba Fett kämpft. Gegen Gladiatoren. Gegen Zuckuss und 4-LOM. Gegen Bossk. Gegen Dengar und Valance. Gegen Rebellen. Gegen Imperiale. Und er zeigt dabei immer wieder, was für ein Ausnahmejäger er ist. Nicht falsch verstehen! Das ist von Autor Charles Soule absolut unterhaltsam inszeniert und von Steve McNiven auch hervorragend sowie von Luke Kent sehr solide gezeichnet. Von einer rasanten Achterbahnfahrt abgesehen, gibt der Teil der Story aber nicht so wahnsinnig viel her. Fett verliert Solo und hechelt ihm dann hinterher, wieder und wieder, ähnlich wie Indiana Jones dem Gegengift in der legendären Club-Obi-Wan-Intro-Sequenz des Films „Indiana Jones & der Tempel des Todes“.

Interessanter ist da kurioserweise der Nebenstrang, der von der Rückkehr besagter Verbrecherorganisation erzählt. Die gibt auf diesen Seiten bloß ihren erneuten Einstand, soll allerdings in einem Folge-Event dann ganz im Fokus stehen. Aber auch dazu soll hier nichts weiter gespoilert werden.

Der „Krieg der Kopfgeldjäger“ ist mit diesem Band natürlich nicht erledigt. Das wäre dann doch ein recht kleines Event, obschon sich zahllose namhafte Figuren die Klinke in die Hand drücken. Nein, genau genommen wird es umrahmt von fünf weiteren Sammelbänden. Namentlich sind das: „Star Wars 3: Krieg der Kopfgeldjäger – Rettet Han Solo“ (auf Deutsch im Januar 2022 erschienen), „Star Wars – Kopfgeldjäger 3: Zielperson – Han Solo“ (Februar 2022), „Star Wars – Doktor Aphra 3: Die Jagd“ (März 2022), außerdem stehen noch „Krieg der Kopfgeldjäger: Abschaum und Verkommenheit“ für Juni sowie „Star Wars – Darth Vader 3“ für Juli auf dem Programm. Diese Bände erzählen dann Parallelhandlungen, die die Rebellen, Dengar und Valance, Aphra und Sana sowie Vader ins Zentrum rücken. „Abschaum und Verkommenheit“ bringt dazu vier Bonusgeschichten zu diversen Nebencharakteren, darunter Boushh und IG-88. Mehr als genug Stoff also, um die Jagd nach Han Solo und den Krieg der Kopfgeldjäger zu einem echt großen Ereignis zu machen.

Ein kleiner Exkurs noch zum Schluss. Die Jagd auf Han Solo ist ja nicht das erste Mal ausführlich zelebriert worden. 1996 gab es mit „Star Wars: Shadows of the Empire“ ein ganzes Multimedia-Projekt mit Roman, Comic, Videospiel, Soundtrack-CD, Actionfiguren und mehr, das sich der Zeit zwischen „Episode V“ und „Episode IV“ widmete – und hier speziell der Suche nach beziehungsweise Jagd auf den in Karbonit eingefrorenen Han Solo. Auch damals spielte interessanterweise mit der „Black Sun“ und ihrem Anführer Prinz Xizor eine neu eingeführte Verbrecherorganisation eine nicht unwichtige Rolle, damals überhaupt der Beginn einer komplexeren Unterweltstruktur im „Star Wars“-Universum. Im Vergleich mit damals kann „Krieg der Kopfgeldjäger“ (vor allem dieser Kernsammelband) nicht mithalten. Das Event damals war schon noch deutlich aufwändiger – inklusive neuer Figuren, Raumschiffe und Schauplätze, die noch lange nachgewirkt haben. Mit der Auslöschung des alten Expanded Universe ist das Event natürlich hinfällig geworden. Aber wer neugierig ist, wie Han Solo damals alle Parteien der Galaxis auf Trab hielt, der sollte sich zumindest den Roman von Steve Perry und den Comic von John Wagner mal anschauen. Auch der Soundtrack (erst jüngst wieder auf Vinyl-LP veröffentlicht) ist hörenswert.

Eine tolle und erfreulich komplette Cover-Galerie schließt den vorliegenden Band ab.

Fazit: Der Sammelband „Krieg der Kopfgeldjäger“ ist das Kernstück des größeren Comic-Cross-Over-Events gleichen Namens. Protagonist ist hier Boba Fett, der darum kämpfen muss, damit er Beute, den in Karbonit eingefrorenen Han Solo, erfolgreich bei Jabba abliefern kann. Action steht eindeutig im Vordergrund, komplex ist die Handlung eher nicht. Unmengen an namhaften Figuren grüßen mehr oder weniger kurz von den Panels, wirklich Tiefe erhält ihr Auftritt aber erst, wenn man die Begleit-Sammelbände auch liest. Schön ist die Rückkehr einer bereits erledigt geglaubten Verbrecherorganisation. Unterm Strich vor allem für Boba-Fett-Fans ein lesenswerter Spaß (vielleicht 2 Euro zu teuer), der sich in verschiedene Richtungen entfalten kann, je nachdem, welche Begleitbände man sich noch dazu gönnt.

Star Wars: Krieg der Kopfgeldjäger

Comic
Charles Soule, Luke Ross u. a.
Panini Comics 2022
ISBN: 978-3-7416-2813-9
152 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 20,00

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