von Frank Stein
Der vorliegende Sammelband ist das Herzstück des Comic-Cross-Over-Events aus dem Jahr 2022. Enthalten sind die US-Ausgaben „Star Wars: Crimson Reign #1-5“, die zwischen Dezember 2021 und Juni 2022 auf den Markt kamen. Auf Deutsch kam der Sammelband im September 2022 heraus, parallel als Softcover- und limitierter Hardcoverband. Geschrieben wurde die Mini-Serie von Charles Soule, die Illustrationen übernahm Steven Cummings, koloriert wurde das Ganze von Guru-eFX.
Die Geschichte, angesiedelt zwischen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, ist quasi der zweite Teil der „Crimson Dawn“-Trilogie, die mit „Krieg der Kopfgeldjäger“ ihren Anfang nahm und mit „Hidden Empire“ ihr Ende finden wird. Zu Beginn steht Qi’ra vor einem großen Werk. Jahrelang hat sie sich hochgekämpft. Erst als Gossenkind in den Straßen von Coruscant. Dann als Gespielin des fiesen Dryden Vos, der in der Anfangszeit der Rebellion das Verbrechersyndikat Crimson Dawn führte – zumindest nach außen hin. In Wahrheit beherrschte (Ex-Darth) Maul die Unterwelt in jenen Jahren. Auch dem musste Qi’ra eine Weile dienen, bis er schließlich auf Tatooine sein Ende fand. Da hatte sie endlich den Gipfel der Macht erklommen, einer Macht, die sie einsetzen will, um sich am Imperium im Allgemeinen und dem Imperator im Speziellen für alles zur rächen, was der Sith-Lord der Galaxis mit seiner Schreckensdiktatur angetan hatte.
Anders als die Rebellion, die auf Hoffnung und Gemeinschaft setzt, entfesselt Qi’ra stattdessen Chaos und Zwietracht, die die Ordnung des Imperiums erschüttern und gleichzeitig ihre Suche nach einem geheimnisvollen Artefakt verbergen sollen. Unterstützt durch eine Riege kampfstarker Einzelpersonen und Kleingruppen – darunter den Rittern von Ren und Ochi von Bestoon, die man aus den Sequel-Filmen kennt –, setzt sie eine ganze Reihe von gezielten Nadelstichen in Gang, die die Unterwelt in Aufruhr versetzen und dabei auch das Imperium schädigen. Doch den Zorn des Imperators zieht man nicht leichtfertig auf sich …
Der Comic will eine große Operation in nur fünf Kapiteln erzählen. Das ist ambitioniert und klappt leider nur bedingt. Natürlich bekommt man einen Eindruck vom Kampf, den Crimson Dawn nach seiner Rückkehr auf die galaktische Bühne im „Krieg der Kopfgeldjäger“ mit dem Imperium vom Zaun bricht. Das Niveau der Intrigen geht auch in Ordnung. Zahlreiche Puzzlesteine fügen sich zu einem Plan zusammen. Eine Aktion zielt immer darauf ab, eine gewisse Reaktion zu erzeugen. Wie Qi’ra ihre Vision einer freien Galaxis darlegt, ist auch durchaus interessant zu lesen. Aber in der Umsetzung funktioniert das Ganze dann eben nicht so richtig.
So wird der „Krieg der Syndikate“, den Qi’ra lanciert, beispielsweise nur in wenigen Panels abgehandelt. Da hilft es auch nicht, dass Prinz Xizor unerwartet erwähnt wird und so aus den „Legends“ in den neuen Kanon gehoben wird (wie gern hätte man ihn dann auch live erlebt). Das ist ein netter Beinahe-Cameo, aber allgemein bleibt das alles zu sehr bei der „Mauerschau“, die wenig involviert. Hinzu kommt, dass sehr viele Protagonisten aktiv werden, von denen die meisten – wie Chanath Cha und ihre Waisen oder die „Marvel“-Attentäterin Deathstick – dem „Star Wars“-Fan nur bedingt emotional etwas bedeuten. Kurze Momente der Intensität sind nicht ausgeschlossen, etwa wenn sich die Ritter von Ren in Darth Vaders Festung schleichen. Doch unterm Strich fühlt sich alles ein wenig zu oberflächlich erzählt an, zumal natürlich keiner der Agenten von Crimson Dawn versagt, also Qi’ra, die fast so abgehoben wie der Imperator auf seinem Thron in ihrem Schiff sitzt, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen, keinen Moment lang in Bedrängnis gerät oder „spontan umplanen“ muss – eines der Erzählelemente, die Comics um Han Solo immer so kurzweilig machen.
Am Ende hat die Handlung vor allem eins erreicht: Qi’ra hat das Imperium gegen sich aufgebracht. Das an sich ist noch keine Leistung. Wie sie gegen Vader und den Imperator allerdings bestehen will, muss sich in der Fortsetzung „Hidden Empire“ noch erweisen.
Optisch ist der Comic immerhin ein absoluter Hingucker. Figuren und Raumschiffe wirken detailliert und in der Gestalt harmonisch. Manche Seiten sind sogar großartig zu nennen, etwa die Transformation vom Jedi-Tempel hin zum Sitz des Imperator. Die Farben unterstützen das Gezeichnete dabei auf perfekte Art und Weise. Guru eFX gehört zweifellos zur Oberklasse der „Star Wars“-Künstler.
Eine Cover-Galerie am Ende schließt den Sammelband ab.
Fazit: „Star Wars – Crimson Reign – Die scharlachrote Königin“ will eine große Kampagne von Qi’ras Verbrecherorganisation gegen das Imperium erzählen – und hat dafür einfach zu wenig Platz. Viele spannende Dinge passieren, die zu schnell und mitunter einfach oberflächlich abgehandelt werden. Dass die mysteriöse „Archivarin“ die ganze Handlung quasi „erzählt“, sorgt für zusätzliche Distanz. Ich will nicht sagen, dass wir hier ein trockenes Geschichtsbuch vorliegen hätten, denn natürlich herrscht trotzdem überall „Star Wars“-typische Action vor, aber man fühlt sich als Leser nur selten in die Geschichte gezogen, was auch an zu vielen Protagonisten liegt, mit denen man kaum etwas emotional verbindet. Als Kernstück einer galaktischen Entwicklung zwischen „Episode V“ und „Episode VI“ sicher ein Comic, der für Fans nicht unwichtig ist. Aber rundum gelungen kann ich ihn leider nicht nennen.
Star Wars – Crimson Reign – Die scharlachrote Königin
Comic
Charles Soule, Steven Cummings, Guru eFX
Panini Comics 2022
ISBN: 978-3-7416-3041-5
128 S., Softcover, deutsch
Preis: 17,00 EUR
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