von Frank Stein
Das Cover verspricht Kopfgeldjäger-Action satt! Boba Fett, Dengar, Bossk, Aurra Sing und Kenix Kil präsentieren sich vor der „Slave 1“ in kampfbereiter Pose. Dabei verrät das Bild auch gleich noch eins: Der Comic richtet sich an Kenner der Saga, denn er stellt absolute Nebenfiguren der Kinofilme (selbst der berühmte Boba Fett hatte dort nur wenig Screentime) in den Mittelpunkt – und sogar solche wie Kil, die nur aus den Comics bekannt sind.
Ganze sechs Storys versammelt der 146-seitige Hardcoverband, wobei eine von ihnen sogar noch aus drei Einzelepisoden besteht. Ein Kessel Buntes, möchte man da sagen – und das stimmt wahrlich. Nach einer kurzen Einführung und einer zeitlichen Einordnung, die nicht ganz korrekt ist, weil gut die Hälfte der Geschichten deutlich später angesiedelt sind, geht es los mit „Kopfgeldjäger: Aurra Sing“. Wer genau hinsah, bemerkte sie zwei Sekunden lang in „Die dunkle Bedrohung“, während sie auf Tatooine Podrennern zuschaute. Manchmal genügt das bei „Star Wars“, um bescheidenen Ruhm zu erlangen. In der vorliegenden Geschichte jagt sie einen berüchtigten Twi'lek-Piraten, der sich Gestaltwandlern bedient, um zu verschleiern, wohin er nach seinem Untertauchen verschwunden ist. – Mit diesem Auftakt liegt eine kleine schöne Story mit nettem Twist und guten Zeichnungen vor; gut für die Mittagspause.
Im Anschluss danach reist „Kopfgeldjäger: Kenix Kil“ nach Baramorra, um einen Feind des Imperiums auszuschalten. Dazu muss man wissen, dass Kil früher der imperiale Ehrengardist Kir Kanos war (man kennt ihn aus den „Crimson Empire“-Comics). Doch nachdem er mehrere Verräter in den Reihen des Imperiums ausgeschaltet hatte, ist er nach der Schlacht von Endor zum meistgesuchten Mann des Rest-Imperiums avanciert – daher die Tarnung. Absurderweise strebt er dabei unverändert danach, dem alten Imperium zu dienen, indem er schwache, verräterische Elemente ausmerzt. Ein selbstgerechter Vollstrecker, der eher zufällig Gutes tut (sind doch die meisten Ex-Imperialen in jener Zeit tyrannische Großgrundbesitzer oder Warlords). – Auch das zweite Abenteuer erfüllt das Versprechen, das der Comic-Sammelband gibt. Ein Kopfgeldjäger in Aktion, gut gezeichnet, aber fragwürdig in der vermittelten Moral.
In „Kopfgeldjäger: Die Todesjagd“ versucht Lando Calrissian nach „Das Imperium schlägt zurück“ einen Handel mit einem Hutten zu machen, der jedoch nach einer früheren Begegnung mit dem Spieler Rachegelüste hegt. Daher setzt er Calrissian fest und hetzt ihm zur Unterhaltung Bossk, Dengar, 4-LOM und einen Typen, der wie ein Predator aussieht, auf den Hals. Doch die Jagd nimmt eine unerwartete Wende, als Calrissian ins Territorium der gefährlichen Jokhalli flieht … – „Die Todesjagd“ nimmt sich weder optisch noch inhaltlich ganz ernst. Obwohl die Lage brandgefährlich für Calrissian ist, bleibt der Schurke nie um einen dummen Spruch verlegen – und das in cartooneskem Gewand. Aber das ist wohl „Star Wars“. Dennoch eher ein schwächerer Beitrag der Sammlung.
Mit „Shadow Stalker“ liegt die erste Geschichte vor, die zeigt, wie zusammengestückelt dieser Sammelband ist. Vaders Agent, der imperiale Ex-Ausbilder Wrenga Jixton – Kennern aus dem Multimediaprojekt „Schatten des Imperiums“ vertraut – soll nach Corulag reisen, um einen imperialen Gouverneur zu töten, der zur Rebellenallianz überlaufen will. Doch die Situation auf Corulag ist bei Weitem nicht so eindeutig, und Jix verstrickt sich in ein Netz aus Täuschung, das er mit Faust und Blaster zu zerschlagen beginnt. – Obwohl von der Atmosphäre her natürlich stimmig, erzählt diese Geschichte nicht von einem Kopfgeldjäger und wäre eigentlich besser in einem anderen Band aufgehoben gewesen. Man verzeiht es ihr, weil sie die vielleicht beste, komplexeste Handlung der Sammlung bietet, und dabei auch noch gut aussieht.
Drei „Geschichten aus Mos Eisley“ folgen, sehr unterschiedlich im Thema, aber immer gleich im Prinzip. Ein Gast in einer Cantina erzählt von einer eigentümlichen Begebenheit, die er erlebt hat, wobei das Ganze jedes Mal auf einen Twist hinausläuft, wie man ihn bei klassischen Kurzgeschichten kennt. Grundsätzlich lesen sich die Storys nett weg, aber optisch bewegen wir uns eher in den 80ern als in den 90ern und überhaupt wirken sie eher wie Beiträge aus einem „Weird Science-Fiction“-Magazin. Die Bezüge zu „Star Wars“ sind sehr gering. Nicht schlecht, aber in dieser Anthologie völlig deplatziert.
Den Abschluss bildet „Der Weg des Kriegers“, und endlich taucht auch Boba Fett auf, der auf dem Cover immerhin groß angekündigt wurde. Allerdings ist er hier noch ein Junge, der eine seiner ersten Lektionen von seinem Vater Jango lernt, nämlich dass der Auftrag über allem steht. Ob man im Recht ist oder nicht, spielt keine Rolle. Wenn Geld genommen wurde, wird der Job ausgeführt, um jeden Preis. Auch wenn dabei ein Rebellenlager ausgelöscht wird, das voller Menschen ist, die ein gerechtes Anliegen haben. – Ein eher kurzer Abschluss, aber immerhin gut gezeichnet und thematisch passend. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Boba Fett auf dem Cover eher ein Lockvogel war, denn ein richtiges Abenteuer des berühmten Kopfgeldjägers bekommt der Leser hier nicht geboten.
Eine kurze Galerie mit vier Covern rundet den Band ab.
Fazit: „Kopfgeldjäger“ ist nicht unbedingt das, was ich einen würdigen Jubiläumsband nennen würde. Vielmehr handelt es sich um eine ziemlich bunte Sammlung von Geschichten aus den Schatten der „Star Wars“-Saga. Vier Beiträge zu Kopfgeldjägern, eine Agentenstory und drei sehr kurze „Weird SF“-Erzählungen bilden ein buntes Potpourri, das sich durchaus gut lesen lässt – z.B. in Mittagspausen –, sich aber vom präsentierten Personal her schon sehr an Kenner richtet, die wissen, wer Aurra Sing, Kir Kanos und Wrenga Jixton sind. Kein Klassiker innerhalb der „Comic-Kollektion“-Reihe, aber für Freunde der kurzen Erzählform trotzdem unterhaltsam. Außerdem sehen Cover und Rückseitenillustration bei diesem Band einfach super aus.
Star Wars Comic-Kollektion 100 – Kopfgeldjäger
Comic
Timothy Truman, Randy Stradley, Ryder Windham u. a.
Panini Comics 2020
ISBN: 978-3-7416-1588-7
146 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,99
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