von Jens Krohnen
Bevor ich mit der eigentlichen Besprechung beginne, möchte ich alle Leser darauf hinweisen, dass die folgende Rezension mehrere Spoiler enthalten wird – mehr, als bei einer einfachen Abenteuerrezension üblich. Das liegt an der Konzeption des Bandes und nicht an meiner ungebremsten Plauderlaune. Dieser Text wendet sich also explizit an die Spielleiter unter Euch – Spielern möchte ich raten, die folgenden Absätze gleich zu überspringen.
„Königsgambit in Kamborn“ ist ein interessanter Versuch, ein neues, cthuloides Setting auf deutschem Boden zu implementieren. Während es in Amerika ja das berühmte „Lovecraft Country“ gibt, dass mit Arkham, Innsmouth, Dunwich und Kingsport einige illustre Örtlichkeiten für gepflegten Grusel aufbieten kann, wurde in Deutschland zwar schon die eine oder andere Stadt cthuloid „erschlossen“ – ein eigens geschaffenes Setting sucht man allerdings vergeblich. Mit „Kamborn“, einer fiktiven Stadt, die die Redaktion irgendwo zwischen Paderborn und Detmold verortet, soll hier nun Abhilfe geschaffen werden. Kamborn wird im vorläufigen Abenteuerband nur rudimentär beschrieben. Als Fakten werden die ungefähre Größe, die Verkehrsanbindung und eine kleine Universität gesetzt – damit wäre genügend Schauplatz für klassische Szenarien geschaffen. Außerdem ist es natürlich Fakt, dass sich heutzutage niemand mehr an Kamborn erinnert – wie es dazu kommen konnte, wird möglicherweise einer der folgenden Abenteuerbände enthüllen, die diesem Fleckchen Erde gewidmet sind.
Nach dieser knappen Einleitung schließen sich zwei Szenarien an. Beiden sind eine zeitlich recht begrenzte Handlung sowie eine hohe Einsteigerfreundlichkeit gemein. In „Der Monolith“ werden die Investigatoren vom Dorfpriester in das benachbarte Dörfchen Hubbüttel geschickt. Die hier ansässigen Dörfler bleiben seit einiger Zeit dem sonntäglichen Gottesdienst fern und der Pfarrer bittet die Investigatoren, hier einmal nach dem Rechten zu sehen. Vor Ort trifft die Gruppe dann auf eine verschworene Gemeinschaft, die ein Geheimnis zu bergen scheint. Das zweite Abenteuer, „Blutrausch“, spiel wiederum in Kamborn selbst. Ein Professor aus Berlin liegt tot im kamborner Stadtpark. Im Auftrag der Polizei machen sich die Investigatoren auf die Suche nach dem Täter. Die Spur führt alsbald in die akademischen Kreise der Universität von Kamborn.
„Der Monolith“ ist eigentlich recht interessant aufbereitet, lassen sich doch Motivation und Hintergrund der dörflichen Kultaktivitäten entweder per Würfelwurf randomisiert bestimmen oder doch aus einer Liste auswählen. Je nach gewähltem Hintergrund unterscheiden sich die Ermittlungsergebnisse der Investigatoren dann leicht voneinander; auch das Finale mag eine leicht andere Färbung erhalten. Letztendlich sind die Unterschiede aber so gering, dass diese – für cthuloide Verhältnisse – innovative Idee kaum Einfluss auf das ansonsten recht handlungsarme und geradlinige Abenteuer hat. „Blutrausch“ wiederum ist deutlich stringenter und bietet einen nahezu klassischen Rechercheplot, der mithilfe sauber ausgelegter Indizien gelöst werden kann. Besonders lobend erwähnen möchte ich die aus „Trail of Cthulhu“ bekannte Methode, gewisse „Zwangsermittlungsergebnisse“ auch im Rahmen misslungener Proben an die Investigatoren auszugeben – so bleibt die Handlung nicht aufgrund eines misslungenen Wurfes stecken. Leider versäumt es das Abenteuer aber, den eigentlich bestehenden Zeitdruck – denn der Täter steht kurz vor Abreise – an die Investigatoren weiterzugeben.
Bebildert wurde „Königsgambit in Kamborn“ ganz klassisch mit zeitgenössischen Fotografien. Außerdem finden sich einige gut gemachte und brauchbare Karten in dem Band wieder. Dieses Mal bin ich allerdings weder mit Korrektorat noch Lektorat wirklich warm geworden: Es finden sich – gerade in „Der Monolith“ – doch mehr Rechtschreibfehler als üblich im Text und auch einige Fehlangaben in Tabellenform sind vorhanden. Zwar hat der Verlag hier bereits Abhilfe geschaffen und die korrigierte Tabelle zum Download bereitgestellt, ich hoffe dennoch, dass in den zukünftigen Publikationen wieder mit mehr Sorgfalt vorgegangen wird.
Fazit: „Königsgambit in Kamborn“ breitet zunächst einmal eine interessante Grundidee aus, ohne bisher jedoch wirklich spannend zu werden. Die beiden Abenteuer sind einsteigerfreundlich, dabei aber auch recht eindimensional. Lobend erwähnenswert sind auf jeden Fall die innovativeren Regelideen wie Zufallstabellen oder Zwangshinweise. In Gänze konnte mich der Abenteuerband aber nicht wirklich fesseln. Es bleibt abzuwarten, ob Kamborn noch zu einem spannenden Schmelztiegel cthuloider Umtriebe in Deutschland wird.
Königsgambit in Kamborn
Abenteuerband
Sabrina Hubmann, Valentin Masszi
Pegasus 2019
ISBN: 978-3957892331
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 9,95
bei pegasus.de bestellen
bei amazon.de bestellen