Pforten in die Finsternis

Knarrend öffnet sich die mit Spinnweben überzogene Pforte und offenbart unsägliches Grauen, unbegreifliche Mysterien und schreckliche Ungeheuer in fünf gezielt für beginnende Spieler und Spielleiter geschriebenen Abenteuern für das „Cthulhu“-Rollenspiel. Lasst uns gemeinsam die Pforte durchschreiten und die enthaltenen Abenteuer auf ihre Eignung für den sofortigen Sprung in die Finsternis beleuchten.

von Oliver Adam

Im ersten Abenteuer „Die Dunkelheit unter den Hügeln“ begeben sich die Investigatoren auf eine Rettungsmission in die verborgenen Tunnel unter einem alten Haus. Ein Freund der Investigatoren hat das Anwesen geerbt und bei Renovierungsarbeiten einen geheimen Zugang zu einem merkwürdigen Tunnelsystem gefunden. Er verständigte die Investigatoren und betrat vor deren Eintreffen den Untergrund. Folgen ihm die Investigatoren in den dunklen Schoß der Erde, treffen sie dort auf missgestaltete und degenerierte Menschen sowie schreckliche Ghasts. Zudem können sie ein umfangreiches Höhlensystem des Schlangenvolkes erkunden und in einem Showdown einen Wissenschaftler des Schlangenvolkes mit seinen Lakaien überwinden und schließlich den Freund in Not retten.

Ganz nüchtern betrachtet handelt es sich um ein „Cthulhu“-Dungeon, bei dem man schon etwas darüber schmunzeln kann, was da alles unter dem unscheinbaren Haus kreucht und fleucht. Dabei macht das Abenteuer vieles sehr richtig: Zum einen haben die Investigatoren einen nachvollziehbaren Aufhänger, um in die Tiefen zu steigen, zum anderen wird die bedrohliche Atmosphäre in den verlassenen Gängen sehr gut transportiert. Die zahlreichen Spielleiterhinweise und Erklärtexte tragen zu einer hohen Einsteigerfreundlichkeit bei, sodass das Abenteuer möglicherweise genau der richtige Start für dungeonaffine Einsteiger oder Umsteiger von anderen Rollenspielen in die „Cthulhu“-Welt sein kann.

„Genius Loci“ führt die Investigatoren aufgrund des schriftlichen Hilferufs eines Freundes in eine Irrenanstalt. Ein unter den Hügeln gefangener Lloigor übt seinen verderblichen Einfluss auf die Anstalt, deren Insassen, Mitarbeitern und deren Leiter aus. In ihren Recherchen können die Investigatoren aus der Geschichte der Irrenanstalt sowie aus den Machenschaften der verschiedenen Leiter wichtige Hinweise finden, die sie schließlich zu einer Ritualzeremonie führen, aus der ihr Freund errettet werden soll. Für erfahrene Spieler ist der Plot ziemlich vorhersehbar, das Abenteuer richtet sich jedoch an Einsteiger, die hier ein schönes Irrenhausabenteuer geboten bekommen, dessen Handhabung des Showdowns allerdings etwas Fingerspitzengefühl von Seiten des Spielleiters benötigt.

Der Handlungsschauplatz von „Die Diener des Sees“ ist das seeseitig gelegene Squatters Lake Motel. Auf Wunsch eines verzweifelten Vaters suchen die Investigatoren nach James Frazer, der auf dem Weg zu seiner Geliebten verschollen ist. Alle Indizien verweisen auf das heruntergekommene Motel und seine merkwürdigen Eigentümer. Als Diener Glaakis ziehen diese im See hinter dem Motel einen Avatar des Großen Alten auf und machen Hotelgäste zu weiteren Dienern. Je nachdem, wie der Spielleiter das Abenteurer aufzieht, kann das Finale dann sehr actionreich und pulpig werden. Auch hier steht die Einsteigerfreundlichkeit vor Innovation, und Neulinge können sicherlich einige Stunden Spaß in dem mysteriösen Motel erleben.

Bei „Bleibende Verbindungen“ hat ein trächtiges Byakhee seine Eier in dem Springbrunnen einer wohlhabenden Familie abgelegt. Diese hält das wilde Durcheinander aus umgestürzten Statuen und Rissen im Brunnen für Vandalismus und drängt auf eine rasche Aufklärung. Die Untersuchungen zeigen den Investigatoren, dass sie es mit mehr als mutwilliger Zerstörung zu tun haben. In einer beeindruckenden Szene bricht die harte Schale eines der Eier und das Baby eines Byakhees erblickt das Licht unserer Welt – und ist dem Schutz der Investigatoren ausgeliefert. Zu allem Überfluss kommt die Mutterkreatur zurück, um sich um ihre Brut zu kümmern. Für die Investigatoren stellt sich nun die spannende Frage, wie sie mit der Mythosbrut und der aufgebrachten Mutter umgehen. Das inspirierende und emotionale Thema sowie die Handlungsfreiheit des Abenteuers klingen noch einige Zeit nach dem Abschluss nach und machen es für mich zum herausragenden Abenteuer des Bandes.

In „Nie wieder Schwarz“ ist eine neue Droge in der Stadt, die Süchtigen Einblicke in die Vergangenheit oder die Zukunft verschafft. Einer der Drogentoten ist ein Bekannter der Investigatoren. Diese folgen den verschiedenen Spuren zu einem zauberkundigen Dealer, der die Droge aus dem furchtbaren Blut von Yibb-Tstll produziert. Ein gutes Detektivabenteuer, das die Investigatoren eher gradlinig wie an einer Perlenschnur voran zum Finale in einem alten Schlachthaus führt.

Die fünf Abenteuer des 160- seitigen Hardcover-Bandes sind hervorragend aufbereitet und mit zahlreichen Karten und Erklärtexten ausgestattet, die neue Spielleiter sehr gut an die Hand nehmen. Die Handlungselemente der Abenteuer sind gezielt für Einsteiger konzipiert und dennoch keine leichte Spaziergänge. Jedes einzelne bietet neue Herausforderungen und Geheimnisse, wobei für mich „Bleibende Verbindungen“ heraussticht. Die hohe Einsteigerfreundlichkeit wird durch zehn vorbereitete Investigatoren am Ende des Bandes unterstützt, mit denen direkt losgespielt werden kann.

Fazit: „Pforten in die Finsternis“ ist ein empfehlenswerter Abenteuerband für „Cthulhu“, der sich mit fünf verschiedenen Abenteuern an beginnende Spieler und Spielleiter richtet, aber auch für erfahrene Gruppen spannende Themen bietet. Dabei sind die zahlreichen Hinweise, Erklärtexte und Skizzen für neue Spielleiter vorbildlich und erleichtern die Präsentation am Spieltisch. Darüber hinaus besticht der 160-seitige Hardcover-Band durch seine edle Aufmachung. Ein idealer Startpunkt für den Sprung in die Finsternis des „Cthulhu“-Rollenspiels.

Pforten in die Finsternis
Abenteuerband
Christopher Smith Adair, Glynn Owen Barrass, u.a.
Pegasus Press 2019
ISBN: 9783957892355
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

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