Havalandi

Das Wort „Havalandi“ sagte mir erst einmal gar nichts. Und da meine Fremdsprachkenntnisse doch beschränkt sind, vertraute ich mich einem Übersetzer an. Und siehe da: Der türkische Ausdruck kann soviel bedeuten wie ‚in der Luft‘. Und was würde zu einem Brettspiel mit Ballon-Thema besser passen?

von Oli Clemens

Bei „Havalandi“ möchtest du durch geschicktes Platzieren deiner Ballons möglichst viele Punkte erspielen. Das klappt vor allem dann, wenn du ganze Flotten davon gleichzeitig in den Himmel steigen lässt, die sich über verschiedenfarbige Regionen erstrecken. Bis zu vier Personen können gleichzeitig an dem luftigen Wettbewerb teilnehmen.
Der Spielplan erinnert mich jedes Mal optisch aufs Neue an das Uralt-Computerspiel Q-Bert. Das liegt an dem pyramidenhaften Aufbau und den Waben, mit dem er gestaltet ist. Vorsicht: Ihr könnt auf beiden Seiten spielen. Für eure ersten Partien wählt ihr aber das Layout mit nur einem Schotterweg. Alle bekommen das Spielmaterial einer Farbe. Das sind vor allem Ballonmarker aus Pappe und etwas, um Punkte anzuzeigen.

Ihr spielt im abwechselnd im Uhrzeigersinn. Es geht immer damit los, dass ihr das Luftschiff, das sich um die Pyramide bewegt, versetzt. Nutzt dazu einen Würfel und schreitet das Ergebnis an Feldern weiter. Um ehrlich zu sein fühlt sich eine Roll-and-Move-Mechanik heute immer ein bisschen antiquiert an, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass man die Bewegung des Luftschiffs, und somit auch die eigene Strategie, nicht vorhersehen kann.

Dort, wo die Bewegung endet, kann ich nun einen Ballonmarker einsetzen. Mir stehen alle freien Felder auf einer der beiden Sichtlinien des Luftschiffs zu Verfügung. Entweder müssen sie von dort in einer direkten Linie erreichbar sein, oder sie dürfen an einen schon bereits gelegten eigenen Ballon innerhalb der gleichen Hintergrundfarbe andocken. Im Anschluss habe ich immer direkt die Möglichkeit, eine Gruppe von Ballons aufsteigen zu lassen, die auf irgendeine Weise den beigen Schotterweg berühren. Im Spiel bedeutet das, die bereits eingesetzten Marker auf ihre Rückseite umzudrehen.

Das war es auch schon an Hauptmechaniken. Das lernt man schnell. Wie man aber effektiv Punkte macht, kann ein bisschen dauern, denn „Havalandi“ schenkt mehr strategische Tiefe als man so auf den ersten Blick denkt. Und auch die Interaktion kommt nicht zu kurz, denn ich kann meinen direkten Gegnern schon den Platz auf dem Spielfeld ganz schön eng machen. Gut, dass es dafür die drei Sonder-Ballons gibt, mit denen man andere Marker mitbenutzen, einen zusätzlichen Ballon legen oder einfach einmal freie Wahl beim Platzieren hat. Ist dieses regelbrecherische Trio aber aufgebraucht, war es das mit Sondervorteilen.

Punkte bekommst du immer dann, wenn Ballone aufsteigen, sich eine Gruppe von mindestens drei Ballonmarkern in dem gleichen Farbbereich berühren oder du einen Ballon neben einem aufgedruckten Pavillon-Gebäude errichtest. Alles, was du erreichst, wird direkt auf der Punkteleiste festgehalten. Außerdem prüfst du ganz zum Ende des Spiels noch, wie gut du die beiden Bedingungen der offenen Endwertungskarten erfüllst. Von denen gibt es insgesamt 7 unterschiedliche. Sie belohnen dich für diverse Anordnungen auf dem Spielplan, wie etwa die Summe aufgestiegene Ballons am Spielfeldrand, wenn du Spielfeldränder miteinander verbindest oder du es schaffst, vier Pavillons miteinander zu verbinden. Anfänglich hat man diese Endbedingungen gar nicht so im Blick, aber nach ein paar Partien schafft man es immer besser, auch diese Punkte abzugreifen.

Gespielt wird übrigens solange, bis alle den letzten eigenen Ballon gesetzt haben. Dann werden noch die letzten Punkte verteilt, und aus ist eine Partie „Havalandi“ nach etwa 45 Minuten, gerne auch früher.

Das Material ist aus megadicker Pappe, das Luftschiff, das den Spielplan umrundet, ein schöner Hingucker. Alles ist insgesamt optisch sehr ansprechend und farbenfroh gestaltet. Es braucht aber vielleicht ein bisschen, bis man sich in die Linien eingesehen hat, die das Luftschiff zum Einsetzen der eigenen Marker vorgibt, insbesondere wenn auf dem Spielfeld schon viel los ist.

Beim Lesen und Verstehen der Regeln habe ich mich anfänglich etwas schwer getan. Zwar ist die Anleitung gut strukturiert und mit Beispielen illustriert, aber das Konzept des Platzierens der eigenen Ballons forderte mit den Begriffen Sichtlinien, Regionen, Gruppen und Flotten meine ganze Konzentration. Dabei ist es absolut easy, wenn euch jemand die Regeln mündlich runterbrechen kann. Spielen übrigens nur zwei Personen mit, blockt man einzelne Felder des Spielplans mit einer neutralen Spielfarbe. Dann wird das Spiel etwas statischer, dafür aber punkteträchtiger. Insofern ist das eigentlich ein gutes Argument, „Havalandi“ gleich zu dritt oder zu viert zu spielen.

Fazit: „Havalandi“ ist ein farbenfrohes Familienspiel mit leichten Regeln, das mit einem großen Anteil an Taktik und Strategie überrascht. Dann können auch Leute, die sich im Bereich Kenner- und Expertenspiel wohlfühlen, gerne mal Lust am Punktesammeln bekommen. Wohin ich meine Ballon-Marker platziere, kann tatsächlich beim Aufsteigen über Sieg und Niederlage entscheiden. Also einfach mal rein in den Korb und eine Probefahrt machen.

Havalandi
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren
Reiner Knizia  
Edition Spielwiese 2023
EAN: 4250231737176
Sprache: Deutsch
Preis: 29,99 EUR

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