Pan’s Island

Wenn Literatur und Gesellschaftsspiele aufeinander treffen, bin ich stets sehr neugierig. Der Schotte J. M. Barrie hat mit Peter Pan eine Romanfigur erschaffen, die niemals erwachsen werden wollte. Jetzt gibt es eine neue Brettspielumsetzung des Themas. Scheinbar hat Captain Hook mit seinen finsteren Plänen wieder Unruhe ins Nimmerland gebracht.

von Oli Clemens

„Pan’s Island“ ist ein kooperatives Familienspiel, bei dem alle ein Team bilden und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, aber nicht alle die gleichen Informationen haben. Wir schlüpfen in die Rollen von Peter Pan und Wendy, der liebevollen Elfe Tinker Bell sowie Lily, John und Michael. Unser Ziel ist es, die „Verlorenen Kinder“ aus den Händen von Captain Cook zu retten. Diese hat der alte Schürhaken auf der Insel Nimmerland versteckt. Vor ihm müssen wir natürlich stets auf der Hut sein. Gehen wir ihm also am besten aus dem Weg.

Unser Spielplan zeigt eine Karte von Nimmerland in einer comichaften Schönheit, und die Blicke beginnen gleich die detailreiche Landschaft zu scannen. Da gibt es Satyre und Statuen zu entdecken, Meerjungfrauen planschen in der Lagune, und tief im Wald versteckt befindet sich das Lager der Verlorenen Kinder. Da wurde das phantastische Setting optisch ganz nach den Romanvorgaben umgesetzt. Alles ist in kräftigen Farben dargestellt und überzeugt durch eine hohe Detaildichte. Es gibt viel zu entdecken, und Nimmerland lädt einfach zum Träumen ein.

Der besondere Clou des Spielplans ist es übrigens, dass wir während der Partie auf ihm malen und zeichnen werden! Deswegen ist er so gestaltet, dass er leicht abwischbar ist, auch ohne den Einsatz von Wasser. Da reicht ein normales Stück Küchenkrepp oder die kleinen Schwämmchen auf dem Stiften in der Schachtel.

Jede Person wählt nun eine Romanfigur. Ob Peter, Wendy oder die anderen - entscheidet nach Sympathie oder Farbenpräferenz. Passend dazu gibt es eine Spielfigur für den Nimmerland-Spielplan. Stellt diese auf die markierte Startposition. Dann erhältst du ein eigenes Spieltablau, einen farblich passenden Stift und einen Gefahrenmarker. Außerdem bastelt man sich sein eigenes Notizbuch zusammen. Das zeigt einen Ausschnitt der Insel und wird in eine Kunststoff-Hülle eingeschoben. Die wirkt wie eine Schablone und ist ebenfalls abwaschbar. Dieser Akt ist nichts für Grobmotoriker. Du musst ganz schön schieben und drücken, bis alles in der Hülle seinen Platz gefunden hat. Das fertige Notizbuch bleibt übrigens vor neugierigen Augen deiner Mitspieler verborgen. Nur du kennst den Ausschnitt der Insel, der dort abgebildet ist.

Mit deinem Stift markierst du nun gleich in dem sichtbaren, bunten Bereich der Insel geheim den Platz, an dem eines der verlorenen Kinder versteckt sein wird. Vorgaben hast du nicht, du kannst wirklich frei wählen. Du weißt aber, wo sich Captain Cook herumtreiben wird. Das wird durch Kreise dargestellt. Geht dem Schurken wirklich aus dem Weg. Trifft man nämlich bei der Suche nach den Kindern zu oft auf den schrecklichen Piraten, endet „Pan’s Island“ in einer Niederlage.

Die Person rechts von dir muss sich dann auf die Suche nach dem Kind machen, das du versteckt hast. Weil du aber auch rechts von jemandem sitzt, erfüllst du während einer Partie „Pan’s Island“ gleich zwei Rollen. Im Wechsel suchst du einmal aktiv und einmal bist du quasi ein Fremdenführer der Insel, der seinen rechten Mitspieler über die Insel lotst. Für diese Schnitzeljagd nutzt ihr die sogenannten Visitenkarten. Diese legt ihr an dem Spieltableau der Person an, die euer Kind suchen wird. Die Karten bieten eine von zwei Infos. Entweder sagen sie dir, in welche Richtung du dich aufmachen solltest, indem sie ein Detail der Insel zeigen, oder sie sagen, wie weit du unterwegs sein solltest. Dabei ist es aber entscheidend, wie ich die Karte an dem Playerboard der Person rechts von mir anlegen werde. Dort sind Hände aufgedruckt, die eine Skala abbilden. So wie ich eine Visionskarte anlege, möchte ich damit ausdrücken, ob der Tipp richtig gut sein wird oder eben genau das Gegenteil. Beispielsweise kann eine Karte mit der Entfernung „zwei Meilen“ aussagen, dass dein Ziel nah ist. Also bewege dich folglich nicht weit. Es kann aber auch bedeuten, dass dein Ziel ist noch weit entfernt, also mach Strecke! Objektiv richtig oder falsch gibt es bei Auslegen nicht, es ist also eine Frage, wie mein Mitspieler meine Information interpretiert. Was mir logisch erscheint, muss nicht zwangsweise im Kopf der anderen Person ans Ziel führen. Und Reden ist natürlich nicht erlaubt. Das macht „Pan’s Insel“ eigentlich zu einem Kommunikationsspiel mit Abenteuerthema. Über einen Gefahrenmarker teile ich meinem Mitspieler außerdem noch mit, wie nah sich das versteckte Kind an einer Stelle befindet, an der wir auf Captain Cook treffen können.



Ausgerüstet mit dieser Information macht sich jetzt mein Mitspieler auf die Suche des Kindes. Dazu stehen im Kern die Aktionen „Bewegen“ und „Suchen“ zu Verfügung. Beim Bewegen legst du eine Schablone an die aktuelle Position deiner Spielfigur auf der Insel an. Zeichne dann in eine Richtung deiner Wahl einen Weg über die Insel ein, auf dem du dich bewegen wirst. Ein X markiert deine neue Position. Natürlich nutzt du dabei die verschlüsselten Visionen, die du bekommen hast. Einfach mal drauflos latschen, führt dich garantiert nicht ans Ziel. So entsteht langsam ein Netzwerk an Strichen Linien und Markierungen auf der Insel.

Mit der Aktion Suchen kannst du nun in einem Radius die Insel abklappern, um herauszufinden, ob dein Mitspieler sein Kind dort versteckt hat. Dazu zeichnest du mit der zweiten Schablone einen Kreis um deine Figur. Dazu wird die Fläche, die nun markiert wurde, mit der Markierung auf dem Notizbuch abgeglichen. Gibt es eine Schnittmenge, ist das Kind gefunden. Ist die Suche erfolglos, muss eben in einem weiteren Zug weiter geforscht werden. Immerhin wollen wir ja alle vier versteckten Kinder aus den Klauen von Captain Hook retten. Apropos Hook! Gibt es in unserem Suchradius Übereinstimmungen mit den Hook-Kreisen auf dem Notizbuch der Person, die das Kind versteckt hat, müssen wir auf dem Spielplan auf einer Leiste Kreuzchen setzen. Runtergebrochen ist das eine Art Lebensleiste. Haben wir alle Leben eingebüßt, bevor wir die vier Kinder gefunden haben, triumphiert der Captain. Wir haben dann gemeinsam verloren.

Um mit der Hook-Plage ein bisschen besser umgehen zu können, haben die Spieler noch die Aktion „Lager aufschlagen“. Dann zeichnet man eine Art Schutzradius auf der Karte, der die Bedrohung durch den Captain in diesem Bereich negiert. Außerdem hat jeder Charakter eine besondere Fähigkeit, die beliebig oft eingesetzt werden kann. Peter Pan enttarnt beispielsweise den Captain, und Tinker Bell kann extrem weit reisen. Natürlich können auch Wendy und die anderen ihre Superpower jederzeit gewinnbringend einsetzen.

Gelingt es uns, alle vier Kinder zu retten, haben wir gewonnen. Das dauert so ein knappes Stündchen. Wer Lust darauf hat, noch mehr auf der Insel Nimmerland zu erleben, auf die wartet der Abenteuer-Modus. Dann kommen besondere Spielkarten zum Einsatz. Je nach Ausgang eines Abenteuers machen diese dann eine nächste Herausforderung leichter oder schwerer.

Das Material, mit dem wir „Pan’s Island“ spielen dürfen, hat einen großen Aufforderungscharakter. Alles ist farbenfroh und bunt im Comicstil gestaltet, und von überall her strahlt gute Laune. Selbst Cook flößt mir optisch keine Angst ein. Die Visionenkarten liegen in einem Kartenhalter und die passenden Stifte findest du auch in der Schachtel. Diese haben sogar oben einen kleinen Schwamm, mit dem man seinen eigenen Markierungen wieder wegwischen kann. Die wenigen Spielregeln sind schnell gelesen und erklärt. Beispiele in der Anleitung verdeutlichen konkrete Situationen, sodass man jederzeit nachschlagen kann, wenn man sich unsicher ist. Das passt wirklich haargenau zu einem Familienspiel.

Jedoch hat sich bei unseren Runden ein wirkliches Problem aufgetan, und das hat mit den Farben und den Stiften zu tun. Die Striche und Markierungen, welche die Stifte hinterlassen, sind fast nicht zu erkennen. Ein grüner Stift über grünem Wald geht optisch unter, ein blauer Strich auf Wasser ebenso. Da fehlt meinen bebrillten Augen der Kontrast. Dazu kommt, dass bereits eingezeichnet Markierungen unfreiwillig verloren gehen, weil sich die Linien eben auch durch die aufgelegten Hände und die Schablonen wegwischen. Da können die Stifte das Spielprinzip nicht wirklich tragen. Schlecht für meine Spielmotivation, denn die hat wirklich darunter gelitten. Mir würde helfen, wenn die Stifte leuchtendere Farben hätten und die Markierungen haltbarer wären.

Fazit: Eine Suche auf einer Insel mit Schablonen, dazu eine literarische Grundlage? Das kennen wir schon aus dem Kennerspiel „Treasure Island“. Aber das ist okay, denn „Pan’s Island“ bricht die Spielidee ganz wunderbar auf ein Familienspielniveau herunter, bei dem auch Kinder ab 8 Jahren eine optisch hinreißende Spielwelt entdecken dürfen. Für die nächste Runde suche ich mir aber kräftigere Folienstifte aus und stöbere im Abenteuer-Modus über die Insel.

Pan’s Island
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler ab 8 Jahren
Marc Paquin
Pegasus Spiele 2023
EAN: 4250231735356
Sprache: Deutsch
Preis: 43,99 EUR

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