Ein ruhiges Jahr

„Nach langem Krieg habt ihr die Schakale endlich zurückgeschlagen. Es bleibt euch ein ruhiges Jahr des Friedens, um euch zu erholen. Hier und heute habt ihr die Chance, euch gemeinsam etwas aufzubauen.“ Ein Teaser, der Großes verspricht, und das in der sogenannten „Kleinen Reihe“ des System-Matters-Verlags. Kann „Ein ruhiges Jahr“ sein Versprechen einlösen?

von Jens Krohnen

In der sogenannten „Kleinen Reihe“ veröffentlicht der System-Matters-Verlag Spiele, die man wohl am ehesten als Indie- oder Erzählspiele definieren kann. Auch „Ein ruhiges Jahr“ aus der Feder von Avery Alder macht hier keine Ausnahme und setzt auf eher narrativ ausgelegte Regeln. Dabei ist die Materialliste, die zum Spielen benötigt wird, durchaus umfangreich. Neben den üblichen Stiften und Würfeln bedarf es auch noch eines Kartenspiels sowie genügend Zeichenmaterial. Denn die Spieler werden im Laufe ihrer Geschichte viel skizzieren müssen.

Worum aber geht es? Wie schon der Klappentext verrät, übernehmen die Spieler die Rollen einer Gruppe von Überlebenden, die ein Jahr vor sich haben, um einen sicheren und ruhigen Hafen für sich und ihre Begleiter zu errichten. Das Setting wird dabei nicht näher definiert, doch liegt es nahe, etwas eher Postapokalyptisches hinter dem Klappentext zu vermuten. Vor diesem Hintergrund erschaffen die Spieler nun gemeinsam eine Gemeinschaft, die sich um den Wiederaufbau der Zivilisation bemüht. Doch gleichzeitig übernehmen sie auch die Gefahren der Umwelt, die der Gemeinschaft Steine in den Weg legt.

Jeder Spieler kann verschiedene Aktionen durchführen. Er kann die Gruppe ein langfristiges Projekt starten lassen – beispielsweise die Instandsetzung eines Schiffes, den Bau eines Kornspeichers oder ähnliches, er kann neue Fakten erschaffen, denen sich die Gruppe stellen muss, oder aber die Entscheidungen anderer Spieler zu einer Diskussion führen. Neben den Aktivitäten der Spieler gibt es auch noch einen Zufallsmechanismus – das oben bereits angeführte Kartenspiel –, der neue Schwierigkeiten, Probleme oder auch Vorteile von außen ins Spiel bringt. Schlechtes Wetter, andere Überlebende oder neue Motivation können so die Handlungen der Gruppe beeinflussen. Das Spiel ist in vier Phasen – genauer, die vier Jahreszeiten – unterteilt und endet automatisch, wenn im Winter die „Frosthirten“ erscheinen und die Überreste der Zivilisation hinwegfegen. Der besondere Clou bei „Ein ruhiges Jahr“: Nicht nur das Dorf der Gemeinschaft, sondern auch alle anderen Fakten, Personen, besondere Orte oder Schwierigkeiten werden von der Gruppe auf einer Landkarte festgehalten, die sie selbst skizzieren. So entsteht eine bildliche Geschichte des Spiels, die eine wunderbare Erinnerung an vergangene Spielrunden darstellt.

„Ein ruhiges Jahr“ ist damit auf seine Art ein sehr besonderes Spiel, allerdings erfordert es auch eine erzählfreudige und kreative Gruppe, um die Schwierigkeiten der Gemeinschaft nicht nur zu meistern, sondern auch erst einmal ins Rollen zu bringen. Da „Ein ruhiges Jahr“ zwar von einem Spieler moderiert, nicht aber im „klassischen“ Sinne geleitet wird, sind alle Spieler gleichermaßen gefragt, etwas zur Entwicklung der Handlung beizutragen. Das mag für manche Spieler abschreckend wirken. Dafür funktioniert „Ein ruhiges Jahr“ zugegebenermaßen auch hervorragend mit kleineren Gruppen und eignet sich damit vielleicht auch als ideale Alternative für einen Spieleabend, an dem nicht die ganze Gruppe anwesend sein kann.

Handwerklich ist „Ein ruhiges Jahr“ wieder sehr ansprechend gelungen. Das Büchlein wirkt stabil, ist vollfarbig gedruckt und wirklich reichhaltig und sehr stimmungsvoll illustriert. Wiederum hat Axel Weiß, mittlerweile eine Art „Haus- und Hofillustrator“ des Verlages, einige Bilder beigesteuert. Doch auch die großformatigen Bilder, die die Kapitel einleiten und aus öffentlichen Quellen stammen, fügen sich gut in das Gesamtbild ein. Technisch gibt es damit nichts zu meckern.

Fazit: „Ein ruhiges Jahr“ ist vielleicht kein Spiel für jede Spielrunde, setzt es doch von allen Beteiligten die gleiche Erzählfreude voraus. Wer sich aber darauf einlassen kann, erhält ein Erzählspiel mit eingängigen Regeln, einem interessanten Setting und einem Mechanismus, der wunderbare Erinnerungen schaffen wird. Empfehlenswert.

Ein ruhiges Jahr
Grundregelwerk
Avery Alder, Tina Trillitzsch u. a.
System Matters Verlag 2018
ISBN: n. a.
72 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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