Die Schwarze Katze – Regelwerk

Crowdfunding ist heutzutage das Mittel der Wahl, wenn man als Verlag herausfinden möchte, wie groß die Resonanz der Spielerschaft auf ein neues Produkt wohl sein könnte. Kein Wunder also, dass Ulisses auch für „Die Schwarze Katze“ den Weg über die Community genommen hat. Mit „Die Schwarze Katze“ liegt immerhin eines der seltenen Spin-Offs aus dem „Das Schwarze Auge“-Universum vor. Werfen wir doch einmal einen Blick auf diese Vierbeiner.

von André Frenzer

Jens Ullrich ist in der Rollenspielszene längst kein Unbekannter mehr. Nach einigen Arbeiten für verschiedene Verlage und nicht zuletzt einem großen Backkatalog für die deutsche Ausgabe von „Shadowrun“ arbeitete er zuletzt immer wieder an verschiedenen Projekten für „Das Schwarze Auge“ mit. Neben Regional- und Abenteuerbänden betreute er auch das Grundregelwerk der 5. Edition mit. Als er – von einer plötzlichen Inspiration getroffen – ein kurzes Exposé mit einem Katzen-Spin-Off beim Verlag einreichte, hatte man glücklicherweise ein offenes Ohr. Eine intensive Vorbereitungs- und Testphase sowie ein erfolgreiches Crowdfunding später können wir nun das Ergebnis seiner Arbeit inspizieren.

„Die Schwarze Katze“ ist ein eigenständiges und vollständiges Rollenspiel in der Welt des „Schwarzen Auges“. Genauer verortet ist es in Havena, jener mit unheimlichen Geheimnissen angefüllten Hafenstadt, die nicht nur eine der ersten ausführlicher beschriebenen Regionen Aventuriens darstellt, sondern auch selbst vor Kurzem mithilfe eines eigenen Crowdfundings detailliert vorgestellt wurde. Hier schlüpfen die Spieler nun in das Fell von Katzen. „Der gestiefelte Kater in Aventurien“, ist dabei die Beschreibung, die Ullrich selbst für sein Spiel wählt. Denn die Katzen in „Die Schwarze Katze“ sind sogenannte „Erwachte“, intelligente, aufrecht gehende Katzen, die – verborgen vor den Augen der Menschen – eine eigene Gesellschaft haben, Handel treiben, Liebe und Leid kennen und gefahrvolle Abenteuer erleben.

Das Buch beginnt auch dann mit einer umfangreichen Beschreibung von Havena aus der Sicht dieser erwachten Katzen. Dabei werden nicht nur die Stadtviertel und Örtlichkeiten von besonderem Interesse beschrieben, sondern der Leser lernt auch gleich einige der wichtigen Persönlichkeiten der Stadt kennen. Don Gato beispielsweise kontrolliert mit seiner Bande den Hafen – und damit den Ort, an dem es den leckersten Fisch zu holen gibt. Doch auch der Mäusemarkt oder der Schwarze Spiegel – wie die Katzen das Meer nennen – sind interessante Orte. Finster wird es in der Unterstadt und in der Kanalisation, in der die als Tieflinge bekannten Katzen einen ewigen Krieg gegen Ratten führen. Interessant am Hintergrund ist auch das Kapitel über die Glaubens- und Weltsicht der Katzen. Die Erwachten berufen sich nämlich nicht auf Götter im menschlichen Sinne, sondern auf verschiedene Ahnväter und -mütter, die allerdings wiederum durchaus Ähnlichkeit mit dem zwölfgöttlichen Pantheon aufweisen.

Die Regeln für „Die Schwarze Katze“ sind umfangreich und ausführlich beschrieben. Sie ähneln in Funktion und Umfang denen des „Schwarzen Auges“. Auch hier setzen sich Charaktere aus Attributen und Fertigkeiten zusammen und ähnlich wie beim menschlichen Verwandten gibt es für neue Charaktere Vor- und Nachteile zu erstehen. Die Proben werden ebenfalls mit einem zwanzigseitigen Würfel abgehandelt und wie in der 5. Edition des „Schwarzen Auges“ spiegelt das Probenergebnis verschiedene „Qualitätsstufen“ wider, die wiederum den genauen Ausgang der Probe beeinflussen. Einzig die Fertigkeitsprobe unterscheidet sich merklich, werden bei „Die Schwarze Katze“ doch nicht drei verschiedene Attribute geprüft, sondern nur zwei; außerdem versteht sich der Probenwert kumulativ und nicht einzeln betrachtet, wie bei „Das Schwarze Auge“. Auch im Kampf gibt es Unterschiede, denn „Die Schwarze Katze“ kennt keine aktive Parade. Stattdessen wird der Verteidigungswert direkt vom Angriffswert des Attackierenden abgezogen. Nichtsdestotrotz dürften sich Spieler des „Schwarzen Auges“ direkt heimisch fühlen.

Neben diesen grundlegenden Regeln sind Zaubersprüche, sogenannte „Ahnengaben“ für magisch begabte Katzen enthalten. Diese „Ahnenkinder“ genannten Charaktere sind besonders von den Ahnen gesegnet. Die Zaubersprüche sind allesamt allerdings eher von nützlicher Art und kaum übermächtig zu nennen. Damit fügen sie sich jedoch gut in das Setting ein. Außerdem gibt es noch – wie könnte es in Aventurien anders sein – einen Haufen Detailregeln für besondere Umstände, die Katzen so widerfahren können. Andere Schadensquellen, Tragkraft, Schwimmen, Verfolgungsjagden – hier wurden alle wichtigen Aspekte mit den passenden Regeln bedacht.

Ein umfangreiches Bestiarium findet sich im nächsten Kapitel. Spätestens hier wird deutlich, dass „Die Schwarze Katze“ in anderen Dimensionen als „Das Schwarze Auge“ denkt. Ottern, Mäusen und Wachhunden werden sonst kaum seitenlange Vorstellungen gewidmet – hier aber sind es die Gegner, gegen die die Erwachten häufig zu kämpfen haben. Besonders interessant im Bestiarium sind allerdings die Geister: immerhin ist Havena voll davon und spätestens im Zuge der Großen Flut sind viele ruhelose Seelen dazugekommen. Die Katzen können diese Geister nicht nur wahrnehmen, sondern auch mit ihnen interagieren. Ein umfangreicher „Geisterbaukasten“ erlaubt es angehenden Spielleitern, diese Wesen auf die Bedürfnisse seiner Abenteuer und seiner Spielgruppe maßgerecht zuzuschneiden.

Abgerundet wird das Grundregelwerk von Ausrüstungslisten, einigen Geheimnissen rund um Havena für den Spielleiter sowie einigen Kapiteln, die sich dem Spielen von Katzen widmen. Außerdem wird auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen „Das Schwarze Auge“ und diesem Spin-Off eingegangen sowie Verknüpfungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Optisch macht „Die Schwarze Katze“ richtig was her. Während sich das Layout im Großen deutlich am Stammvater „Das Schwarze Auge“ orientiert, sind die Illustrationen natürlich (fast) allesamt neu angefertigt. Auch „Die Schwarze Katze“ erscheint vollfarbig und reichhaltig bebildert. Gerade Katzenfreunde kommen hier natürlich voll auf ihre Kosten und die verschiedenen Rassen und Klassen der havenaschen Katzengesellschaft sind hervorragend getroffen. Auch die Bebilderung des Bestiariums und insbesondere des Geisterkapitels weiß mit Qualität zu überzeugen. Die großformatige Havena-Karte, auf der die für Katzen interessanten Orte eingezeichnet sind, begeistert ebenfalls. Technisch und gerade optisch habe ich damit nichts zu beanstanden.

Fazit: Es gibt einige Katzenrollenspiele auf dem Markt, doch keines wie „Die Schwarze Katze“. Dieses System versucht gar nicht erst, „Katzen“ rollenspielerisch darzustellen, sondern öffnet eine interessante und reichhaltige Parallelwelt, in der Katzen deutlich vermenschlichter werden, als in vielen anderen Katzenrollenspielen. Wer sich damit anfreunden kann und mag, erhält ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Grundregelwerk in optisch opulenter Aufmachung. Wer lieber „echte“ Katzen spielen möchte, wird hier allerdings nicht fündig.

Die Schwarze Katze
Grundregelwerk
Jens Ullrich, Nadine Schäkel, Carolina Möbis u. a.
Ulisses Spiele 2019
ISBN: 978-3-96331-253-3
244 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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