Myranor - Das Güldenland

Vor einigen Jahren erschien nach langer Wartezeit die „Myranor-Box“ für „DSA“ und führte den Interessierten in das ferne und sagenumwobene Güldenland. Viele Kritikpunkte hinterließen damals allerdings einen faden Beigeschmack. Doch jetzt soll mit der überarbeiteten Neuausgabe alles besser werden ...

von Chris Sesterhenn

... und diese halte ich nun endlich in den Händen. Ein großer Unterschied wird schon zu Beginn deutlich: Während damals das Material in einer Box mit zwei Regelbüchern sowie Kartenmaterial geliefert wurde, liefert FanPro sein Machwerk diesmal in einer gebundenen Hardcover-Version mit integrierter und gut gefüllter Kartentasche (wie von anderen FanPro-Produkten schon bekannt). Im Gegensatz zu der Box ist die überarbeitete Neuausgabe kein eigenständiges Rollenspiel, sondern vielmehr ein Regionalband, welcher die Box „Schwerter & Helden“ benötigt. Entsprechende Hinweise werden auf und in dem Buch gegeben.

Trockene Fakten – die äußeren Werte:

Wie so oft im Leben, ist der erste Eindruck entscheidend. Nach meiner Ansicht liegt das Buch gut in der Hand. Die Verarbeitung sowie das Layout erfüllen die hohen FanPro-Standards. Die durchgehend schwarz-weißen Abbildungen werden stimmig in das Gesamtwerk integriert. Die Schriftart ist verhältnismäßig klein gewählt, aber ohne Schwierigkeiten zu lesen. Die präsentierten Abbildungen sowie das von der Box übernommene Titelbild sind in den meisten Fällen aus schon existierenden Myranor-Produkten bekannt und sorgen damit bei „alten Hasen“ für ein Gefühl der Vertrautheit.

Um was geht es überhaupt? – zum Inhalt:

Die Einleitung beinhaltet ein Vorwort von Christoph Daether und Michael Wuttke sowie Hinweise über das vorliegende Buch und andere Publikationen. Abgerundet wird sie von Informationen zum Schnellstart wie auch einer Einführung für Einsteiger zum Thema Rollenspiel. Grundlegend ist der Inhalt des Buches in zwei große Abschnitte unterteilt, welche durch unterschiedliche Zeichnungen in der Kopfleiste gekennzeichnet sind. Für meinen Geschmack dürfte sich diese sehr sinnvolle Abgrenzung auch auf den Seitenrand und sogar die einzelnen Kapitel ausweiten, um schon beim Blättern eine schnellere Orientierung zu ermöglichen. Die beiden Inhaltsblöcke orientieren sich an den beiden Büchern „Von Shindrabar nach Xarxaron“ und „Wege nach Myranor“ aus der „Myranor-Box“ und beinhalten ...

... Hintergrundinformationen:

Dieser Teil ist dem Überblick über den Kontinent mit seiner Geografie, Historie sowie den Kulturen und Rassen gewidmet. Hier werden die Informationen aus den wichtigsten bisher erschienenen Myranor-Produkten zusammengetragen und in einer übersichtlichen Art und Weise dem interessierten Leser präsentiert. Neueinsteiger erhalten auf diesem Weg auf gut gefüllten 100 Seiten einen tiefen und umfangreichen Einblick in die Spielwelt, während ein Myranor-Fan nur relativ wenig neue Informationen erhält. Dies halte ich für nicht weiter tragisch, da sowohl alte, als auch neue Informationen nun auch einmal in gebündelter Form verfügbar sind. Schwerpunkt der Hintergrundinformationen ist das „zweite Imperium“. Es wird mit seiner Hierarchie, seinen Ständen und seinen Provinzen mit den dortigen typischen Lebensweisen behandelt. Die weiteren Kapitel beschäftigen sich mit den Nachbarn sowie den fremden Völkern am Rande des Imperiums.

... Regeln:

Gut zwei Drittel des Werkes beinhalten die Regeln, welche auf die Spielwelt Myranor zugeschnitten sind. Für das Spielen wird mindestens das Grundregelwerk aus der Box „Schwerter und Helden“ benötigt. Die Kenntnis weiterer Regelwerke ist nicht zwingend erforderlich, aber meines Erachtens durchaus sinnvoll. Der Regelblock startet mit der Erschaffung eines myranischen Helden; zur Auswahl stehen eine Fülle an Rassen und Berufen. Die verfügbaren Rassen kennzeichnen sich durch wahre Rollenspiel-Exoten. So wird man beispielsweise Zwerge vergeblich suchen, dafür aber die katzenartigen Amaunir, die vierarmigen Neristu oder auch die geflügelten Ashariel in diesem Sammelsurium vorfinden. Die Rassen werden mit Informationen zu Herkunft und Verbreitung, Körperbau und Aussehen, Vermehrung und Alterung, Lebensweisen und Besonderheiten sowie der Mentalität vorgestellt.

Die für Myranor typischen Professionen werden mit ihren regeltechnischen Informationen auf insgesamt 40 Seiten vorgestellt. Neben den Standard-Berufen wie Jäger, Gaukler, Tagelöhner oder auch Seesöldner werden in Myranor Spezialisten wie Jharranevi, Wolkenspäher, Myrmidonen, BaLoa oder Eshbatischer Tempelgardist präsentiert. Die Liste der Vor- und Nachteile wird ebenfalls um myranische Aspekte erweitert. Hierzu zählen beispielsweise Aquatisches Lebewesen, Optimat, Schleuderzunge oder auch Flügellahm. Zur Übersicht werden in komprimierter Form die notwendigen Basisregeln zusammengefasst. Einige Myranor-Besonderheiten gilt es dabei zu berücksichtigen. Dies beruht insbesondere auf den neuen Rassen und kulturellen Hintergründen. Dieser Regelblock ist für mich ein sinnvoller  Ansatz. Um Verwirrungen zu vermeiden, will auch ich hier noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Grundregelwerk für ein reibungsloses Spielen zusätzlich benötigt wird.

Für mich besonders interessant war das Kapitel über die myranische Magie. In der „Myranor-Box“ gab es dazu gerade einmal knapp über zehn Seiten, auf denen das neue Magiesystem in (wie ich zumindest finde) sehr schwer verständlicher Form beschrieben wurde. In der Neuausgabe ist der Seitenumfang auf immerhin das Doppelte angewachsen. Ich finde die Beschreibungen deutlich verständlicher, auch wenn hier noch mehr Informationen für mehr Klarheit sinnvoll wären. Abgerundet wird das Gesamtwerk mit Abschnitten, welche sich eher an den Spielleiter richten. Dazu gehören insbesondere ein kurzer Einblick in die Flora und Fauna sowie Anhänge mit typischen Waren und Dienstleistungen, myranischen Namen oder auch vorgefertigten Archetypen. Das aufgeführte Lexikon ist für ein schnelles Nachschlagen sehr gut geeignet, könnte nach meinem Geschmack aber um eine Index-Funktion erweitert werden. Die Kartentasche hält eine Kopiervorlage für das Heldendokument (welches auch im Anhang selbst zu finden ist) und einfarbiges Kartenmaterial bereit.

Selbsttest – Erste eigene Erfahrungen:

Nach Studium der Hintergrundinformationen wage ich mich an die Erschaffung eines myranischen Helden. Das Prinzip der Generierungspunkte ist bekannt und somit kann es gleich ins Eingemachte gehen. Als Rasse wähle ich mir einen Pardir. Die spielrelevanten Informationen sind übersichtlich und schnell in das Heldendokument übertragen. Danach geht es an die Kultur: Hier soll es der halbwilde Söldner-Pardir sein. Bei der Auswahl der Professionen folge ich der Empfehlung und wähle erst einmal den Späher aus dem Bereich der Söldner. Nach Übernahme aller Modifikationen geht es an die Festlegung der Eigenschaften. Auch hier folge ich ohne Probleme dem aus dem Grundregelwerk bekannten Schema. In Verbindung mit der Wahl von Vor- und Nachteilen sowie der Talentwerte ergibt sich der übliche „Kampf“ mit den Generierungspunkten. Doch mit etwas Übung und Geduld kann auch diese Hürde genommen werden. Das Ableiten der Grundwerte, die Festlegung von Attacke und Parade sowie der obligatorische Einkaufsbummel runden den Generierungsprozess ab. Mit einigen Informationen zum Hintergrund und einem passenden Namen ist mein Pardir bereit, ins erste Abenteuer zu starten.

Mit Erscheinen der ersten Auflage wirkte das damals neue Regelsystem unausgegoren und erinnerte an einen überhasteten Schnellschuss. In der Zwischenzeit haben die Regeln einen wesentlich stabileren (und bekannteren) Status erreicht und werden auf jeden Fall strukturierter in der überarbeiteten Neuausgabe präsentiert. Nach meiner Einschätzung sollte auch ein Einsteiger (mit Kenntnis des Grundregelwerks) ohne große Schwierigkeiten einen myranischen Helden erschaffen können. Diesen ersten Praxistest hat die Hardcover-Version schon einmal gegen die „alte Box“ deutlich gewonnen.

Zuckerbrot und Peitsche – Pro und Contra:

An der Präsentation der Informationen gibt es – wie bei vielen FanPro-Produkten – nur sehr wenig zu kritisieren. Von kleineren Tippfehlern einmal abgesehen, bleiben kapitale Fehlgriffe aus. Im Vergleich zur „Myranor-Box“ wirkt die Neuausgabe durchdachter und klarer strukturiert. Insbesondere das gewählte Layout sowie die zahlreichen Abbildungen tragen zum gelungenen Gesamtbild bei. Selbst mit einem hinzugefügten Index kann und darf dieser Regionalband für Myranor nur der Auftakt sein. Ich persönlich wünsche mir auch weiterhin mehr Informationen zum Thema myranische Magie.

Für wen lohnt es sich? – meine Einschätzung:

Dank einer vorbildlichen Fan-Aktion wurde die überarbeitete Neuausgabe möglich. Auch wenn sich der Hintergrund Myranors gravierend von dem aventurischen unterscheidet, bleibt die Exotik das Markenzeichen. Eingefleischte Myranor-Fans erhalten mit diesem Werk eine solide Sammlung mit den wichtigsten Materialien aus den bisher erschienenen Produkten. Am meisten dürften aber Neueinsteiger davon profitieren. Es ist Myranor zu wünschen, dass verstärkt Aventurien-Fans einen Blick über den Tellerrand in das ferner Güldenland wagen.

Fazit: Mit der überarbeiteten Neuausgabe „Myranor – Das Güldenland“ präsentiert FanPro eine gelungene Ablösung der teilweise stark kritisierten „Myranor-Box“. Das Produkt bietet einen sehr guten Einstieg in die Welt von Myranor, auch wenn zusätzlich das Grundregelwerk erworben werden muss. Der exotische Hintergrund ist weiterhin nicht jedermanns Sache. Dennoch kann ich bei dem gebotenen Preis-Leistungs-Verhältnis den Erwerb nicht nur den eingefleischten Fans sondern auch allen Experimentierfreudigen nur empfehlen.

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH, www.fanpro.com und www.f-shop.de.


Myranor – Das Güldenland
Quellenband
Christoph Daether, Michael Wuttke, Thomas Römer u. a.
Fantasy Productions 2006
ISBN: 3-89064-294-2
310 S. (+ Kopiervorlagen und Handouts), gebunden, deutsch
Preis: EUR 45,00

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