Aventurisches Bestiarium

Zu jedem Rollenspiel-Grundregelwerk gehört üblicherweise auch ein Weltbeschreibung sowie ein Band zu den vor allem nichtmenschlichen Gegnern: Monstern, Tieren oder Dämonen. Und so ließ auch bei „Das Schwarze Auge“ ein „Bestiarium“ nicht allzu lange auf sich warten. Im ersten Band findet sich eine bunte Mischung aus besonderen Kreaturen, normalen Tieren sowie einige Regelweiterungen zum Themenkomplex.

von Ansgar Imme

Bei fünf Editionen sollte man meinen, dass es genügend Informationen zu Kreaturen, Dämonen, Feenwesen oder auch nur Tieren gibt. Und doch gehört zu einem neuen Regelwerk irgendwie auch ein „Monster-Handbuch“. Sei es, weil einfach die geänderten Regeln dies erfordern, aber natürlich auch, da immer wieder neue Spieler zu einem System finden und damit Bedarf an Informationen zu Gegnern der Charaktere besteht. Wenige Monate nach Erscheinen des Grundregelwerks erschien somit auch für die fünfte Auflage von „Das Schwarze Auge“ der passende Band. Frühzeitig wurde allerdings schon kommuniziert, dass wie bei anderen Regelbänden auch ein oder weitere Bände folgen würden. Über diese Veröffentlichtungspolitik geht die Meinung unter den Spielern weit auseinander, da für eine Vollständigkeit noch mehr Bände als schon bei der vorher umfangreichen vierten Auflage gekauft werden müssen.

Auf knapp 130 Seiten finden sich etwa 40 Kreaturen, Ungeheuer, Dämonen und besondere Wesenheiten sowie knapp 30 Tiere, die die Charaktere vor Herausforderungen stellen und ihnen Schwierigkeiten bereiten können. Dazu findet sich ein Anhang mit etwa zehn Seiten zu neuen Regeln und Ergänzungen wie neuen Vor- und Nachteilen und besonderen Regeln rund um Tiere und Jagd oder Krankheiten. Eine kleine Auswahl an Gegnern fand sich bereits im Regelwerk und wurde im Band „Aventurischer Almanach“ fortgesetzt. Hier wird eine größere Bandbreite präsentiert. Zu loben ist an dieser Stelle das Inhaltsverzeichnis, welches auf jedes Wesen einzeln mit Seitenangabe verweist und somit einen Mehrwert bietet, ganz im Gegensatz zu den Abenteuern, deren Inhaltsverzeichnisse meist nur aus drei Zeilen bestehen und weggelassen werden könnten.

Nach dem üblichen Vorwort gibt es eine kurze Zusammenfassung, wie die Kreaturenbeschreibungen aufgebaut sind und was die verschiedenen Abkürzungen bedeuten. Dazu werden im Anschluss spezielle Kampfsonderfertigkeiten von Tieren und/oder Ungeheuern vorgestellt und die regeltechnische Umsetzung erläutert. Dies erlaubt zwar ein höheres, spielerische Detailreichtum im Kampf und taktische Varianten, macht es aber am Spieltisch mit weiteren Regeln nicht einfacher. Die Regeln an sich sind verständlich und bilden Fähigkeiten bestimmer Wesen gut ab, sind dadurch aber auch teils kleinteilig und kompliziert.

Im Anschluss an die Einleitung geht es dann intensiv in die Beschreibung der Kreaturen. Der Aufbau ist jeweils einheitlich: Neben einer Illustration des Wesens folgen ein aventurischer Quellentext und dann allgemeine Informationen vor allem für den Spielleiter über die Gefahren und Besonderheiten des Wesens. Ein Abschnitt zur Verbreitung schließt sich an, also sowohl wo man diese Geschöpfe räumlich in Aventurien antreffen kann als auch wie häufig es zu einer Begegnung kommen wird. Unter dem Punkt Lebensweise erfährt man sowohl etwas zum Leben und der Entwicklung der Kreatur wie auch zum Auftreten gegenüber den Charakteren. Ein ausführlicher Werteblock über etwa eine halbe Seite, welcher auch Angaben zur Beute, Kampfverhalten, Wissen über das Wesen sowie Sonderregln enthält, schließt die Beschreibung schließlich ab.

Jede Kreatur erhält immer zwei Seiten für die gesamte Beschreibung inklusive Werte, wobei die zwei Seiten oft nicht ausgeschöpft werden, sondern eine halbe bis viertel Seite übrig bleiben. Hier hätte man noch einen Punkt „Abenteuerideen“ ergänzen können, um den Einbau für Spielleiter zu erleichtern. Unbedingt hervorzuheben sind bei diesem Hauptkapitel, aber auch bei den späteren Tieren die sehr guten bis teils wirklich herausragenden Illustrationen. Zwar wirkt die Pose oft nicht dynamisch, aber Farben, Licht und Schatten sowie Detailreichtum verschaffen dem Leser einen guten Einblick, wie das Wesen aussieht. Die Beschreibungen selbst geben einem alle Informationen, die man braucht, wenn nicht sogar zu viel Informationen. Durch diese Ausführlichkeit leidet am Ende die Menge, also die Anzahl der aufgeführten Gegner. Kritisch sehen kann man dabei sicherlich auch die Auswahl, finden sich doch mehrfach sehr seltene oder gefährliche Wesen, die für Neulinge in der Welt des „Schwarzen Auges“ eine zu hohe Herausforderung darstellen (Basilisk, Riesenlindwurm sowie einige Dämonen). Manches hätte besser in den zweiten Band gepasst, sodass man hier mehr gewöhnliche Gegner hätte beschreiben können.

Bei den Tieren beschränkt sich die Beschreibung auf eine Seite, wovon etwa die halbe Seite durch den Wertekasten eingenommen wird. Durch die Informationen zu Beute bei der Jagd, das spezielle Kampfverhalten oder die Sonderregeln werden diese durchaus aufgewertet, da man so auch Tiere und die Gefahr, die durch sie droht, noch passender darstellen kann. Hier wirkt die Mischung auch ausgewogener, sodass ein Einsatz am Spieltisch öfter vorkommen kann.

Der Anhang ist ein kleines Sammelsurium zuätzlicher Regeln und Ergänzungen in Verbindung mit Kreaturen und Tieren. Es werden besondere Vor- und Nachteile in Verbindung mit Kreaturen und Tieren beschrieben (z.B. Vorteil Drachentöter), die Beuteverwertung bei Erlegen eines Tieres erklärt und damit ob und welche Qualität man bekommt, das Kapitel bietet neue Krankheiten, stellt Schwarm-Regeln vor und erläutert Besonderheiten bestimmter Wesen wie Geister, Feen oder Untoten. Wer detaillierte Regeln mag, der wird seine große Freude an diesen Ergänzungen haben. Spieler mit weniger Freude an solchen Details werden die Seiten eher überblättern.

Fazit: Das Bestiarium beziehungsweise dessen erster Band bietet einen guten Überblick über mögliche besondere wie tierische Gegner in der Welt Aventurien zum Rollenspiel „Das Schwarze Auge“. Die Illustrationen sind gelungen und erlauben eine gute Vorstellung, was man zu erwarten hat. Die Auswahl der Wesen hätte manchmal besser sein können, und das Grundproblem der Verteilung über bereits jetzt mehrere Bände wird nicht gelöst. Abgesehen davon ist es ein schöner Band geworden, der bei keinem Spieler der aktuellen Regeledition im Regal fehlen sollte.

Aventurisches Bestiarium
Regelwerk
Dominic Hladek, Marie Mönkemeyer, Alex Spohr, Jens Ulrich (Red.)
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 9783957521163
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 27,95

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