Aventurische Rüstkammer

Was wäre ein Kämpfer ohne Schwert und Kettenhemd, ein Dieb ohne Dolch und Dietriche oder ein Magier ohne seinen Zauberstab und seine Robe? Neben dem Regelwerk, der Weltbeschreibung und dem „Monsterband“ hat der Ulisses Verlag auch eine eigene Spielhilfe zur Ausrüstung, Waffen und Rüstungen herausgebracht, um diese Lücke zu schließen.

von Ansgar Imme

Eine Spielhilfe zu Waffen und Rüstungen hat bei „Das Schwarze Auge“ mittlerweile Tradition. Die erste Spielhilfe erschien – als eher inoffizielle Spielhilfe – in 1993 noch bei Fantasy Productions, während damals „Das Schwarze Auge“ noch von Schmidt Spiele vertrieben wurde. Laut einem Interview mit Werner Fuchs (Mitgründer von Fantasy Productions und Miterschaffer von „Das Schwarze Auge“) war diese Spielhilfe das erfolgreichste Produkt von Fantasy Productions und verkaufte sich in sechsstelliger Auflagenzahl. Im Gegensatz zu früheren Editionen erscheint diese aber nicht zu späterer Zeit als Ergänzungsband, sondern wurde hier zeitnah nach dem Grundregelwerk herausgebracht. Dazu sollen zu den einzelnen Regionen ebenso eigene Rüstkammern mit regionalen Waffen und Rüstungen erscheinen. Somit bildet die „Aventurische Rüstkammer“ nur einen Überblick über die wichtigsten Waffen, Rüstungen und zusätzlich viele Ausrüstung ab.

Die „Aventurische Rüstkammer“ erscheint mit 160 Seiten in der üblichen Vollfarbigkeit und bietet etwa 45 Seiten zur Ausrüstung, 60 Seiten zu Waffen und Rüstungen sowie immerhin auch 50 Seiten mit ergänzenden Regeln wie einerseits Sonderregeln zur Waffen- und Rüstungsherstellung sowie deren Verschleiß und Reparatur als auch weitere Sonderfertigkeiten, Kampftechniken, Kampfstile, Trefferzonenregeln und einiges mehr. Ein detailliertes Inhaltsverzeichnis verweist auf jeden einzelnen Gegenstand, was die Auffindbarkeit natürlich erleichtert, zudem die Gegenstände auch alphabetisch sortiert sind.

Auf ein wie immer leider sehr allgemeines Vorwort, welches nur den Inhalt noch mal zusammenfasst (anstatt etwa Hintergründe der Designentscheidungen zu erläutern), folgen einige Seiten zur Erläuterung der Begriffe Regeln, Crunch und Fluff, Kompexitätsgrade der Regeln und wann man sie wie anwendet.

Beim Ausrüstungskapitel wird zunächst auf einer Seite erläutert, wie sich die Beschreibung zusammensetzt, wofür bestimmte Begriffe stehen und wie man diese bewertet sowie Regeln bei Gegenständen. Die Ausrüstungsgegenstände erhalten (meistens) jeweils eine Seite Beschreibung (seltener eine halbe) und eine durchgehend wirklich hervorragende Illustration. Neben einem kurzen aventurischen Quelltext findet sich einen Kommentar einer aventurischen Person sowie die regeltechnischen Werte wie Name, Gewicht, Strukturpunkte (zur Zerstörung), Preis und die Komplexität zur Herstellung. Ergänzt wird dies durch die Regeltechnik, die den Einsatz des Gegenstandes beschreibt und welche Proben damit erleichtert werden. Diese Regeln sind oft so kleinteilig und speziell, dass man sich fragt, was der Sinn dahinter sein soll und wer das braucht. Wer soll sich dies zudem alles merken? Bei jeder Nutzung eines Ausrüstungsgegenstandes ist ja ein Blick ins Buch notwendig, oder man muss auf dem Charakterbogen unzählige Notizen hinterlassen. Die fünfte Edition bietet wahrlich genug Regeln für verschiedene Bereiche, als dass man die Ausrüstung auch noch mit Regeln versehen müsste. Andererseits scheint von Spielerseite durchaus eine gewisse Nachfrage zu bestehen, sodass Verlag dem dann nachkommt.

Dazu fragt man sich, ob eine Seite Beschreibung für einen einzelnen Ausrüstungsgegenstand wirklich notwendig ist. Hier hätte auch eine halbe Seite locker ausgereicht (wie sie nur vereinzelt genutzt wird), zudem die aventurischen Kommentare auch nicht hilfreich sind, sondern nur Platz einnehmen und im besten Fall ein wenig Witz einbringen. Die eingesparten Seiten hätte man stattdessen für eine größere Auswahl an Waffen, Rüstungen und Gegenständen verwenden können. Die Auswahl der Ausrüstung ist zudem recht willkürlich gehalten und bietet vom Astrolabium über Handbeil, Dietriche, bekannte magische Bücher bis zum Zelt halbwegs interessante Zusatzinformationen. Mit beispielsweise Bratspieß, Unterhose, Parfüm oder Nudelholz sind allerdings auch Gegenstände enthalten, bei denen man sich wirklich die Sinnfrage stellt (für einen humorvollen Einschub sind es zuviele davon) und an das berühmt-berüchtigte „Handelsherr und Kiepenkerl“ erinnert fühlt, in dem sogar Feldfrüchte beschrieben wurden.

Im Waffen- und Rüstungen-Kapitel folgt zunächst auch eine Einleitung mit regeltechnischen Hinweisen, die sich etwa auf Elfen- und Zwergenwaffen oder Besonderheiten bei einhändiger Führung von Zweihandwaffen beziehen. Dann werden als erstes die verschiedenen bekanntesten Nahkampf-Waffen vorgestellt, die man aus vielen Jahren „Das Schwarze Auge“ kennt: Vom Amazonensäbel über Dschadra, Jagdspieß, Kriegshammer, die legendäre Ochsenherde bis Zwergenschlägel ist eine große Bandbreite vorhanden, um den Spielern eine ausreichende Auswahl für verschiedene Kampffertigkeiten zu bieten. Die Beschreibung ist analog zu den Ausrüstungsgegenständen, wobei hier dagegen jeweils nur eine halbe Seite je Waffe beziehungsweise Rüstung verwendet wird. Das erweist sich als optimale Platznutzung, da Eigenarten einer Waffe, besondere Anwendungen (wie im Reiterkampf) oder aventurisch-historische Geschichten erwähnt werden, ohne dass man beim Lesen den Eindruck hat, dass die Autoren die Zeilen noch irgendwie voll bekommen müssen. Die Waffen erhalten zudem jeweils Waffenvorteile und -nachteile, die allerdings von der Regelauswirkung wieder etwas kleinteilig sind. Immerhin sind sie dafür aber durchaus besonders beziehungsweise unterscheiden sich deutlich je nach Waffe (mehr oder weniger Schadenspunkte, Erleichterung von Einschüchtern-Proben, Nutzen eigentlich verbotener Sonderfertigkeiten etc.). Bei den Fernkampf-Waffen gilt ebenso alles obiges Gesagtes.

Die Rüstungen bekommen dagegen jede wieder eine gesamte Seite spendiert, vermutlich auch, da man nur acht Rüstungen beschreibt und dann einfach noch zu viel Platz vorhanden war. Da die Beschreibungen nicht viel länger als bei den Waffen sind, werden dann die aventurischen Kommentare genutzt, um den Platz zu füllen. Und selbst dann ist die jeweilige Seite oft nur zu zwei Drittel gefüllt. Hier wäre weniger wirklich mehr gewesen und hätte Platz für weitere Rüstungen oder Waffen geschaffen.  

Die Ausrüstungsregeln stellen ein breites Sammelsurium ergänzender Regeln zur Verfügung, die allerdings für einen flüssigen Spielrhythmus nicht gerade förderlich sind: Verbergen von Waffen oder Gegenständen, Waffen- und Rüstungsbeschädigungen, Verschleiß und die entsprechende Reparatur, die Herstellung von Pfeilen oder Waffen, den Einsatz magischer Metalle und deren Effekte in Form von Boni und besondere zusätzliche Waffenausrüstungen (sozusagen Zusätze zu Waffen). Spieler, die auf sehr simulationsistische Abläufe oder recht relatitätsgetreue Abbildungen bestehen, werden hier aber ihre Freude haben. Alle anderen werden diese Kapitel wohl eher überspringen.
Dazu erhalten die Spieler neue Kampfstile und Kampfsonderfertigkeiten. Bereits bekannte Kampfsonderfertigkeiten aus dem „Aventurischen Kompendium“ werden hier imit den Waffeneigenschaften der Rüstkammer in Verbindung gebracht, sodass man die Wirkungen verstehen kann. Ausführlich wird dann auf den Trefferzonen-Rüsungsschutz eingegangen, welcher die Rüstungsregeln sehr verfeinert. In diesem Bereich wird es dann so detailliert, dass Zweifel bestehen, ob dies von vielen Spielrunden wirklich genutzt wird, da es zu viel Zeit im Spiel kostet. Abgeschlossen wird der Band mit improvisierten Waffen sowie fast 30 Seiten Tabellen, die noch einmal die gesamte Ausrüstung, Waffen, Rüstungen, Kampfsonderfertigkeiten mit all ihren Werten und Regelbestandteilen zusammenfassen. Letztlich sind diese 30 Seiten Tabellen hilfreicher als all die Fließtexte zuvor, da sie komprimiert alle Informationen bieten und trotzdem umfangreich genug sind. Insgesamt besteht hier eine hohe Dopplung, die man durch Trennung von Text und Regeln in tabellarischer Form besser hätte aufbereiten können.

Fazit: Spieler und Spielleiter, denen die Waffen und Rüstungen aus dem Grundregelwerk und „Kompendium“ nicht ausreichen, kommen an diesem Band nicht vorbei und werden ebenso ihre Freude haben, wie Spieler mit ausgeprägtem Wunsch nach ausführlichen Regeln. Andere können diesen Band durchaus auch mal auslassen. Wer allerdings Bilder zur Illustrierung seiner Ausrüstung mag, sollte unbedingt einen Blick in den Band werfen, denn die Illustrationen sind wirklich sehr gut gelungen.

Aventurische Rüstkammer
Quellenband
Alex Spohr, Thomas Craig, Marie Mönkemeyer
Ulisses Spiele 2016
ISBN: 3957523370
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95

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