Aventurische Magie

Was wäre „Das Schwarze Auge“ ohne Magie? Mit dem ersten Erweiterungsband zur Magie werden die verschiedenen Spielarten der Zauberei im Vergleich zum Grundregelwerk deutlich erweitert. Hier finden sich neue Traditionen mit Ritualen, Zaubersprüchen und Sonderfertigkeiten. Besonders die Magierakademien werden wesentlich erweitert und erhalten besondere Zauberstile für spezielle Fähigkeiten ihrer Abgänger. Aber auch Zauberbarden und Zaubertänzerinnen werden vorgestellt und mit Besonderheiten versehen. Ergänzend werden Zaubervarianten, neue Fokusregeln und weitere Professionen vorgestellt und mit Archetypen versehen.

von Ansgar Imme

Auch wenn das Grundregelwerk zur 5. Edition bereits das Spielen magischer Professionen ermöglichte, so handelte es sich doch nur um einen sehr kleinen Ausschnitt, der zudem bestimmte Professionen ganz ausließ (Druiden, Geoden, Schelme, Sharisad, Derwische) oder vor allem im Bereich der Magier noch viele Akademien nicht beschrieb. Doch die Spieler mussten nach dem Grundregelwerk etwa 16 Monate warten, ehe endlich der vermutlich wichtigste Erweiterungsregelband in den Läden stand. Allerdings ist es damit nicht getan, denn es weitere noch zwei weitere Bände rund um die „Aventurische Magie“ erscheinen.

Layout, Aufmachung, Illustrationen

Auch dieser Band profitiert wieder enorm von der Vollfarbigkeit, die mit „DSA 5“ Einzug gehalten hat. Sowohl das Design als auch das Layout kommen viel deutlicher zur Geltung als in reinem Schwarz-Weiß. Da magische Effekte vor allem in Farbe noch deutlicher zu erkennen sind, gewinnt gerade der Band zur Magie durch die farblichen Unterscheidungen. Zudem sind die Illustrationen durchgehend gut gelungen mit nur ganz wenigen Aussetzern. Speziell die Bilder der verschiedenen Professionen sind herausragend: Neben vielen Details bestechen sie besonders durch die vielen Unterschiede zwischen den jeweiligen Professionen und stellen sehr passend die Eigenarten der jeweiligen Magieschule oder Tradition dar: kurze und leichte Kleider einer Magierschule aus Sinoda im heißen Maraskan,  pelzbesetzte Mäntel bei den kühlen Thorwaler Hellsichtmagiern oder fast schon klerikale Gewänder bei den Theoretikern aus Punin. Auch die Ausrüstung ist immer passend in Szene gesetzt. All dies hilft bei der bildlichen Darstellung für Spieler, vor allem bei Neulingen in der Welt des „Schwarzen Auges“, sehr weiter. Hilfreich sind zudem die tabellarischen Zusammenfassungen vieler Regelbereiche am Ende der jeweiligen Kapitel.

Inhalt und Bewertung

Insgesamt immerhin 242 Seiten, verteilt aus sechs Kapitel und einen Anhang, gibt es im ersten Band der „Aventurischen Magie“. Nach dem Vorwort über immerhin eine ganze Seite (bei dem man sich wie so oft wünscht, dass statt der Wiederholung des Inhaltsverzeichnisses lieber etwas zum Hintergrund der Entwicklung oder Regeldesign gesagt wird) folgt eine kurze inhaltliche Erklärung zur Unterscheidung von Regeln, Crunch und Fluff sowie zu den Komplexitätsgraden der Regeln.

Im ersten, fast 60 Seiten langen Kapitel geht es um die Erweiterung bestehender und die Einführung neuer Traditionen. Schwerpunkt sind hier die von den Autoren benannten Gesellschaftszauberer, die in Städten wohnen und mittels Magie vor allem andere Personen beeinflussen. Warum man genau diese ausgesucht hat und nicht andere, wird nicht weiter ausgeführt. Neben einigen weiteren Gildenmagiern werden die Magiedilettanten, Scharlatane, Zaubertänzer und als neue Tradition die Zauberbarden mitsamt ihren magischen Techniken – Elfenlieder, Hexenflüche, Zaubermelodien und Zaubertänze – sowie ihren Traditionsartefakten vorgestellt. Bei den Gildenmagiern geht man etwa auf die Ausbildung, Ränge, Magiergewand oder Magiersiegel ein und ergänzt weitere neue Stabzauber sowie das Bannschwert.

Bei den Magiedilettanten wird das Meistertalent als eine Ausprägung der geringeren Magie vorgestellt, aber auch der Scharlatan neu eingeführt sowie mit seiner Zauberkugel und dem Zauberstecken beschrieben. Während die anderen Traditionen recht lange Ausführungen bekommen, wird der Scharlatan unverständlicherweise eher in Kürze behandelt. Die Tradition der Zauberbarden ist weitestgehend neu in der 5. Edition eingeführt worden – einzig die dazugehörigen Derwische hat es bereits in „DSA 4“ gegeben. Neu sind die albernischen Ceoladir und die thorwalischen Sangara. Allen ist gemein, dass sie – ähnlich der Elfen – besondere Zaubermelodien beherrschen oder lernen können, mit denen sie einzelne Personen oder gar Personengruppen beeinflussen können (ob Steigerung der Angriffslust, Anlocken von Feen, Erlangen von Heilung oder Ermutigung). Neben vielen Melodien wird auch das Zauberinstrument ausführlich beschrieben und mit etlichen möglichen Instrumentenzaubern vorgestellt.

Die Zaubertänzerinnen kennt man bereits mit den Sharisad, hier werden zusätzlich die aranischen Majuna, zahorischen Hazaqi und novadischen Rahkisa eingeführt und jeweils mit Zaubertänzen präsentiert. Zudem wird auf ihre magische Zauberkleidung eingegangen und was diese bewirkt. Das erste Kapitel bringt insgesamt viel Neues und erweitert (auch für Spieler aus „DSA 4“) die bereits umfangreichen magischen Traditionen, vor allem bei den Zauberbarden und Zaubertänzerinnen. Dabei gelingt die Mischung leider nur in Teilen: Mal findet der Leser lange Hintergrundtexte und dann geht es wieder teilweise detailgenau um Regelaspekte. Hier wäre eine Trennng der beiden Bereiche deutlich übersichtlicher gewesen. Die Regeln sind dabei wie schon im Grundregelwerk sehr kleinteilig, was Boni oder Mali bei Proben betrifft, sodass man sich fragt, ob man wirklich Vorteile aus seiner Zaubern oder Melodien generiert.

Im zweiten Kapitel werden auf knapp 20 Seiten erweiterte Magieregeln beschrieben. Zunächst werden die Folgen einer abgebrochenen Ausbildung eines magiebegabten Charakters erklärt und über welche Fähigkeiten er anschließend verfügt. Dabei wird zwischen unterschiedlichen Zeitphasen des Abbruchs unterschieden. Die Weiterbildung bei Zauberstätten oder Lehrmeistern ist für Spieler erfahrener Magiebegabter gedacht, die mithilfe eines Zweitstudiums ihre Fähigkeiten noch einmal entscheidend verbessern können. Der Unterricht der jeweiligen Akadamie erklärt als drittes eine individuellere Anpassung der Fähigkeiten eines Helden bei der Charaktererschaffung, indem statt des vorgegebenen Professionspaketes einzelne Seminare und Blöcke einer Akademie gewählt werden können und damit die Fähigkeiten individuell bestimmen. Dabei werden unterschiedliche starke Anpassungen, von allgemein bis sehr variabel, aufgeführt. Dazu finden sich als viertes Regeln zur Auswirkung der Gildenzugehörigkeit in Form von kleineren Vorteilen oder Nachteilen für den Charakter. Die fünfte Ergänzung stellt die Zauberwerkstatt dar, in welcher die Modifikation eines Zaubers erklärt wird. Zuletzt werden noch Zauberstile als magische Sonderfertigkeiten einzelner Ausbildungsstätten vorgestellt. Alle Regeln aus diesem Kapitel gelten als Fokusregeln der Stufe I, die also laut Vorgabe der Redaktion den Detailgrad etwas erhöhen. Liest man sich die einzelnen Bereiche durch, so hat man das Gefühl, dass es sich teilweise nicht nur um eine leichte Detailgraderhöhung handelt. Man fragt sich, was dann noch bei Fokusregeln II kommen soll. Gerade angesichts der noch vielen fehlenden Professionen und Traditionen muss man sich fragen, ob diese 20 Seiten nicht hätten sinnvoller genutzt werden können und diese Detailregeln nicht in einem späteren Band besser aufgehoben wären.

Die magischen Sonderfertigkeiten werden im dritten Bereich des Bandes auf erneut knapp 20 Seiten genauer vorgestellt, wobei zwischen allgemeinen magischen Sonderfertigkeiten für alle Magiebegabten, Zauberstilsonderfertigkeiten für bestimmte Akdamien oder Lehrmeister sowie erweiterte Sonderfertigkeiten unterschieden wird, wobei letztere voraussetzen, dass eine passende Zauberstilsonderfertigkeit vorliegt. Allgemeine magische Sonderfertigkeiten können die magische Mediatation zur Umwandlung von Lebens- in Astralkraft, die Kenntnis des Fernzauberns oder Gedankenschutz gegen andere Zauber sein. Die Zauberstilsonderfertigkeiten ähneln grundsätzlich den allgemeinen Sonderfertigkeiten, enthalten aber je nach Ausbildungsweg eine kleinere Probenerleichterung passend zur Ausbildungsstätte (etwa Magiekunde +2 für Punin) sowie eine Auswahl spezieller Zaubersonderfertigkeiten, die sie lernen können (etwa Artefaktanalytiker oder Kriegszauberer) und die als eben drittes beschrieben werden. Insgesamt finden sich hier viele schöne Ideen, entweder bekannt aus der vorherigen Regeledition angepasst auf „DSA 5“ oder komplett neue Sonderfertigkeiten. Einzig die sehr kleinteiligen Boni passen nicht so recht zu den hochtrabenden Benennungen (der „hervorragende Illusionist“ oder „brillante Telekinetiker“ erhalten jeweils einen zusätzlichen Fertigkeitspunkt für eine Probe).

Das vierte Kapitel bildet mit fast 60 Seiten einen elementaren Teil des Bandes, da hier die passenden Zauber zu den neuen Professionen präsentiert werden. Dabei wird wieder zwischen den kleinen und günstigen Zaubertricks sowie Zaubersprüchen und Ritualen unterschieden. Die Zaubertricks sind teilweise Abwandlungen früherer einfacher Zauber, aber auch Neuentwicklungen. Grundsätzlich sind die Ideen gut und hilfreich und zeigen den alltäglichen Gebrauch der Magie. Einzig die Austarierung beziehungsweise unterschiedliche Stärke ist nicht immer gelungen. Bei den knapp 90 neuen Zaubern bekommt man eine große Bandbreite für das Spiel, zumal hier nicht nur Zauber für gesellschaftsorientierte Zauberfähige enthalten sind, sondern auch mit Kampfzaubern Handfestes geboten wird. Als Ergänzung werden hier zudem die Zaubererweiterungen eingeführt, die ab gewissen Zauberfertigkeitswerten eine Verbesserung des Zaubers erlauben (größerer Radius, stärkere Auswirkung, mehr Ziele etc.). Im Gegensatz zu den niedrigen Boni mancher Sonderfertigkeiten finden sich durchaus etliche Zauber, die sehr mächtige Auswirkungen haben, wie man es sich als Spieler auch wünscht. Einige vorherige Zauber aus „DSA 4“ wurden jetzt in Rituale umbenannt und regeltechnisch geändert, was die Zauberdauer stark verlängert und den Spieleinsatz verringert (wie etwa die 30 min. Zauberdauer für den „Hartes Schmelze“). Zudem wurden für die aus dem Grundregelwerk bekannten Zauber die Zaubererweiterungen ergänzt. Auch wenn man über Kleingkeiten streiten mag, ist das Kapitel mit der Präsentation in ihrer Einheitlichkeit, der Wirkungen der Sprüche, der ideal wirkenden Länge der Beschreibungen und dem passende Mix aus Detailgrad ohne übertriebene Tiefe sehr gut gelungen.

Die neuen magischen Professionen finden sich im fünften Abschnitt von „Aventurische Magie I“. Ausgehend von den Traditionen finden sich hier die Berufe der verschiedenen Zauberbarden, Zaubertänzer, der Scharlatan sowie verschiedene Magier von Akademien oder Lehrmeistern. Neben einer kurzen Einführung zur Akademie, dem Lehrmeister oder der Profession im allgemeinen finden sich natürlich der Werteblock für die Talentboni, Zauber und Sonderfertigkeiten sowie ein extra Kasten zur Kleidung und Ausrüstung der jeweiligen Tradition. Letzterer war schon im Grundregelwerk eine hilfreiche neue Einführung, da sie vor allem Neulingen im Rollenspiel oder der Welt des „Schwarzen Auges“, aber auch langjährigen Rollenspielern die unterscheidbaren Merkmale aufzeigt, wie sich gekleidet wird oder was an solch einer Profession typische Ausrüstung darstellt. Dazu kann dies auch für schöne Rollenspielstimmung sorgen, wenn der Schwarzmagier eben den Zauberstab geschmückt mit Tierschädeln bei sich hat. Die Illustrationen dazu sind hervorragend und lassen den Leser und Spieler schnell ein Gefühl für die Profession entwickeln. Insgesamt auch ein gut gelungener Abschnitt.

Im sechsten und letzten Kapitel werden auf knapp 20 Seiten fertige Archetypen für den schnellen Spielgebrauch präsentiert. Gleichzeitig helfen diese, die verschiedenen Möglichkeiten der Magiebegabten aufzuzeigen. Neben einer Kurzgeschichte zum Charakter finden sich eine Beschreibung der Figur im Spiel sowie der vollständige Werteblock mit Eigenschaften, Vorteilen, Nachteilen, Sonderfertigkeiten, Sprachen, Talenten, Zauberfertigkeiten und Ausrüstung. Alle Archetypen wurden auf den Erfahrungsgrad „Erfahren“ gebracht und entsprechend die Werte gesteigert. So können sowohl Spieler als auch der Spielleiter diese schnell zum Spielen oder als Nichtspielercharaktere nutzen. Die Beschreibung für das Spiel hilft vor allem unerfahrenen Spielern, wie sie den entsprechenden Archetypen ausspielen können. Auch hier sind die passenden Illustrationen vorhanden und ebenso exzellent erstellt worden. Über den Sinn von Archetypen und die „Platzverschwendung“ kann man sicherlich streiten, denn auch dieser Platz hätte natürlich auch für weitere Professionen oder Traditionen verwendet werden können. Erfahrene Spieler werden darauf verzichten können, unerfahrene Spieler und Neulinge sowie mancher Spielleiter werden dagegen dankbar sein.

Als Abschluss des Bandes gibt es noch einen Anhang, der neue Vorteile und Nachteile aufführt und erklärt, die Kulturbeschreibung der Zahori sowie Tabellen zu Waffen der Magiebegabten, Zaubersonderfertigkeiten, Zaubermelodien und Zaubertänzen, die es alle aber auch bereits im Band gab. Ein Index rundet den ersten Teil von „Aventurische Magie“ ab.

Insgesamt wirkt der erste Band zur Magie ein wenig wie Stückwerk, auch wenn einzelne Teile sehr positiv hervorstechen. Die Entscheidung zur Aufteilung auf verschiedene Bände und die Band für Band einhergehende Regelerweiterung wurde vom Verlag getroffen, wirkt aber bereits hier nachteilhaft. Während – gefühlt beziehungsweise der Erfahrung aus mehreren Spielrunden nach – wichtige Traditionen und Professionen fehlen, werden selten gespielte wie Zaubertänzerinnen oder Zauberbarden vorgestellt. Dazu kommen einzelne neue erweiterte Magieregeln und magische Sonderfertigkeiten, bei denen man als erfahrener Spieler weiß, dass es damit noch nicht getan ist, sondern weitere Erweiterungen folgen (müssen). Dazu gehen allzu oft Regelelemente fließend in Beschreibungstexte über, was der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit nicht hilft.

Die Kleinteiligkeit von Boni bei den Regeln ist zudem leider nun eine gefällte Design-Entscheidung der Redaktion, auch wenn es es beim Lesen nicht anregt, dafür noch Abenteuerpunkte zum Steigern auszugeben. Dagegen stehen die sehr gelungenen Kapitel zu den Zaubern, die vor allem bei den Zaubererweiterungen durch bei allen Zaubern ähnliche Mindestzauberwerte dann Zusatzeffekte hervorrufen. Die Bescheibungen sind zudem kurz und knackig (auch wenn die teilweise ausufernden Beschreibungen in „DSA 4“ bei den Sprüchen auch Charme hatten). Auch die Professionsbeschreibungen haben genau die richtige Länge und bieten mit dem jeweiligen Hinweis zur Ausrüstung und Bekleidung spielpraktische Hinweise. Hervorragend sind natürlich außerdem die Illustrationen vor allem bei den Professionen.

Fazit: Will man mehr als die wenigen Magiebegabten des Grundregelwerks spielen, speziell die hier neuen Traditionen, kommt man um den Band nicht herum. Letztlich ist er nahezu eine Pflichterweiterung des Grundregelwerks für alle Spieler von Magiebegabten sowie den Spielleiter. Von der Nutzbarkeit für Anfänger hat man sich mit den vielen Zusatzbänden allerdings weit entfernt. Und auch gegenüber der Vorgängerversion „DSA 4“ wird man am Ende mit mehr Bänden gegenüberstehen. Wem das „DSA 5“ Grundregelwerk bereits gefallen hat, wer die Aufteilung auf mehrere Bände mag oder sowieso neu angefangen hat und alles vollständig benötigt, kann hier auf jeden Fall zugreifen.

Aventurische Magie
Regelwerk
Alex Spohr, Jens Ullrich (Red.)
Ulisses Spiele 2016
ISBN: 3957523850
242 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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