von Ansgar Imme
In der Tradition von „Land des Schwarzen Auges“, „Die Welt des Schwarzen Auges“ und „Geographica Aventuria“ ist auch für die 5. Edition des größten deutschen Rollenspiels eine Weltbeschreibung erschienen (den kleineren Band im Ausbauset der ersten Edition mal außen vor gelassen). Schon im ursprünglichen Klassiker von 1989/1990 wurden neben den (damals teils erstmalig beschriebenen) Regionen und Städten auch Texte zu Wissenschaft wie Sternkunde, Recht und Gesetz, berühmten Personen und der Geschichte verfasst. Jede Edition aktualisierte die vielen Informationen, strukturierte einiges um und brachte neue Impulse und Ideen mit. Mit 264 Seiten bewegt sich auch die Ausgabe der 5. Edition auf einem ähnlichen Seitenniveau wie seine Vorgänger. Im Gegensatz zu den bisherigen Beschreibungen ist dies allerdings die erste Ausgabe in Vollfarbe. Dafür liegen in alter Tradition auch dieser Weltbeschreibung zwei Karten Aventuriens bei. Ein umfangreiches Inhaltsverzeichnis sowie ein ordentlicher Index runden den Band in der Gesamtbetrachtung schon einmal ab, da bei der Masse an Themen und Informationen so viel schneller die Suche gelingt.
Nach dem üblichen Vorwort folgen kurze Beschreibungen über etwa jeweils eine Seite der jeweiligen Regionen von Norden bis Süden mit markanten Informationen zu Geographie wie auffälligen Landmarken oder bekannten Städten sowie besonderen Mythen. Die Texte bieten eine gute Übersicht und lassen den Leser schnell ein Gefühl gewinnen, wo es sich genauer nachzulesen lohnt. Dazu sind die Abschnitte oft allgemein genug, dass man sie auch teils Spieler aushändigen kann. Dieses erste Kapitel wird durch Hinweise zu Wetter und Reisen abgerundet.
Im zweiten, recht knappen Abschnitt, werden die bekanntesten Völker Aventuriens vorgestellt: Menschen und ihre Kulturen, Elfen, Zwerge – aber auch Orks, Goblins und weitere Spezies. Eigentlich ist die Platzknappheit eher hinderlich, doch in einem Weltenband muss man natürlich Prioritäten setzen. Und so bleibt natürlich Spielraum für Regionalbeschreibungen. Dies ist aber eher eines der Kapitel, welches man auch hätte weglassen können.
Im recht großen dritten Kapitel „Land & Leute“ wird auf über 60 Seiten viel genauer auf die einzelnen Regionen aus dem ersten Kapitel eingegangen, außerdem werden die größten aventurischen Städte kurz beschrieben. Besondere Wegmarken und Landschaften werden aufgeführt, Bevölkerungszahlen, politische Zugehörigkeiten, die Regierungsform der Region, Götter und Handelsgütern. Für viele Spieler und Spielleiter, vor allem Anfänger, ist sicherlich der Verweis auf irdische Vorbilder hilfreich, da man so schnell ein Bild vor Augen bekommt. Ergänzt wird jede Region zudem durch einen Textkasten mit Hinweisen zu Helden aus dieser Region als auch wie sich die Region im Spiel zeigt und was sie für Abenteuer bieten kann. Mit all diese Informationen ist für halbwegs kreative Spielleiter bereits ein sehr guter Einstieg in die Welt des „Schwarzen Auges“ und Aventurien möglich.
Mit 40 Seiten ist auch der vierte Teil zum Hauptthema „Kultur & Wissenschaft“ ein ordentlicher Brocken. Die einzelnen Unterkapitel decken aber sehr unterschiedliche Themen ab wie Sprachen, Aberglauben, Kalender und Feiertage, Kosmologie, Standeswesen, Essen & Trinken oder Kunst & Musik. Ein kleiner Regelabschnitt zum Ende befasst sich zudem mit Krankheiten, Alchimie und Giften. Sobald man dem Spiel etwas Tiefe verleihen möchte, kommt man um diesen Abschnitt nicht herum. Hiermit kann man dem Spiel, Bewohnern und natürlich Spielerfiguren Flair und Hintergrund verleihen und Eigenheiten des aventurischen Lebens sichtbar machen.
Der fünfte Abschnit zu „Handel & Wandel“ ergänzt das vierte Kapitel und hätte mit seinen kurzen 12 Seiten auch dort mit reingepasst. Alle Informationen zu Währungen, Münzen, Märkten, Recht und Gesetz sind sehr schnell im Spiel nutzbar und umzusetzen. Nichts, was man für das eigentliche Rollenspiel benötigt, aber etwas, was den Hintergrund vertieft und unverwechselbar macht.
Das sechste Kapitel bildet einen Überblick über in Aventurien und seinen Meeren lebende Wesen und Tiere sowie dort wachsende Pflanzen. Dazu werden auszugsweise einige Gegner in einem Bestiarium vorgestellt. Auf etwa zwei Seiten werden je Wesen neben einer einleitenden Beschreibung die räumliche Verbreitung und Lebensweise beschrieben. Dazu finden sich ausführliche Regelwerte und eine Illustration. Auch wenn die Texte gut geschrieben und die Illustrationen sehr gut bis hervorragend sind, ist dies sicherlich der Abschnitt, der am fragwürdigsten für den Quellenband ist. Einerseits mag man sich über die Auswahl der 13 Wesen streiten – Goblin, Ork oder Höhlenspinne sind durchaus gängige Gegner, aber auf einen Tatzelwurm trifft der normale Held doch recht selten, und der klassische Schwarzbär oder das Wildschwein müssen auch seltener als Gegner herhalten. Andererseits ist die Veröffentlichungspolitik auch ein ständiger Streitpunkt, da durch die Doppelung im normalen Bestiarium all die genannten Wesen dort auch wieder auftauchen. Die 30 Seiten hätte man also gut auch für andere Themen verwenden oder eine breitere (und dann auch andere) Auswahl treffen können.
Obwohl die beiden folgenden Abschnitte ebenso eigene Bände – hier Regelwerke – erhalten, so passen sie doch beide besser in eine Weltbeschreibung herein, zudem sie hier allgemeiner und für das Rollenspiel tauglich und einsetzbar beschrieben werden. Im siebten und achten Teil finden sich Informationen zu Göttern, Dämonen sowie der Zauberei. Das Zwölfgötter-Pantheon wird vorgestellt, aber ebenso die dämonischen Widersacher, der Erzfeind der Zwölf, „Der Namenlose“, weitere Unsterbliche und Glaubensrichtungen von Nichtmenschen. Hier finden sich zudem tolle Illustrationen der Götter, die passende Merkmale zeigen und kurze prägnante Beschreibungen, für welche Werte und Merkmale die Gottheit steht. Im Teil der Zauberei werden die Traditionen der verschiedenen Zauberer wie Magier, Hexen, Druiden usw. vorgestellt und für die Umsetzbarkeit am Spieltisch magische Artefakte und das Auftreten der Magie im Alltag mitgeliefert. Sowohl der Bereich zu den Göttern als auch der Zauberei glänzt durch prägnante, spielnahe Beschreibungen und tolle Illustrationen.
Zum (vorläufigen) Abschluss gibt es in zwei Kapiteln einerseits noch berühmte Aventurier sowie Mysterien und eine historische Zusammenfassung. Ganz in der Tradition der Vorgänger, wie es schon in „Land des Schwarzen Auges“ begann, finden sich sowohl recht alte Nichtspielercharaktere wie Archon Megalon oder Pardona, aber auch neuere Antagonisten und mögliche Verbündete der Helden. Neben einer passenden Illustration ist immer eine kurze Beschreibung mitgeliefert, während auf Spielwerte verzichtet wird. Das zweite der genannten Kapitel arbeitet die Historie von der Urgeschichte bis zur aktuellen Zeit auf. Hier finden sich eher Mysterien aus den ersten Zeitaltern bis zu recht harten Fakten der näheren Vergangenheit. Beide Kapitel bieten keinen direkten, sofortigen Spielwert. Aber sie erfassen den Hintergrund und bieten letztlich viele Anregungen für mögliche Abenteuer oder Verwicklungen, aber können auch als Erzählungen in Gesprächen mit Helden eingebracht werden. Dazu wird an einigen Stellen auch auf Geheimnisse für den Spielleiter verwiesen, sodass dieser einen Spielbezug herstellen kann.
Der Rezensent schrieb oben vom vorläufigen Abschluss, den nach den beiden Kapiteln folgt nun der umfangreiche Index. Und dann gibt es letztlich ein Bonuskapitel, welches nur für den Spielleiter bestimmt ist. Mysterien, besondere Orte, Gegner und ihre Pläne sowie Geheimnisse zu Geschehnissen aus diesem Band werden erläutert und offenbart. So gut wie es klingt, ist dieser Abschnitt aber doch nicht gelungen. Hier wäre mehr Potenzial gewesen. Die vielen genannten Punkte sind unbestritten interessant, aber hier hätte sich der Rezensent mehr Spielbezug gewünscht. Gerade da oft genug Neulinge im Rollenspiel oder der Welt des „Schwarzen Auges“ zu einem Weltenband greifen, wäre etwas „Handfestes“ hilfreicher gewesen. Stattdessen geht es fast immer um Orte, Personen oder Mysterien, mit denen junge Helden wenig zu tun haben werden. Selbst aventurienbekannte Helden werden nur selten auf diese Geheimnisse stoßen.
Fazit: Insgesamt ist der „Aventurische Almanach“ als Einführung in die Welt des „Schwarzen Auges“ gut gelungen. Er bietet einen hilfreichen Einstieg und Überblick über viele Themen von Regionen über Städte bis zur Wissenschaft. Der Detailgrad ist meistens gering und überlässt noch viel der Fantasie, wenn man als Spieler und Spielleiter gerne selbst aktiv wird. Damit ist es auch ein Band, welchen man guten Gewissens eben auch allen Spielern als Lektüre an die Hand geben kann, zudem der Verlag die einzigen Spielleiterinformationen praktischerweise ans Ende gesetzt hat.
Aventurischer Almanach
Quellenbuch
Florian Don Schauen, Daniel Simon Richter (Hrsg.)
Ulisses Spiele 2016
ISBN: 978-3-95752-518-5
264 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 44,95
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