TORG Eternity

„TORG“ ist ein Rollenspiel mit einer langen Vergangenheit. Bereits 1990 erschien die ursprüngliche Version bei West End Games und erlebte seither eine wechselhafte Geschichte. Seit 2017 verlegt Ulisses Spiele diesen Klassiker und veröffentlichte ihn – natürlich im Rahmen eines Crowdfundings – nun erstmals auf Deutsch. Wie gelungen ist die „Eternity“-Variante von „TORG“?

von André Frenzer

Bei dieser Besprechung weiß ich gar nicht so recht, wo ich beginnen soll. Vielleicht damit, dass ich TORG zwar schon lange, lange Zeit kenne – die Vorgängerversion allerdings nie gespielt habe. Meine Kontakte beschränkten sich auf die Romane, die mir den fantastischen Hintergrund von „TORG“ näherbrachten. Daher konnte ich der neuesten Inkarnation von „TORG“ auch nicht widerstehen, kann aber deswegen leider in dieser Rezension keine Vergleiche zwischen den Regelversionen ziehen. Dies vorweg geschickt, blicken wir doch erst einmal auf den …

Hintergrund

Eröffnet wird der Band mit einer kurzen Beschreibung der Possibility Wars. Was das ist? Nun, unsere Erde wird von sogenannten Realitätsplünderern überfallen. Diese mächtigen Wesenheiten schaffen über mächtige Brücken Verbindungen zwischen ihren eigenen Welten – den sogenannten „Cosms“ – und unserer Erde. Diese Brücken bringen sowohl die Armeen der Angreifer mit auf die Erde als auch die Realität des jeweiligen Cosm. So verändern sich Teile der Welt in neue Realitäten. Das Ziel der Angreifer ist es, die sogenannte „Möglichkeitsenergie“ der Erde zu stehlen und so noch mächtiger zu werden. Die Cosms sind völlig unterschiedliche Welten – von düsteren Techno-Imperien bis zu ursteinzeitlichen Dschungelwelten, von klassischer Fantasy bis zum düsteren Gothic Horror, von unsichtbaren Bedrohungen hin zu pulplastigen Superschurken ist hier alles vertreten.

Dieser Überfall fremder Realitäten führt dazu, dass die Bewohner der betroffenen Gebiete ebenfalls die Realität wechseln und sich in Einwohner des jeweiligen Cosms verwandeln. Ausnahmen hierzu sind die sogenannten „Storm Knights“, die – aus einem nicht näher definierten Grund – so stark mit unserer eigenen Realität verbunden sind, dass sie der Verwandlung widerstehen können. Und eben in die Rolle dieser Storm Knights schlüpfen nun die Spieler und tragen den Kampf direkt ins Herz der Bedrohung. Die Storm Knights werden vom sogenannten „Delphi-Rat“ eingesetzt und auf die verschiedensten Missionen entsandt. Sie sind die Speerspitze der menschlichen Verteidigung und drängen die Invasoren überall dort zurück, wo die Menschheit ihrer Hilfe am dringendsten benötigt.

Inhalt und Regeln

Ein rechtes Schwergewicht ist es geworden, dieses „TORG Eternity“. Auf stolzen 280 Seiten präsentieren sich die notwendigsten Hintergrundbeschreibung und eine weite Bandbreite unterschiedlicher Regeln. Diese Seitenfülle wirkt auf den ersten Blick gar nicht einmal so spektakulär. Doch es wird – sowohl zwischen den Zeilen als auch explizit – immer wieder deutlich, dass hier nur die Spitze des „TORG“schen Eisberges sichtbar wird und spätere Quellenbände sowohl dem Hintergrund als auch den Regeln weitere Aspekte hinzufügen werden.

Nach einer kurzen Einleitung und einem Überblick über die Cosms des Possibility Wars folgt ein Kapitel mit Regeln für Storm Knights und ihre Erschaffung. Hier können die Spieler auch gleich aus verschiedenen Völkern wählen, denn auch in den anderen Cosms gibt es Völker, die realitätsgehärtete Storm Knights hervorbringen und den Kampf gegen die Tyrannen aufnehmen können. Wie so oft setzen sich Charaktere bei „TORG Eternity“ aus Attributen und Fertigkeiten zusammen. Besonders an ihnen sind allerdings die sogenannten „Möglichkeiten“ – da sie mit den Realitäten spielen können, können sie die Zukunft zu ihren Gunsten beeinflussen. Spieltechnisch wirkt sich das in Form von Bonuswürfeln aus.

Der grundsätzliche Probenmechanismus ist simpel: Mithilfe eines einfachen W20-Wurfes muss ein vom Spielleiter definiter Schwierigkeitsgrad überwürfelt werden. Der Würfel kann dabei „explodieren“, d. h., zeigt das Ergebnis eine 10 oder 20 darf der Würfel erneut geworfen werden. Die oben angesprochenen „Möglichkeiten“ fügen Bonuswürfel zu dem Wurf hinzu. Auch Kämpfe funktionieren prinzipiell auf diese Weise, wobei der Verteidigungswert der defensiven Seite den Mindestwurf für den Angreifer vorgibt. Längere und kombinierte Aktionen werden mithilfe sogenannter „Dramatischen Proben“ abgewickelt, wobei mehrere Proben hintereinander erfolgreich sein müssen, um ein größeres Ziel zu verwirklichen. Was bis hierhin noch recht simpel klingt, wird durch einige weitere Regeln jedoch deutlich unübersichtlicher. So gibt es ein „Drama Deck“ mit Spielkarten (die im Übrigen separat erstanden werden müssen und ohne die „TORG Eternity“ nicht spielbar ist), die Konfliktsituationen wie Kämpfen weitere Aspekte hinzufügen. So gibt es immer ein Zufallselement, das auch sonst einfach wirkende Kampfsituationen belebt. Zum anderen gibt es reichlich Modifikatoren zu beachten, die verschiedenste Situationsaspekte wie Deckung, Sicht, Art der Waffen, Größe des Zieles und so weiter abdecken.

Die nächsten Kapitel stellen dann viele interessante Werkzeuge für die Storm Knights vor. Neben drei verschiedenen Möglichkeiten, magische Aspekte ins Spiel zu bringen – nämlich Magie, Wunder und Psionik – findet sich auch ein umfangreicher Ausrüstungskatalog wieder. Alle vier Kapitel decken dabei Möglichkeiten aller Cosms ab – so sind zum Beispiel in der Waffentabelle Langschwerter und Armbrüste für mittelalterliche Schlachten ebenso zu finden wie Plasmawerfer. Auch den Zaubersprüchen merkt man die Herkunft aus verschiedenen Cosms durchaus an, sind doch die Zaubersprüche aus dem finsteren Orrorsh viel tödlicher und brutaler als die Lichtmagie aus der Fantasy-Welt Aysle. Und dadurch sind es eben diese Kapitel, die nur an der Oberfläche der Möglichkeiten kratzen können und die mit Sicherheit deutlich mehr Optionen in späteren Quellenbänden erfahren werden.

Abgerundet wird das Grundregelwerk mit einigen Spielleiterkapiteln, in denen nicht nur auf einige Geheimnisse der angreifenden Cosms eingegangen wird. So werden auch praktische Tipps für das Spiel gegeben, die Rolle der Storm Knights genauer definiert und verschiedene Belohnungskonzepte vorgestellt. Ein knappes Bestiarium mit einigen Beispielgegnern und Kreaturen rundet den Band dann ab, bevor ein hilfreicher, umfangreicher Index den Band abschließt.

Optik und Verarbeitung

Die Optik von „TORG Eternity“ lässt sich mit einem Wort passend umschreiben: opulent. Der Band ist reichhaltig auf einem gleichbleibend hohen Niveau bebildert, vollfarbig, gut lesbar, mit stolzen Zierrahmen ausgestattet und damit eine wahre Augenweide. Die verwendeten Schriften sind klar und gut lesbar und auch die verstreuten Textkästen sorgen für ein aufgelockertes Bild ohne Textwüsten. Optisch wie technisch gibt es damit nichts zu meckern.

Kritik

„TORG Eternity“ ist definitiv nichts für Gelegenheitsspieler. Die Regeldichte ist trotz des simplen Probenmechanismus recht komplex. Dazu kommen die unterschiedlichen Cosms, die es zu erkunden gilt. So wird es schwer, die Reichhaltigkeit des Settings und des Systems rasch zu erkunden. Wer „TORG Eternity“ an den Spieltisch bringen will, der sollte vor allem genügend Zeit einplanen, um sich sowohl mit den Eigenheiten der Regeln als auch des Settings vertraut machen zu können. Dafür wird er allerdings mit einer utopischen Bandbreite unterschiedlicher Abenteuerstile und -möglichkeiten belohnt: Wer heute noch in einem mittelalterlichen Dungeon auf der Suche nach einem magischen Artefakt unterwegs war, kann morgen bereits in bester „Shadowrun“-Manier Konzernpolizisten jagen und sich übermorgen an Bord eines klapprigen Doppeldeckers einen wilden Luftkampf mit den Soldaten des Nil-Imperiums liefern.

Bei all diesen Möglichkeiten ist es vielleicht verständlich aber eben auch doppelt ärgerlich, dass es das Grundregelwerk dem Leser nicht gerade einfach macht. So werden bereits früh die ersten settinginternen Fachbegriffe verwendet, ohne dass eine Erklärung dazu erfolgt. Diese findet sich dann erst in einem späteren Kapitel wieder. So sammeln sich schnell einige Fragezeichen an, die erst bei weiterer Lektüre beantwortet werden. Der Index hilft hier zwar aus, zwingt dann aber dazu, das Regelwerk gestückelt und in Einzelteilen durchzuarbeiten. Außerdem, und das ist wohl mein größter Kritikpunkt, weiß „TORG Eternity“ nicht so recht, was es sein will. Während die Bilder und der simple Probenmechanismus Pulp, Action, übergroße Helden und Abenteuer versprechen, so verlieren sich die Regeln schlussendlich doch wieder in vielen kleinen Details, wirken teilweise überfrachtet und zwingen Spieler wie Spielleiter dann doch zu mehr Buchhaltung, als es für eine actionreiche Pulp-Geschichte notwendig scheint.

Fazit: Ganze Welten voller Möglichkeiten. Komplexe, umfassende Regeln. Die Verheißung weiterer Optionen in den folgenden Quellenbänden. „TORG Eternity“ ist ein hochwertiges, spannendes Rollenspielprodukt, das allerdings volle Aufmerksamkeit erfordert. Wer diese mitbringt, erhält ein ungewöhnliches Komplettpaket unterschiedlichster Spielstile.

TORG Eternity
Grundregelwerk
Shane Lacy Hensley, Darrell Hayhurst, Markus Plötz u. a.
Ulisses Spiele 2019
ISBN: 9783963311147
280 Seiten, Hardcover, deutsch
Preis: EUR 49,95

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