Agents of Concordia

Die „Agents of Concordia“ sind Agenten des Multiversums, die im Auftrag der Concordia Central Intelligence (CCI) die Erde beschützen sollen. „Agents of Concordia“ ist ein komplettes Rollenspiel, das Mystery und Action mit Magie und Technik in einem Viele-Welten-Setting voller abgefahrener Spezies bietet.

von Amel

Wir befinden uns scheinbar auf der normalen Erde der 1960er Jahre. Doch das ist – wie in vielen Rollenspielen – nur eine Illusion. Die Erde befindet sich als einzige Welt zwischen dem Rest des Multiversums und der Singularität, der Quelle des Aethers, jener Substanz, aus der Magie gemacht ist. Es gibt eine weitere Welt, die so einen Knotenpunkt bildet: Artifex. Sie trennt die Welten des „Primal“ von „Concordia“, den Welten des bewohnten Multiversums. Aus dem „Primal“ kommen die „Vagrants“, Monster, die nichts lieber täten, als auf dem Weg zur Singularität, die Erde und alle Welten, die sie durchqueren, zu zerstören.

Das Weltall, wie wir es kennen, existiert nicht. Es ist nur eine Illusion, die die Membran schützt, hinter der sich die Singularität befindet. Das CCI soll unter anderem sicherstellen, dass diese Illusion bestehen bleibt. Die Singularität muss geschützt werden, denn niemand kann einschätzen, was ein Anzapfen der rohen Kraft des Aethers für Auswirkungen hat.

Optisch gefällt mir das Buch außerordentlich gut. Die Optik hebt sich vom grafischen „Fantasy-Einheitsbrei“ ab, der sich vielerorts durchsetzt. Das Coverbild ist sehr stimmungsvoll. Es hat bei mir allerdings einen falschen Eindruck erweckt. Ausgehend von diesem Bild hätte ich mit weniger abgefahrenen Spezies und wesentlich weniger Magie gerechnet. Die Innengestaltung wird von einem Pastellgrün beherrscht, das einen gediegenen Eindruck hinterlässt. Die Farbgebung gemeinsam mit der Wahl der Seitenränder und den Bildern ist gefällig und lässt mich die Seiten gern betrachten. Die verschiedenen Stile der Bilder gefällt mich auch sehr gut. Sie sind zumeist flächig, nicht fotorealistisch, und vermitteln mit jedem Bild eine gute Stimmung. Jeder der vielen beschriebenen Spezies und Karrieren wird ein eigenes comichaftes Bild gewidmet. Ebenso erhält auch jede beschriebene Welt ein eigenes Bild.

Die Regeln sind einfach gehalten. Sie wollen einen Actionfilm-Realismus vermitteln, in dem coole Aktionen wichtiger sind als die Einhaltung der Physik. Ein Charakter besteht aus 6 Attributen mit Werten von -6 bis +6 und 30 Fertigkeiten mit Werten von 0 bis 3. Perks geben Boni auf bestimmte Handlungen. Für eine Probe würfelt man eine Anzahl an W12, die der angewendeten Fertigkeit entspricht und addiert den Wert eines Attributs zur höchsten gewürfelten Zahl. Die Paarung von Attribut und Fertigkeit ist frei wählbar, was eine große Flexibilität bei den Proben zulässt, die mir sehr gut gefällt. Das Ergebnis wird mit einem Mindestwurf verglichen, der von der Schwierigkeit der Probe abhängt. Es gibt Abstufungen, wenn man besonders hoch über den Mindestwurf kommt. Diese „Success Level“ können für erhöhten Schaden im Kampf oder andere Vorteile eingesetzt werden. Für den Kampf haben die Monster und NSC feste Angriffs- und Verteidigungswerte, die den Mindestwurf festlegen. Überschreitet der Schaden einen Schwellenwert, führt das zu einer Wunde. Die Spielleitung würfelt nicht.

Bei der Charaktererschaffung werden wenige Punkte verteilt. Die meisten Zahlen ergeben sich direkt aus der Wahl der verschiedenen Facetten, aus denen eine Figur zusammengesetzt ist. Zunächst wird ein Background gewählt. Daraus ergeben sich Boni auf bestimmt Attribute und meist ein Perk. Als Backgrounds stehen Dinge zur Verfügung wie Künstler, Krimineller oder Akademiker. Eine ganze Reihe von Spezies liefert die Attributswerte und eventuell einen weiteren Perk. Zum Schluss wird noch eine Karriere innerhalb der CCI gewählt, die Ausrüstung und weitere Boni festlegt. Ein paar Punkte können auch frei verteilt werden, aber die Zahl ist gering. Durch die Dreierkombination kann trotzdem nicht über einen Mangel an Auswahl geklagt werden.

Durch die vielen ausführlichen Listen nimmt die Charaktererschaffung über die Hälfte des Buches ein. Ein Überblick über den Werdegang des Multiversums mit dem ersten Überfall des Vagrants und der Entdeckung der Erde ist kurz gehalten, erklärt aber alles, was man benötigt. Die Beschreibung von 15 Welten ist ebenfalls kurz und prägnant. Jeder Welt wird eine Seite gewidmet, wobei eine der beiden Spalten fast vollständig von einem Bild eingenommen wird. Das Bild ist für das „begreifen“ der Welt ebenso wichtig wie der Text. Dieser kurze, prägnante Stil zieht sich durch das gesamte Buch. Erklärungen werden auf das Minimum reduziert, das nötig ist, um sie zu begreifen. Die Listen der Welten, Spezies und Karrieren stehen für sich. All das ist kreativ und voller Ideen und vermittelt trotz der verhältnismäßig wenigen Worte ein gutes Bild. Diese Kreativität und Informationsdichte stellen vielleicht das größte Qualitätsmerkmal des Buches dar.

Einen Nachteil hat dieser aber dennoch. Die Kompaktheit lässt Lücken zurück. Die Ideen sprudeln nur so, sowohl von den Seiten direkt, also auch bei mir, angestoßen durch das, was ich gelesen habe. Doch häufig weiß ich am Ende doch nicht genug. Welcher technische Stand herrscht auf dieser Welt? Wie sieht das Monster aus? Was soll ich hier tun? Ohne das Beispielabenteuer, das den Band abschließt, gäbe es wenig Anhaltspunkte, wie sich die Autoren den Spielverlauf vorstellen. Durch das CCI gibt es eine mehr oder weniger genaue Aufgabenbeschreibung für die SC, doch trotz der großen Informationsdichte, muss die Spielleitung ohne weitere Bücher selbst kreativ werden, um einen Spielstil zu entwickeln. Das gelungene Beispielabenteuer hilft, wie gesagt, kann aber nur eine von vielen Möglichkeiten abdecken.

Im Abenteuer sollen die Charaktere die Ankunft einer besonderen Person auf einer kleinen Insel in der Welt Omeyocan vorbereiten. Sie muss in Sicherheit sein und kann keine Konflikte gebrauchen. Die Gemeinschaft auf der Insel ist klein, aber voller Konflikte und Dramen. So entsteht eine, wie es das Abenteuer nennt, „Semi-Sandbox“, in der die Gruppe immer wieder auf Konflikte stößt, die es zu klären gibt. Und natürlich ist auch jemand hinter dem mysteriösen Ankömmling her. Das Abenteuer ist übersichtlich präsentiert und bietet viele Ideen und Handlungsmöglichkeiten. Man sollte ein wenig Erfahrung als Spielleitung mitbringen, um es reibungslos zu leiten.

Bevor man zum Abenteuer kommt, gibt es ein kurzes Kapitel für die Spielleitung. Ausrüstung, ein paar Monster und ein paar rudimentäre Tipps für den ersten Spielabend bilden den Kern des Kapitels. Die Monster sind ausnahmslos ungewöhnlich und kreativ. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass ihr Aussehen besser – und manchmal überhaupt – beschrieben worden wäre. Durch die einfachen Regeln sind die Monsterwerte angenehm kurz. Aus nur fünf Zahlenwerten besteht ein Gegner.

Fazit: „Agents of Concordia“ ist ein Viele-Welten-Rollenspiel, das sich durch Kreativität und kompakte Informationsvermittlung auszeichnet. Lange habe ich nicht mehr so viele ungewöhnliche Ideen auf einen Haufen gesehen. Die Regeln sind einfach und übersichtlich. Die Charaktere arbeiten für eine weltenübergreifende Institution, was episodenhaftes Spiel mit klaren Aufgaben ermöglicht. Der kompakte Aufbau des Buches hinterlässt einige Lücken, die die Spielleitung selbst füllen muss. Wer ein ungewöhnliches Spiel sucht, sollte sich dieser Aufgabe aber stellen. Es dürfte sich lohnen.

Agents of Concordia

Grundregelwerk
Kristofer Stenskog, Simon Nyström
Modiphius 2019
ISBN: 978-1-912743-36-0
191 S., Hardcover, englisch
Preis: ca. EUR 50,00

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