Small World of Warcraft

Für die Horde! Eine Horde aus einschüchternden Orks macht sich gerade daran, deine angelnden Zwerge zu verdreschen. Mit einem breiten Grinsen blickt dir dein Gegner auf der anderen Seite des Tisches in die Augen. Soll er doch seinen lächerlichen Moment der Freude haben, denkst du dir. Denn schon in der nächsten Runde wirst du die heldenhaften Nachtelfen rekrutieren und der Allianz alle Ehre machen.

von Daniel Pabst

Mit „Small World of Warcraft“ kam im Jahre 2020 eine Variante des Brettspiel-Klassikers „Small World“ von Philippe Keyaerts (Entwickler) und Miguel Coimbra (Illustrator) von 2009 heraus. Erschienen ist das Spiel bei Days of Wonder, und der deutsche Vertrieb liegt bei Asmodee. Das Spiel beinhaltet 6 doppelseitige Spielpläne in verschiedenen Größen, 16 World of Warcraft-Völkerbanner, 20 Spezialfähigkeitsplättchen, 5 Übersichten der Regeln, 12 Artefakte und legendäre Orte, 182 Völkerplättchen, 15 Murloc-Plättchen, 1 Verstärkungswu?rfel, 1 Rundentableau, 1 Rundenanzeiger, 1 Spielanleitung, und 1 Spielregel (Team-)Variante „Battle for Azeroth“.

Wie auch in der echten Welt ist bei diesem Fantasy-Brettspiel Platz immer eine limitierte Ressource. „It’s a small after all“ heißt es doch schon im gleichnamigen Lied, das man spätestens nach einem Besuch im Disneyland nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Bei dem Brettspiel steht statt der Völkerverständigung jedoch die eigene Vorherrschaft im Vordergrund, oder wie es der Untertitel des Klassikers von 2009 prägnant zusammenfasst: „Eine Welt voller (H)iebe“.

Wer „Small World“ nicht kennt, der erhält im Folgenden zunächst einen Überblick über das kurzweilige Fantasy-Area-Control-Spiel von Philippe Keyaerts, das stets mit einem schönen Inlay und jede Menge Material daherkommt: In „Small World“ kombiniert ihr eine Spezialfähigkeit mit einem der vorhandenen 16 Völkern. Jede Spezialfähigkeit und die Völker gilt es kennenzulernen und zu verstehen, welche Kombination wann am besten geeignet ist. Sodann gilt es mit dem ausgewählten Volk Territorien zu erobern. Dafür müssen die eigenen Völkerplättchen auf ein Zugangsfeld (markiert durch ein Anker-Symbol) platziert werden. Von hier aus marschiert ihr solange weiter, bis die eigenen Plättchen ausgehen. Das Erobern von leeren Feldern benötigt zwei der eigenen Plättchen und für jedes bereits auf einem Feld liegende Plättchen wird ein weiteres Völkerplättchen benötigt.



Am Ende des eigenen Zuges erhält man pro kontrolliertem Feld eine Münze, welche gleichzeitig auch als Siegpunkt fungiert. Weitere Münzen erhält man beim Erfüllen bestimmter Anforderungen der Spezialfähigkeiten oder der Völker. Danach darf die nächste Mitspielerin oder der nächste Mitspieler eine Kombination wählen und die eigene Bewegung starten. So werden abhängig der Spielerzahl 7 bis 10 Runden gespielt. Spätestens nach der zweiten Runde fällt auf, dass es keine freien Felder mehr gibt. Schuld daran sind die Marker der anderen, die dir wertvolle Territorien wegnehmen. Daraus folgt bei „Small World“: Lasst die Schlacht beginnen!

Wenn das eigene Volk zahlenmäßig zu sehr geschwächt ist, um neue Eroberungen zu starten, so darf man sich dazu entscheiden, es untergehen zu lassen. Die Völkerplättchen werden auf ihre graue Rückseite umgedreht und damit ist der eigene Zug bereits zu Ende. Sie können nicht mehr aktiviert werden, geben aber immer noch, wie ein aktives Volk, Münzen für besetzte Gebiete. Nächste Runde darf man aber wieder ein frisches Volk rekrutieren und erneut loslegen.



Durch die immer wieder neuen und teilweise ulkigen Kombinationen von Spezialfähigkeit und Völker verliert „Small World“ auch nach mehreren Partien nicht seinen Charme. Denn wer bereits mehrere Partien „Small World“ auf dem Buckel hat, der wird die Stärken und Schwächen von Spezialfähigkeiten und Völkern erst richtig kennen. Da diese aber stets neu gemischt werden, gibt es keine Allzweckwaffe oder den Zeitpunkt, dass ein Volk übermächtig wird. Zusätzlich sorgt der Mechanismus dafür, dass jedes Mal, wenn man sich dazu entscheidet, eine Kombination aus der Auslage zu überspringen, darauf eine Münze platziert werden muss, und dadurch mit der Zeit auch eine zunächst unattraktive Komposition an Volk und Spezialfähigkeit durch ausreichend finanzielle Argumente zu einer plausiblen Rekrutierungsoption wird.

Was bietet dieser Nachfolger, der über 10 Jahre nach dem Grundspiel die Brettspiel-Welt erblickt?

Die Unterschiede zum Grundspiel sind klar erkennbar. Viele der Völkern aus „Small World“, wie die Zwerge oder die Trolle, haben neue Spezialfähigkeiten erhalten, welche ihre Spielweise im Gegensatz zu ihren Vorgängerversionen drastisch verändern. Weiterhin ist die Weltkarte nicht mehr eine große Scheibe, auf der alle Felder per Fuß erreicht werden können. In „Small World of Warcraft“ gibt es mehrere Inseln in kleiner, mittlerer oder großer Dimension, zu denen eure Truppen segeln dürfen. Jeder dieser Orte hat auch eine andere Rückseite, sodass hier stets andere Konstellationen auftreten werden. Die ehemals breite Landkarte wurde also in diverse kleine Inseln aufgebrochen. Dadurch, dass diese nur über Zugangsregionen, wie Küsten oder Häfen erreichbar sind, bekommt „Small World“ durch den Kampf und das Sichern dieser Zugänge eine neue spielerische Komponente.



Zusätzlich wurden zum Aufpeppen des klassischen „Small Worlds“ noch Artefakte und legendäre Orte aus Azeroth in dieses Variante integriert. Hierbei handelt es sich um bekannte Gegenstände und Orte aus dem Computerspiel „World of Warcraft“. Sichert euch beispielsweise die Klinge des Lichkings „Frostmourne“ oder sichert euch die Kontrolle über „das Dunkle Portal“. Das Besetzen von legendären Orten und das Einsammeln von Artefakten verleiht dem momentanen Besitzer enorme Boni, weshalb die Fehde durch das Vorhandensein dieser noch weiter verstärkt wird.

Wer es als unpassend ansieht, dass man nach Belieben zwischen rivalisierenden Völkern hin- und herwechseln darf, sollte sein Glück in dieser „Small World“-Version in dem exklusiven Spielmodus „Battle for Azeroth“ finden. Dies ist nicht nur der Titel der siebten Erweiterung des MMORPGs „World of Warcraft“, sondern auch im Brettspiel eine Auseinandersetzung der Fraktionen. Kämpft für die Horde, die Allianz oder schließt euch den Neutralen an. Und wenn die Spielrunde vier oder fünf Teilnehmerinnen oder Teilnehmer hat, begleitet euch auch ein Teamkamerad in der Schlacht für eure bestimmte Gruppe. Tretet dann in Teams für die Fraktion eurer Wahl an und bringt ihr Ruhm und Ehre! Um diesen Modus zu spielen, werden die Völker nach den entsprechenden Fraktionen, erkenntlich am kleine blauen beziehungsweise roten Symbol auf dem Plättchen, sortiert. Immer wenn ihr ein neues Volk rekrutieren dürft, seid ihr bei der Auswahl auf die offenen Völker der eigenen Fraktion limitiert. Hieran zeigt sich, wer wirklich die Oberhand über Azeroth hat.



Die Neuauflage des ursprünglichen „World of Warcrafts“ („WoW-Classic“) holt etliche vergangene Computerspielerinnen und -spieler wieder zurück in die virtuelle Welt von Azeroth. Diese dürfen sich dank dieses Brettspiels auch beim analogen Spielen heimisch fühlen. Daher kommt dieses Spiel genau richtig. Das Thema „World of Warcraft“ passt sehr gut zum Gezanke um Territorien und auch die spielerische Umsetzung der einzelnen Völker ist exzellent getroffen worden. Graphisch und auch vom Material her, macht das ausgebreitete Spiel einiges her. Zudem sorgen die Mechanismen, wie zusätzliche Münzen für das Bekämpfen von verfeindeten Völkern für spaßige Fehden am Spieltisch. „Small World of Warcraft“ gelingt es, die essenziellen Elemente von „Small World“ beizubehalten, und ergänzt und verbessert Aspekte des Grundspiels.

Fazit: Das Grundgefühl, das man während des Spielens von „Small World“ hat, bleibt bei diesem Ableger der Reihe gleich. Immer noch ist es eine sehr gelungene Mischung aus Taktik, aber nicht zu tiefem strategischem Planen. Es wird eine thematische Umsetzung des beliebtesten Multiplayer-Online-Rollenspiels geboten, auf die nicht nur Stammkunden des Hit-Videospiels von „Blizzard“ einen Blick werfen sollten. „It’s a small world“ – und eine große Spielfreude, die man mit „Small World of Warcraft“ geboten bekommt.

Small World of Warcraft
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler ab 8 Jahren
Days of Wonder/Asmodee 2020
Philippe Keyaerts
EAN: 0824968090312
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,99

bei amazon.de bestellen