World of Warcraft: Wrath of the Lich King

Seit der Kriegshymnenklan sich einst vor mindestens einer Computerspielgeneration um Thrall, den Kriegshäuptling, scharrte, hat der Krieg zwischen Menschen und Orks nie wirklich geendet. Es gab ruhige Phasen und gemeinsame Feinde, aber in Wahrheit gab es niemals wirklich Frieden. In Nordend haben sich die Fraktionen jedoch versammelt, um Arthas zu besiegen und zumindest hier im Brettspiel ist echte Kooperation möglich, um die Bedrohung aus der Welt schaffen zu können.

von KaiM

Nicht nur in meiner direkten Umgebung wird die dritte große Erweiterung von „World of Warcraft” auch heute noch als grandioses Stück Geschichte des gesamten „WoW“-Universums gehandelt. Der neue Kontinent, die kleinen Instanzen und auch die großen Raids haben unglaublich viel Spaß bereitet. Auch wenn das Spiel anhand der aktiven Spieler gerechnet, längst seinen Zenit überschritten hat, gibt es auch 18 Jahre nach seinem Erscheinen noch eine ganze Reihe davon. Und es bleibt festzuhalten, dass dieses Spiel an seinem Höhepunkt 12 Millionen Menschen mit aktiven Abonnements hinter sich versammelt hat. Das war in etwa zu der Zeit, als der Nachfolger von „Wrath of the Lich King”, die vierte Erweiterung, das Licht der Welt erblickte. Damit hätte sich auch die Frage geklärt, warum gerade dieses Setting gewählt wurde: Als die Horde und die Allianz gegen Arthas den Frostkönig auszog, war „WoW“ auf dem Höhepunkt der Beliebtheit, und es gibt jede Menge alte Fans, die nostalgisch auf diese Zeit zurückblicken. Bei mir hat es jedenfalls gewirkt.

In diesem Spiel finden ein bis fünf Helden zusammen, um gemeinsam gegen Arthas in die Schlacht zu ziehen. Eine Partie dauert laut Packungsangabe in etwa 60 Minuten und Spieler ab 14 Jahren sollen hier ihren Spaß haben.
Das Spiel funktioniert mit ein paar Abstrichen tatsächlich mit jeder Spielerzahl und die Zeitangabe ist wie häufig ein klein wenig zu optimistisch, ohne stark untertrieben zu sein. Die Altersangabe geht aufgrund der Ghule und Monstrositäten schon irgendwie in Ordnung, wobei die Figuren nun wirklich nicht übermäßig schrecklich sind und es die Spielmechanik auch jüngeren Kindern erlaubt, gut mitzuspielen.



Das Material

Die wunderbare Karte von Nordend ist das Erste, was beim Auspacken auffällt. Man fühlt sich sofort heimisch und in die Zeit zurückversetzt, in der man den Kontinent erkundete. Als nächstes fällt der Blick auf die Miniaturen. Blaue, kleine Ghule und dicke, eklige Monstrositäten. Die Detailtiefe geht in Ordnung und man wundert sich zwar ein wenig über das gewählte Blau, aber das ist für die Kälte von Nordend irgendwie passend. In einer kleinen, etwas unpraktischen Box verstecken sich die Figur von Arthas, ebenfalls blau, und die Helden in beige. Die Helden fallen insgesamt gut aus. Man erkennt sie alle und das ist auf jeden Fall eine deutliche Steigerung gegenüber den alten Pöppeln von „Pandemic“. Die Figur von Arthas, dem Oberbösewicht, ist aber das absolute Highlight. Das Schwert und die Spitzen seiner Rüstung könnten selbst beinahe als Waffe dienen, und es macht jede Menge Freude, ihn sich genauer anzuschauen.

Die 100 Karten, die beigelegt sind, haben eine ansprechende Qualität, sodass man sie nicht zwangsläufig in Kartenhüllen stecken muss. Viele Karten sind auch individuell gestaltet und bieten schöne Bilder und dem Auge viel Abwechslung, obwohl es spielmechanisch gar nicht notwendig gewesen wäre. Die Charakterkarten sind natürlich Bilder, die dem geneigten „WoW“-Spieler sofort gefallen, sodass man sich dadurch ohne Umschweife zu Hause fühlt. Die Eiskronenzitadelle ist ein Schloss aus ein paar Pappteilen, das sich bedrohlich über das Spielfeld erhebt und in dem man später auch den Schlusskampf bewältigt. Dieses Gimmick bietet zwar keinen wirklichen Mehrwert, aber abgesehen von ein paar Einschränkungen im Blickfeld stört es auch nicht sonderlich. Das restliche Material, von der Box, über die Würfel bis zu den Marken, geben keinen Grund zu meckern.



Das Spiel – Wie funktioniert es?

Auf der Spieleschachtel prangt ein Werbehinweis, der auf das verwendete „Pandemic“-System hinweist. Dieses überaus erfolgreiche System wurde schon bei diversen Spielen verwendet, normalerweise vom Erfinder Matt Leacock selber. Für diejenigen unter Euch, die „Pandemic“ noch nicht kennen, eine kleine Einführung in das Grundprinzip:

Auf einer Weltkarte werden zu Spielbeginn Krisenherde erzeugt. Mal sind es steigende Infektionszahlen einer gefährlichen Krankheit (wer kennt das nicht), Okkultisten, die sich zu einem Ritual zusammenfinden, oder eben Zusammenrottungen der Geißel des Lichkönigs, wie in diesem Fall. Die Spieler sind nun reihum am Zug und beraten, welcher Krisenherd am dringendsten in den Griff bekommen werden muss. Denn vernachlässigt man die Krisen, stürzt die Welt auf die eine oder andere Art ins Chaos und die Gruppe verliert das Spiel. Zudem gibt es ein globales Ziel, das erreicht werden muss, ohne die Welt vorher dem Untergang anheim zu geben. Daraus folgt, dass immer wieder abgewogen werden muss, worauf man sich als nächstes konzentrieren möchte, nämlich zu gewinnen oder „nicht zu verlieren“.

Dafür stehen in jedem Zug vier Aktionen zur Verfügung, die beliebig auf die verschiedenen Möglichkeiten – Bewegung, Krisenbewältigung und Quests erledigend – eingesetzt werden können. Nach dem Spielerzug werden Handkarten gezogen, die normalerweise hilfreich sind. Danach geht die Entwicklung auf der Welt weiter und die Krisen verschärfen sich langsam. Ab und an lodern aber auch neue Brände auf und man muss sich nicht nur auf die neue Situation sondern auch auf eine Eskalation einstellen, die eine Kontrolle über den Spielverlauf immer schwieriger macht.



Nicht umsonst ist dieses System von „Pandemic“ eines der erfolgreichsten kooperativen Prinzipien der ganzen Brettspielwelt und die Kombination mit einem der erfolgreichsten MMORPG sicherlich keine ganz schlechte Idee.
In dieser Variante von „Pandemic“ übernehmen die Spieler die Rollen von bekannten Helden aus der Geschichte von „WoW“. Jeder Charakter hat zwei Spezialfertigkeiten und startet an einer anderen Stelle der Weltkarte in Nordend. Ghule überfluten den Kontinent und sogar die niedlichen Monstrositäten werden ab und zu gerade dort gesichtet, wo die Not schon am größten ist. Also ist es die Aufgabe der Helden, die Ghule von der Welt zu wischen und damit zu verhindern, das die Verzweiflung unter der Bevölkerung zu groß wird. Die Hauptaufgabe besteht jedoch darin, insgesamt drei Quests zu erledigen, die zufällig in den drei Zonen der Weltkarte platziert werden. Wurde das geschafft, kann der böse Arthas in seiner Eiskronenzitadelle aufgesucht und erledigt werden. Erst dann haben die Helden das Spiel besiegt.    

Das Spiel – Wie fühlt es sich an für …

… Fans von „Pandemic“:

Kenner und Liebhaber des Spielsystems finden sich sofort zurecht. Natürlich gibt es ein paar Details, die abgeändert wurden, aber diese kennt man entweder schon aus anderen Versionen des Originals oder sie sind schnell verstanden. Die Fähigkeiten der Helden sind einzigartig und originell. Man kann sich in verschiedenen Gruppen auf die Reise durch Nordend begeben und die optimale Spielweise einer Gruppe austüfteln. Die Quests, die jedes Mal zufällig verteilt werden, verändern das Spielgefühl dabei kaum und fordern wenig Adaptionsfähigkeit der Gruppe. Dieses Element hätte sich der Kenner vielleicht doch noch etwas ausgefeilter gewünscht. Überhaupt kann man nicht behaupten, dass man es mit einem schweren Spiel zu tun hat. Es skaliert nur bedingt gut, denn solo oder zu zweit ist es selbst im schwierigsten Modus ohne übermäßig viel Glück und Können zu schaffen. Mit fünf Spielenden hingegen wird alles doch ein wenig knapper und spannender. Somit muss man sich schon genauer überlegen, in welcher Gruppengröße es am meisten gespielt wird, bevor man zuschlägt. Eine große Veränderung sind sicher die Würfel, die man sonst eher nicht kennt. Sie bringen zwar eine weitere Zufallskomponente, aber es passt thematisch und der Einfluss ist nicht übertrieben, sodass sich der Einsatz in Summe stimmig anfühlt.



… Fans von „WoW“:

Man erkennt alles sofort wieder und ein wohliger Schauer läuft über den Rücken, wenn man sich in all die verschiedenen Questgegenden und Instanzen zurückversetzt fühlt. Die Charaktere wirken authentisch und die Fähigkeiten passen wunderbar zu jeder einzelnen Figur. Das gilt auch für die Quests, die Monstrositäten und die Illustrationen der Karten. Insgesamt fühlt man schon eine Menge „WoW“ in dem Spiel, aber die Quests und der große Endkampf fallen unterm Strich ein wenig ab. Das Computerspiel lebt von den großen Bossen, die studiert, ja, eingeübt werden wollen. Dagegen wirken die Quests zu beliebig, zu wenig überraschend und der Endkampf zu leicht. Denn selbst wenn das Spiel am Ende verloren werden sollte, so ist es nicht der Kampf gegen den Oberboss, der die Niederlage, den „Wipe“, bringt. Die Niederlage erfolgt am Ende durch zu viele Ghule auf dem Brett, aber nicht, weil der Kampf gegen Arthas verloren ging. Schön ist jedoch wieder, dass es für die Abenteurer auch Beute für abgeschlossene Quests gibt und man die toll gestalteten Minis über die Karte mit all den wichtigen Wegpunkten bewegen kann.

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Fazit: Das Spiel bietet viel „Pandemic“ und viel „WoW“ und wird insbesondere Neulinge im „Pandemic-System“ mit einem Hang zu Nordend fordern und ihnen Spaß bereiten. Die Herausforderung für Erfahrene ist ein wenig zu lasch ausgefallen, insbesondere, wenn häufig zu zweit oder in kleinen Gruppen gespielt wird. Auch hätten einige Aspekte des Rollenspiels noch besser herausgearbeitet werden können. Unterm Strich ist „Wrath of the Lich King“ jedoch eine gelungene Umsetzung.

World of Warcraft: Wrath of the Lich King
Brettspiel für 1 bis 5 Spieler ab 14 Jahren
Justin Kemppainen, Todd Michlitsch, Alexandar Ortloff, Michael Sanfilippo
Asmodee/Z-Man Games 2021
EAN: 4015566605528
Sprache: Deutsch
Preis: ca. EUR 49,99

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