Sid Meier's Civilization – Ein neues Zeitalter

1991 brachte Computerspieldesigner Sid Meier ein Globalstrategiespiel auf den Markt, das die Welt der PC-Spiele revolutionierte: „Civilization“, zweifellos inspiriert vom gleichnamigen Brettspiel aus dem Jahr 1980, war ein gigantischer Erfolg und die bis heute fortgeführte Reihe gehört zu den erfolgreichsten PC-Spiel-Serien überhaupt. 2002 veröffentlichte Eagle Games das erste Brettspiel zum Franchise, 2006 folgte ein Kartenspiel. 2010 erschien bei Fantasy Flight Games eine neue Ausgabe. „Sid Meier's Civilization – Ein neues Zeitalter“ von 2017 ist nun die jüngste Offline-Version von Meiers Werk (nicht zu verwechseln mit „MegaCivilization“, das auf dem 1980er-Brettspiel basiert).

von Frank Stein

Das Spiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren kommt in der klassischen Quadratbox daher (29,5x29,5x7 cm) und suggeriert auf dem Cover eine wahrhaft epische Reise von der Antike bis ins Raumfahrtzeitalter. Dem steht gleich die anvisierte Spielzeit von 1 bis 2 entgegen, die eher ein flottes Vergnügen voraussagt. Die Wahrheit, so wird sich zeigen, liegt irgendwo in der Mitte. Denn zum einen dauert „Civilization“, gerade mit 3 oder 4 Spielern, eher 3 bis 4 Stunden, zum anderen fühlt sich das Führen der eigenen Zivilisation durch die Jahrtausende trotzdem eher wie ein lokales Problem als wie ein globales Epos an. Das hat verschiedene Gründe.

Zum einen wäre da das Spielmaterial. Damit mich niemand falsch versteht: Das Spielmaterial ist grundsätzlich von hoher Qualität. Fantasy Flight Games beziehungsweise Asmodee haben einfach einen Standard, der für ein tolles Spielerleben sorgt. Die modularen Kartenteile sind fest und schön farbig, alle Spielkarten und Spielmarker erfüllen sehr gut ihren Zweck, und die Illustrationen auf den Anführerbögen sorgen für ein wenig Identifikation beim Spieler – wobei man schon sagen muss, dass „Civilization“ eher abstrakt bleibt, als einen durch sein starkes Thema in die Spielwelt zu saugen. Wenn man was kritisieren möchte, dann dass viele Spielkarten im kleinen 4x6,2-cm-Format sind, das heißt die Schrift darauf ist winzig und definitiv nichts für Leute mit Sehschwäche. Aber das ist ein altbekanntes FFG-Problem.


 Spielaufbau für drei Parteien.

Warum nun wirkt der Konflikt der Reiche eher „klein“? Der modulare Kartenspielplan, der Dank spezieller Regeln höchst individuell zusammengestellt werden kann, zeigt eben kein Europa oder keine Welt an, sondern nur Hexfelder mit Gras, Sumpf, Wald, Wüste, Gebirge und Wasser. Hierin etwas wie die Alpen oder gar die Sahara zu erkennen, fällt selbst mit viel Fantasie schwer. Es wirkt eher so, als würde der ganze Spielplan ein Land abbilden, in dem einige Gewässer und kleinere Gebirge zu finden sind. Entsprechend kommen einem die Weltreiche der Ägypter, Römer, Franzosen oder Amerikaner wie die Stadtstaaten vor, als die sie das Spiel beginnen, und ihre Geplänkel erinnern an den Streit, den deutsche Fürsten im Mittelalter untereinander hatten.

Auch die Spielziele haben eher symbolische Größe. Im Laufe einer Partie, die in Runden abgehandelt wird, gilt es, je 1 Spielziel auf 3 Spielzielkarten zu erfüllen (es stehen pro Karte jeweils 2 Optionen zur Verfügung). Da muss man etwa 2 kulturelle Weltwunder kontrollieren, 2 Naturwunder oder 5 entwickelte Städte. Das wirkt nach sehr wenig, auch wenn es im Spiel nicht so ohne Weiteres zu erreichen ist. Dass man maximal 3 Wagen über die Karte schicken kann und höchstens 8 Städte zu bauen vermag (sehr viel wahrscheinlicher ist es, dass man nur 4 bis 6 errichten kann, bevor ein Spieler die Partie gewonnen hat), tut das seine dazu, dass man epische Größe in „Civilization“ ein wenig vermisst. Auch  die Entwicklung in den fünf Bereichen der Fokuskarten (Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Industrie und Militär) geht ziemlich flott vonstatten, da sie nur vier Stufen kennt. Der Fortschritt macht also beispielsweise von der Steinmetzkunst über die Eisenverarbeitung und Massenproduktion hin zur Luftfahrt ziemlich große Sprünge. Man jagt hier förmlich durch die Zeitalter – und die Weltraumfahrt kann man, ungeachtet des Boxendeckelmotivs, gar nicht erreichen.


 Die Sumerer sind gut im Kampf gegen Barbarenhorden.

Doch auch wenn sich so ein richtiges „Zivilisation führen“-Gefühl nicht einstellen mag, macht das Spiel trotzdem Spaß, so ist es nicht. Der Spielmechanismus ist eingängig und lässt verschiedenste Möglichkeiten, eine Siegstrategie zu entwickeln. Herzstück ist die sogenannte Fokusreihe. Sie hat 5 Plätze, die mit 5 Landschaftstypen korrespondieren. Auf diesen liegen die oben genannten Fokuskarten. Je weiter rechts auf der Leiste eine Karte liegt, desto mächtiger ist sie, wenn sie ausgelöst wird. Ein Spielzug besteht nun kurz und knackig daraus, eine Karte der Fokusleiste auszusuchen, sie abzuhandeln und dann auf Platz 1 der Leiste zurückzusetzen. Dadurch rücken die übrigen Karten nach rechts auf. Man muss also ständig abwägen, ob man noch warten will, bevor man einen Effekt auslöst, oder ob man ihn in einer gegebenen Situation nutzen will beziehungsweise auch muss.

Die 5 Fokuskartentypen dienen dabei unterschiedlichen Zwecken. Mit „Kultur“ kann man seinen Einfluss vergrößern, indem man Einflussmarker auf Hexfelder platziert. Meist muss das in unmittelbarer Umgebung einer eigenen Stadt passieren, später wird man freier in seinen Möglichkeiten. „Wissenschaft“ gestattet dem Spieler, den Pfeil auf der Technologiescheibe weiterzudrehen, die in regelmäßigen Abständen neue Technologiestufen bietet. Erreicht man eine neue Stufe, darf man eine höherwertige Fokuskarte auswählen und eine schlechtere dadurch ersetzen (so wird aus „Steinmetzkunst“ dann „Eisenverarbeitung). „Wirtschaft“ bedeutet das Bewegen von Handelswagen, die freie Stadtstaaten oder rivalisierende Städte besuchen können und dadurch Boni für den Spieler einheimsen. „Industrie“ ermöglicht den Bau von Städten und Weltwundern, wobei gerade letztere durchaus mächtige Bonuseffekte mit sich bringen. Bezahlt werden müssen Weltwunder übrigens u.a. mit Ressourcen, die auf dem Spielplan verteilt sind und zunächst eingesammelt werden müssen (und zwar nicht etwa von den mobilen Wagen, sondern von den sich nur mühsam ausbreitenden Einflussmarkern). „Militär“ schließlich ist für die Verstärkung der eigenen Gebiete und den Angriff auf andere Zivilisationen oder frei herumziehende Barbarenhorden wichtig.


 Das Spielfeld nach ein paar Spielzügen.

Das war im Prinzip schon alles. Ein paar Detailregeln und vor allem die Effekte der verschiedenen Karten verkomplizieren das Spiel natürlich, aber grundsätzlich ist „Civilization“ nicht schwer zu verstehen. Es spielt sich auch nicht besonders aggressiv. Zwar ist die Option da, Stadtstaaten oder andere Spieler anzugreifen – aber der kriegerische Konflikt bietet vergleichsweise geringe Vorteile. Meist fährt man besser, sich auf die Spielziele zu konzentrieren, die auch ohne jeden Kampf (außer den gegen Barbarenhorden) erreicht werden können. Der Spielplan, der je Spielerzahl größer oder kleiner ist, bietet dabei auch genug Raum zur Ausbreitung, um Krieg aus Platzproblemen oder Ressourcenknappheit so gut wie unnötig zu machen. Wenn man es also nicht erzwingt, weil man Lust auf den Konflikt hat, kann man auch prima gemütlich nebeneinander her seine Zivilisation entwickeln.

Das ist vielleicht ein weiterer Schwachpunkt des Spiels. Es gibt kaum Interaktion zwischen den Spielern. Da die Spielzüge extrem schnell vonstatten gehen, fällt das nicht so auf, aber man könnte das Spiel vermutlich genauso gut einfach als Solo-Game auf Zeit spielen. Dann wären die einzigen Hindernisse die durch Würfelwürfe gesteuerten Barbarenplättchen, die radikal Einflussmarker, Wagen und Städte zerstören, wenn man sich ihrer nicht rechtzeitig erwehrt. Die mangelnde Interaktion hat allerdings auch zur Folge, dass man den Gegner praktisch nicht stoppen kann, wenn er auf der Zielgeraden liegt, denn auf die zahlreichen Effektkarten im Spielbereich eines Spielers hat man keinen Einfluss. Und durch Angriffe ein paar Einflussmarker zu klauen, ändern oft auch nicht mehr viel. Da muss man entweder sehr früh gegensteuern (auf Kosten der eigenen Entwicklung) oder möglichst schnell selbst die eigenen Ziele komplettieren.


 Und Schluss. Die Sumerer haben als erste drei Spielziele erreicht.

Zu guter Letzt hätte ich mir noch an ein paar Stellen der Regeln Verdeutlichungen (auch im Sinne von Wiederholungen) gewünscht. Im Grunde bleiben keine Fragen offen. Einige zusammengehörende Regeln sind aber unpraktisch im Heft verstreut. Und man muss geradezu aufs Wort achten, um Regeln richtig zu interpretieren. Beispielsweise dürfen Städte nur auf einem „leeren“ Feld platziert werden, das heißt, es darf auch kein Ressourcenmarker drauf liegen, das heißt, man kann durch Städtebau keine Ressourcen einsammeln. Auf der Habenseite sind die Regeln mit 16 Seiten (eigentlich nur 10, wenn man die Spielmaterialübersicht und den Aufbau abzieht) geradezu schlank für ein FFG-Spiel.

Fazit: „Sid Meier's Civilization – Ein neues Zeitalter“ fühlt sich kleiner an, als es sich gibt. Ein Konflikt zwischen lokalen Fürsten innerhalb eines Landes hätte thematisch besser zum Feeling, das die Materialien und Regeln vermitteln, gepasst. Dennoch macht das Spiel über das Führen und Entwickeln einer Zivilisation absolut Spaß, gerade wenn man keine ausgesprochen kompetitive Natur ist und lieber in gewisser Ruhe seine Machtsphäre ausbreitet. Da sind, auch wenn die Spielzüge an sich sehr flott über die Bühne gehen, rasch ein paar Stunden verstrichen.

PS: Weil ich davor vergessen hatte, Fotos zu machen, habe ich zu Demonstrationszwecken nochmal eine Solo-Partie mit gleich drei Zivilisationen gespielt. Auch das ist also möglich. ;-)

Sid Meier's Civilization – Ein neues Zeitalter
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
James Kniffen
Fantasy Flight Games / Asmodee 2018
EAN: 4015566026292
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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