Cooper Island

Eine atemberaubende Insel taucht vor unseren Augen auf. Schon nach dem ersten Landgang ist klar, dass uns diese Insel nicht mehr loslassen wird. Getauft wird die Insel nach dem Schiffshund Cooper, der sie als erstes erschnuppert hatte. Eine unbekannte Welt, Reichtümer und Ruhm warten auf uns. Also: Willkommen auf Cooper Island! Bis zu vier Spieler landen mit jeweils zwei Schiffen und einem Trupp Arbeitern an einer der Halbinseln an, um „Cooper Island“ zu erkunden und zu besiedeln.

von Michael Wilhelm

„Cooper Island“ ist das neueste Expertenspiel aus der Feder von Andreas „ode.“ Odendahl, der in Zusammenarbeit mit Michael Keller schon „La Granja“ und „Solarius Mission“ veröffentlichen konnte. Zumindest „La Granja“ sollte in Deutschland dabei noch zu haben sein, an „Solarius Mission“, ein Dice-Drafting-Spiel in cooler Retro-Optik mit Science-Fiction-Setting kommt man dagegen gar nicht mehr so leicht ran.

„Cooper Island“ stellt nun nicht nur die erste Solo-Veröffentlichung von Andreas Odendahl dar, sondern ist auch die erste Kooperation mit dem Studio Frosted Games und Pegasus Spiele als Vertrieb. Dabei reiht sich „Cooper Island“ hervorragend in die Palette von Frosted Games ein, die ein Händchen für mittelschwere bis schwergewichtige Expertenspiele haben.

Entsprechend hochwertig und umfangreich ist auch das Spielmaterial in der gut 2 kg schweren Box. Und so wartet erstmal einige Prickel- und Sortierarbeit auf uns. Glücklicherweise hat man uns aber eine ausreichende Menge Ziploc-Tütchen beigelegt, um die zahlreichen Pappmarker und -plättchen, Karten und Holzteile, Schiffe und Gebäude sowie 100 Ressourcenwürfel in 5 Farben zu verstauen.



Und auch für einen unkomplizierten Spielaufbau ist gesorgt. Nach 2 Seiten Übersicht über das Material, widmen sich Seiten 4 bis 8 der Spielanleitung dem Spielaufbau. Dabei sind vor allem die klaren Illustrationen und schrittweisen Anweisungen von großem Wert, denn durch das umfangreiche Material ist schon der Spielaufbau in den ersten Partien eine nicht zu unterschätzende Hürde. Auch die weitere Anleitung (mit insgesamt 28 Seiten) erfüllt ihre Aufgabe hervorragend. Zunächst bekommen wir einen kurzen Überblick über den Spielablauf, dann wird der dreiphasige Rundenablauf (Einkommensphase, Arbeiterphase, Aufräumphase) mit zahlreichen bebilderten Beispielen erläutert. Selten habe ich eine so ausführliche und aufschlussreiche Anleitung in den Händen gehabt. Für die Erleichterung des Einstiegs ist das allerdings auch bitter nötig, denn die schiere Anzahl der Bau- und Arbeiter-Einsatz-Optionen ist zunächst überwältigend. Dazu gleich noch mehr.

Der zentrale Teil der Insel bietet acht Abschnitte mit 16 Einsatzfeldern für runde Arbeiter und quadratische Vorarbeiter. Für jeden Spieler wird die Insel dann um eine Halbinsel erweitert, auf der im weiteren Verlauf mit den Doppel-Landschafts- und Inselplättchen gebaut wird. Auch über einen Hafen verfügt jede Halbinsel, von dem aus die zwei Holzschiffe starten, die auf ihrem Weg um die Insel herum als Siegpunktzähler (hier Steuerradpunkte genannt) dienen und unterwegs noch die eine oder andere Bonus-Aktion abgreifen können.



Besonders innovativ ist der Plättchen-Legemechanismus. Zu Beginn sind die Halbinseln nur von Brachland bedeckt. Im Spielverlauf werden dort Wälder, Wiesen, Siedlungen und Gebirge ihre Plätze finden. Die Doppel-Landschaftsplättchen zeigen davon je zwei verschiedene Landschaften. Die Inselplättchen zeigen eine Landschaft und ein Inselchen, das eine Bonus-Aktion gewährt, wenn man es an der Küste der eigenen Halbinsel ablegt. Entgegen des bekannten Nebeneinander-Legens von Plättchen wird in „Cooper Island“ hochgestapelt, denn die Plättchen können mit passenden Landschaften übereinander gelegt werden, um ihren Ertrag zu steigern. Fehlende Abschnitte können dabei mit Einzelplättchen aus dem gemeinsamen Vorrat aufgefüllt werden.

Was machen wir dann aber mit den vielen Rohstoffen? Bisher hört sich das Ganze ja eher nach einem simplen Plättchenlegespiel an. Weit gefehlt: Wir haben es nämlich auch mit einem waschechten Bau- und Entwicklungsspiel mit vollständig ausgeprägtem Worker-Placement-Mechanismus zu tun.

Nach der Einkommensphase, die unter anderem das Legen der Landschaftsplättchen umfasst, kommt die Arbeiterphase, in der wir durch Einsatz unserer zu Beginn zwei Arbeiter entweder zusätzliche Plättchen oder Rohstoffe bekommen können oder Ressourcen ausgeben, um Bauaktionen zu machen. Wir können dann zum Beispiel Gebäude bauen, die auf unserem Spielertableau Plätze im Lager freimachen (wo Rohstoffe zwischengelagert werden können), Siegpunkte bescheren und nach Ziehen einer Gebäudekarte einen einmaligen oder dauerhaften Vorteil geben. Das Erforschen eines Ruinen-Plättchens auf der eigenen Halbinsel macht dort Platz für weitere Landschafts-Plättchen, und aus der Ruine kann dann eine Statue errichtet werden, die einen Siegpunkt bringt. Das Bauen eines Einkommensbootes bringt einen Vorteil in der Einkommensphase. Mit den Ressourcen Tuch (aus den Siedlungen) und Gold (aus Gebirgen ab Höhe 3) können Frachtschiffe beliefert werden, was wieder Siegpunkte bringt. Und auch einen Vorteil an anderer Stelle ermöglicht.



Zusätzliche Arbeiter oder quadratische Vorarbeiter gibt es für das Erreichen von Meilensteinen. Das wäre zum Beispiel erreicht beim Bau von zwei Gebäuden oder Statuen oder nach Beliefern zweier Frachtschiffe. Da sollte auch zügig daraufhin gearbeitet werden, da mehr Arbeiter gleich mehr Aktionen bedeuten. Allerdings muss beachtet werden, dass beim Anheuern eines Vorarbeiters ein normaler runder Arbeiter aus dem Verkehr genommen wird. Der landet dann als Markierung auf einer Karte „königlicher Auftrag“, mit der zu Spielende unter bestimmten Voraussetzungen weitere Siegpunkte ergattert werden können. Die Vorarbeiter haben aber den Vorteil dass sie beim Einsatz eine deutlich verbesserte Version der Aktion für normale Arbeiter im selben Bereich ermöglichen. Zu viele Arbeiter sollte man allerdings auch nicht anheuern, denn die wollen mit ausreichend Nahrung (Rohstoff aus den Wiesen) versorgt werden. Hat man nicht genug Nahrung, kostet das Siegpunkte.

Die Zahl an verschiedenen möglichen (und meist auch wirklich sinnvollen) Aktionen ist zu jeder Zeit groß. Das Faszinierende dabei ist, dass die verschiedenen Mechanismen (Plättchen legen, Arbeiter platzieren, bauen, Belohnungen einstreichen...) derartig elegant miteinander verzahnt und verschränkt sind, dass spannende und spektakuläre Kettenaktionen möglich sind. Anfangs läuft man dabei Gefahr, auch mal was zu übersehen. Schnell hat man aber die Mechanismen verstanden, die die eigene Halbinsel mit dem zentral bedeutsamen Spielertableau und den zur Verfügung stehenden Ressourcen verbinden.



Hilfreich ist zu jedem Zeitpunkt die klare und funktionelle Symbolik. An mancher Stelle hätte ich mir vielleicht mehr Info in Reinschrift direkt im Material gewünscht. Ein so umfangreiches Spiel wäre aber wahrscheinlich durch sprachlich gebundenes Material in dieser Preisklasse nicht mehr realisierbar gewesen. Das stört allerdings auch nur in den ersten paar Runden. Hat man sich an die Symbole und den Aufbau des Tableaus gewöhnt, läuft das Spiel rund und man nähert sich rasch den auf der Schachtel angegebenen 75 Minuten Spieldauer pro zwei Spieler an. Die haben es allerdings in sich. Denn aufgrund der Zahl an Optionen artet „Cooper Island“ gerne in eine heftige Tüftel-Orgie aus.

Wirklich in die Quere kommt man sich dabei nicht, da so ziemlich jeder auf der eigenen Halbinsel vor sich hinbaut. Lediglich im Inselzentrum beim Arbeiter-Platzieren kommt es auf die Zugreihenfolge und die Pläne der Kontrahenten an. Prinzipiell darf man auch auf schon besetzte Arbeiterplätze legen, muss dann aber den schon liegenden Spielern Tribut zahlen. Und da Ressourcen heiß begehrt und stets schwer benötigt werden, tut das manchmal weh und wird lieber vermieden.



Gewonnen hat am Ende von fünf Runden, wer die meisten Siegpunkte ergattern konnte. Das ist letztlich schwer vorhersagbar, da es nicht nur viele Wege zu Siegpunkten gibt, sondern auch innerhalb eines Zuges noch mehrere Siegpunkte gewonnen werden können. Trotzdem sollte man immer im Auge behalten, wo sich die Schiffe der Gegner befinden, da diese nicht nur als Siegpunktmarkierung dienen, sondern gerne auch auf dem Weg um die Insel noch Bonus-Aktionen abgreifen.

Fazit: „Cooper Island“ ist ein echter Brocken. Wer sich an diesen heranwagt, wird allerdings mit einem wahrlich eleganten und anspruchsvollen Spiel belohnt, das auf spannende Weise mehrere Mechanismen zu einem größeren Ganzen verbindet. Die mehrstöckigen Plättchenberge auf den Halbinseln (und das Spielmaterial allgemein) sind eine wahre Augenweide. Wer sich nicht daran stört, dass die Tüftelei auch mal in Analyse-Paralyse ausartet (oder wer die Paralyse der Mitspieler gleich für eigene Analysen zu nutzen weiß), der wird auf der Insel faszinierende Stunden verbringen.

Cooper Island
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Andreas Odendahl
Pegasus Spiele 2019
EAN: 4250231725609
Preis: ca. 49,95 €
Sprache: Deutsch

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