Civilization

Wer kennt nicht „Sid Meier’s Civilization“? Nach der Veröffentlichung des ersten Computerspiels vor zwanzig Jahren sind vier Nachfolger und zahlreiche Ableger erschienen. Damit ist „Civilization“ eines der erfolgreichsten Spiele weltweit. Das PC-Spiel selbst basiert auf einem Brettspiel von 1980. Mit dem neuen „Civilization“ kehrt das Spiel also wieder zu seinen Wurzeln zurück.

von Peter Berneiser

 

 

Bei „Civilization“ gründen zwei bis vier Spieler mit ihren Zivilisationen neue Städte, bauen wertvolle Rohstoffe ab, erforschen Technologien und führen Kriege. Der Sieg kann militärisch, technologisch, wirtschaftlich oder kulturell errungen werden. Die unterschiedlichen Fähigkeiten von Ägyptern, Amerikanern, Chinesen, Russen, Römern und Deutschen legen den Grundstein für die Wahl der Strategie. Die Unterschiede zwischen den Zivilisationen sind zugleich ein kleiner Knackpunkt. Die Strategie ist mehr oder weniger vorgegeben, wenn man die eigene Fähigkeit voll ausschöpfen will. Deutschland hat beispielsweise deutliche Vorteile, wenn es einen militärischen Sieg verfolgt.

In der stattlich gefüllten Spielbox sind Hunderte Marker und Karten in gewohnt guter Qualität enthalten. Die Illustrationen sind erstklassig. Von den Zivilisationsbögen bis hin zu den Gebäudemarkern – „Civilization“ ist auch optisch ein Erlebnis. Die schlichte Gestaltung der Spielplanteile (vielleicht bin ich ein wenig von „Runewars“ verwöhnt) und der Armeefiguren (dünne Fähnchen) sowie die etwas zu klein geratenen Münzen und Kulturmarker schmälern den Gesamteindruck kaum. Angesichts der Menge und Qualität des Spielmaterials ist der Preis vollkommen in Ordnung. Die Spielanleitung ist übersichtlich, klärt aber nicht alle Fragen. Hier sollte nachgebessert werden. Insgesamt sind die kleinen Regellücken zu verschmerzen.

Spielvorbereitung

Auf den Marktplan werden die Gebäude, Wunder (sortiert nach Antike, Mittelalter und Moderne) und Einheiten (Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Luftwaffe) platziert, die von den Spielern gebaut und rekrutiert werden können. Die meisten Zivilisationen beginnen das Spiel mit Rang 1 bei ihren Einheiten.

Jeder Spieler erhält zufällig oder nach Absprache eine Zivilisation und den dazugehörigen Zivilisationsbogen, auf dem die besondere Fähigkeit, die anfängliche Staatsform sowie die Starttechnologie angegeben sind. Mittels einer Drehscheibe werden während des Spiels die Handelspunkte und Münzen festgehalten. Jeder Spieler legt seinen Kulturmarker auf das Startfeld der Kulturleiste auf dem Marktplan. Außerdem nimmt sich jeder Spieler einen Satz Technologiekarten und Staatsformen, Marker und Spielfiguren (Pioniere und Armeen) und zieht je eine Einheit Infanterie, Kavallerie und Artillerie. An die verdeckten Spielplanteile in der Mitte werden die Heimat-Spielplanteile der Zivilisationen gelegt. Nachdem jeder Spieler seine Hauptstadt platziert und seinen Startbonus erhalten hat (Ägypten erhält beispielsweise zu Spielbeginn ein Weltwunder der Antike), kann der Aufstieg der Zivilisationen beginnen.

Spielverlauf

Jede Spielrunde ist in fünf Phasen untereilt. Zuerst können neue Städte gegründet und Staatsformen geändert werden. Staatsformen haben unterschiedliche Effekte. So erhöht beispielsweise der Kommunismus die Produktion, hemmt aber die kulturelle Entwicklung. Anschließend wird Handel getrieben. Jeder Spieler zählt die Handelspunkte auf den Nachbarfeldern seiner Städte und auf den Feldern mit Pionieren. Handelspunkte können auch mit den Mitspielern getauscht werden. In der dritten Phase werden die Städte verwaltet. In jeder Stadt kann nur eine von drei Aktionen ausgeführt werden. Entweder wird fleißig produziert (eine Armee, ein Pionier, eine Einheit, ein Gebäude oder ein Weltwunder), ein Rohstoff abgebaut oder den Künsten gehuldigt. Neue Städte ermöglichen zusätzliche Stadtaktionen.

Die Kosten für eine Produktion dürfen die Anzahl der Produktionspunkte in den Nachbarfeldern einer Stadt nicht übersteigen. Fehlende Produktionspunkte können aber durch Handelspunkte ausgeglichen werden. Gebäude und Weltwunder werden um die Städte herum gebaut und bringen ihren Besitzern verschiedene Vorteile. Allerdings ist das darunterliegende Feld nicht mehr nutzbar (etwa beim Abbau von Rohstoffen).

Was wäre eine Zivilisation ohne Künste? Seit jeher ist die Kunst eine der bedeutendsten Kulturleistungen. Und so widmet sich eine Stadtaktion dem Kunsthandwerk. Statt Produktionsmarker werden Kulturmarker gesammelt und für das Voranschreiten auf der Kulturleiste ausgegeben. Dafür erhält der künstlerische Spieler entweder eine Ereigniskarte oder eine große historische Persönlichkeit. Die Ereigniskarten können in bestimmten Phasen gespielt werden und haben unterschiedliche Effekte. Große Persönlichkeiten werden wie Gebäude in freie Nachbarfelder von Städten gelegt und erhöhen beispielsweise die Verteidigung (zum Beispiel Napoleon). Mit der dritten Stadtaktion kann ein Rohstoff in der Nähe abgebaut werden. Rohstoffe sind selten und können für besondere Effekte von Technologiekarten verbraucht werden.

In der vierten Phase ziehen Pioniere und Armeen umher. Figuren können sich bis zu zwei Felder weit bewegen. Technologien wie die Reiterei erhöhen die Bewegung oder ermöglichen die Bewegung über Wasserfelder. Erreicht eine Figur ein unentdecktes Spielplanteil, wird es umgedreht. Auf die Hütten und Barbarendörfer des Spielplans werden Marker gelegt. Während die Bewohner der Hütten friedlich sind, wehren sich die Barbaren gegen die Eindringlinge. Für das Erkunden der Hütten und Erobern der Barbarendörfer erhalten die Spieler die Marker, auf deren Rückseite ein zufälliger Rohstoff abgebildet ist. Treffen zwei Armeen aufeinander oder greift ein Spieler eine gegnerische Stadt an, kommt es zum Kampf.

Jeder Spieler zieht dann Karten von seinem Einheitenstapel. Anschließend werden abwechselnd Einheiten von der Hand gespielt. Die Einheiten werden dabei auf die Seite gedreht, die ihrem Rang entspricht (Einheiten steigen im Rang, wenn eine entsprechende Technologie erforscht wurde). Je höher der Rang, desto höher die Stärke. Die Einheiten teilen Schaden in Höhe ihrer Stärke aus und können ebenso viel Schaden einstecken. Dabei gilt das Schere-Stein-Papier-Prinzip. Jede Einheit ist gegenüber einer anderen Einheit im Vorteil und teilt ihren Schaden zuerst aus. Greift beispielsweise eine Kavallerieeinheit mit Stärke 3 eine Artilleriestellung mit Stärke 3 an, wird die Artillerie vernichtet bevor sie zurückschlagen kann. Zwei Infanterieeinheiten mit Stärke 3 würden sich hingegen gegenseitig ausschalten. Zudem können neue Fronten eröffnet werden, um beispielsweise eine starke gegnerische Einheit zu umgehen. Wenn alle Einheiten gespielt wurden, zählen die Spieler die Stärkewerte ihrer überlebenden Einheiten zusammen. Gebäude (wie Kasernen), Persönlichkeiten oder Städte können das Endergebnis modifizieren. Der Spieler mit dem höchsten Kampfergebnis gewinnt und darf sich seine Beute vom Verlierer sichern (etwa Handelspunkte oder Rohstoffe). Die Kämpfe sind leicht zu handhaben und durch das Ausspielen der Karten spannend. Zudem sind sie schnell ausgetragen und unterbrechen den Spielverlauf nur kurz.

Zuletzt wird geforscht. Neue Technologien ermöglichen neue Staatsformen, bessere Einheiten, den Bau von Gebäuden und haben zahlreiche besondere Effekte, für die oft Rohstoffe ausgegeben werden müssen. Technologien kosten Handelspunkte. Dabei werden in der Regel alle Handelspunkte verbraucht. Für teure Technologien muss unter Umständen mehrere Runden gespart werden. Technologien sind einer von fünf Stufen zugeordnet und werden wie eine Pyramide angeordnet. Die Technologien der Stufe I bilden die Basis. Um eine Technologie der Stufe II erforschen zu können, benötigt ein Spieler zwei Technologien der Stufe I. Um eine Technologie der Stufe III erforschen zu können, benötigt er drei Technologien der Stufe I und zwei Technologien der Stufe II. Wer Stufe V erreichen will, muss also einiges investieren.

Spielziel

Die vielfältige Geschichte der Menschheit hat eines gezeigt: Jede Zivilisation entwickelt sich anders. So gibt es bei „Civilization“ auch vier Möglichkeiten, den Sieg zu erringen: Kultursieg, Technologiesieg, Militärsieg und Wirtschaftssieg. Bei „Civilization“ gewinnt derjenige, der zuerst das Ende der Kulturleiste erreicht, die fünfte Technologiestufe (Raumfahrt) erreicht, die Hauptstadt eines anderen Spielers erobert oder 15 Münzen sammelt. Münzen erhält man durch Gebäude, Wunder, Technologien oder Spielplanfelder. Die Siegbedingungen sind untereinander recht ausgeglichen, es gibt keinen herausragenden Weg zum Ziel. Alle Bereiche sind zum Vorankommen wichtig und sollten ausgebaut werden, allerdings muss man sich auf eine Siegbedingung konzentrieren und immer den Fortschritt der Mitspieler im Auge behalten. Nicht nur das eigene Vorankommen, sondern auch die Blockade anderer ist wichtig. Die Siege fielen bei den gespielten Partien recht knapp aus und die Spannung hielt bis zur letzten Runde an.

Fazit: Wer sich von einem komplexen Strategiespiel mit langer Spieldauer (über drei Stunden) und vielen Möglichkeiten nicht abschrecken lässt, sollte bei „Civilization“ zugreifen. Aufbau, Forschung und Kampf greifen wunderbar ineinander und ermöglichen ein stimmungsvolles Spielvergnügen mit niedrigem Glücksanteil. Einziger Wermutstropfen sind die Fähigkeiten der Zivilisationen, welche die Strategien der Spieler mehr oder weniger vorgeben. Wer einen anderen Weg einschlägt, verzichtet unter Umständen auf das kleine Quäntchen, das letztlich den Sieg ausmachen kann. Nichtsdestotrotz bietet „Civilization“ jede Menge anspruchsvolle Unterhaltung. „Civilization“ kaufen, Zeit nehmen, Spaß haben.


Civilization
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler
Kevin Wilson
Heidelberger Spieleverlag 2011
EAN: 4015566011434
Marktplan, 4 Übersichts- und 6 Zivilisationsbögen, 20 Spielplanteile, 33 Spielfiguren, 55 Kampfkarten, 224 kleine Karten, 397 Spielmarker, Regelheft, deutsch
Preis: EUR 39,95

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