Roll Player

Der Schöpfer zu sein, ist vor allem für Spieler nichts Ungewöhnliches. Hier ein neues Königreich, da eine schlagkräftige Söldnertruppe, dort eine Produktionskette. Alles bekannt. Seltener kann man mal wirklich einen Helden mit all seinen Attributen erstellen. Dieser Aufgabe sieht man sich nun in „Roll Player“ gegenüber.

von Lars Jeske

Spiele mit Würfeln sind seit jeher attraktiv und verfügen über das zusätzliche Glückselement, welches faktisch in den eigenen Händen liegt. Der eine liebt es, ein anderer verflucht sein Würfelpech. Dass man dennoch rund um Würfel ein Strategiespiel konzipieren kann, ist bei weitem nicht neu, bei „Roll Player“ jedoch elegant umgesetzt.  Da Würfel aktuell wieder im Kommen sind (dafür sprechen unter anderem die Neuerscheinungen „Dice Settlers“, „Coimbra“ oder „Sagrada“), passt auch das neue Spiel von Keith Matejka gut in die Zeit. Dies ist erst sein zweites Spiel, welches ebenfalls zuerst im Selbstverlag erschien. Nun hat dieses bereits den Weg zu einem großen deutschen Verlag gefunden. Pegasus Spiele hat dafür den englischen Namen beibehalten, wie es seit geraumer Zeit deren Trend ist (vgl. „Adventure Island“, „Spirit Island“ oder „Mystic Vale“).

Generiere einfach deinen Helden

Der Untertitel: „Das taktische Würfelspiel der Heldenerschaffung“ umreißt bereits gut, worum es geht und was es zu tun gilt. Jeder der 1 bis 4 Spieler sucht sich eine der 6 unterschiedlichen Rasse aus, welche unter anderem die Klassiker wie Mensch, Ork oder Elf sind. Diese Tableaus als Spielerunterlage bieten mit ihren Aussparungen Platz für 6 Reihen mit je 3 Würfel, mit denen dann der jeweilige Charakter erstellt wird. Diese Reihen bilden die Eigenschaften des Charakters ab, also die branchenüblichen Werte, angefangen mit Stärke, Geschicklichkeit und Kondition über Intellekt und Weisheit bis hin zu Charisma.

Dazu erhält jeder noch Zielvorgaben. Reihum ist es pro Runde am Startspieler, ein paar der Würfel des Spiels zu ziehen und diese zu würfeln. Wobei sich dann jeder Mitspieler einen Würfel auf sein Tableau legt, um so nach und nach seine Schöpfung zu formen. In einer zweiten Phase gilt es, auf dem Markt für sein Geld neue Waffen, Rüstungen, Fertigkeiten oder Merkmale zu erwerben. Wenn bei jedem Spieler 18 Würfel verteilt sind, wird gewertet und der Spieler mit den meisten Punkten entsprechend der persönlichen Zielvorgaben gewinnt. So weit, so einfach.

Lege die Würfel geschickt

Da es sich jedoch um ein Kennerspiel handelt, sind noch ein paar Kniffe in das Spiel eingebaut, die die Komplexität erhöhen. Das fängt bereits bei der Wahl des Charakters ab. Der Mensch wird dabei als Median verstanden. Die anderen Rassen haben jeweils eine Modifikation von +2 und -2 auf jeweils einen Wert. Ein Halbling hat somit logischerweise weniger Stärke, aber mehr Charisma, unabhängig von den oben erwähnten Zielvorgaben. Diese werden nämlich nun zufällig verteilt, je nachdem welchen farbigen Würfel man initial zufällig zielt. Also Augen auf bei der Berufswahl. Glücklicherweise ist die Karte jeweils beidseitig bedruckt, sodass man mit dem blauen Würfel zumindest noch zwischen Magier und Zauberer wählen kann, welche je über eine andere Spezialfähigkeit und benötigte Charakterwerte verfügen. Ganz so wie man es erwartet und nun freudig darauf hinspielen kann.

Dem Kleriker bringen selbstverständlich weiße Würfel Extrapunkte … denn ja, selbstverständlich gibt es verschiedene Würfelfarben, sogar 7 an der Zahl. 6 für die verschiedenen Klassen und die andere ist gelb, die Farbe des Geldes mit der Sonderfunktion im Spiel, auch wirklich bare Münze einzubringen. – Spätestens an dieser Stelle sind die Gelegenheitsspieler schon gut gefordert, da es wichtig ist, welchen Würfel man sich nimmt. Nicht nur deren erwürfelte Augenzahl. Die (zufällige) persönliche Vorgeschichte gibt den Spielern nämlich auch noch Extrapunkte, so man pro Eigenschaft genau einen in der entsprechenden geforderten Farbe richtig platzieren kann. Das erinnert vage an das ebenfalls neu erschienene „Sagrada“.

Erkenne clevere Modifikationskombinationen

Um aber wirklich mehr als ein anspruchsvolleres Familienspiel zu sein, gibt es noch pro Charakter eine Gesinnung, deren Verhalten ebenfalls Punkte einbringen kann oder im schlimmsten Fall den Spieler welche verlieren lässt. Man muss sich als Gauner eben eher böse verhalten, als Wahrheitssuchender gibt es selbstverständlich Punkte dafür, rechtschaffen und gut zu agieren. Das sollte man ebenfalls berücksichtigen, wenn man entsprechende Fertigkeiten auf dem Markt erwirbt, deren Anwendung den Charakter entsprechend verändern.

Den einen Würfel pro Runde nimmt man zudem nicht einfach nur so, sondern bestimmt damit die Initiative, sprich den Zeitpunkt, wann man auf dem Markt gehen kann und das Geld für eine Karte der Restauslage auf den Kopf hauen kann. – Und hatte ich erwähnt, dass man beim Platzieren eines Würfels noch pro Eigenschaft eine bestimmte Attributaktion auslösen kann, um sein Tableau der bisher gelegten Würfel zu verändern? Hierbei gibt es ebenso keine Überraschung, denn jede Art der Manipulation, die man sich denken kann, ist dabei. Unter anderem den Würfelwert erhöhen oder verringern, Positionen tauschen oder neu würfeln. Jetzt glänzen die Augen von rollenspielaffinen Brettspielern richtig.



Reglement & Spielgefühl

Die 16seitige Spielanleitung mit reichlich Bildern und Beispielen ist leicht zu verstehen, logisch aufgebaut und kommt ohne Umschweife auf den Punkt. Man kann anschließend wirklich ohne Fragen losspielen. Die Regeln sind einfach, die Möglichkeiten der Würfelplatzierung und Modifikation jedoch mannigfaltig und niemals gleich. Bereits in der ersten Partie durchschaut jeder affine Spieler die Idee des Spiels und die gefühlte Komplexität wird eher zu einem Dilemma der optimalen Möglichkeit. Da jeder Spieler reihum immer wieder einmal Startspieler wird, ist es im Prinzip sogar egal, was die Würfel der Auslage zeigen, da man sie nur geschickt nutzen muss. Da man sowohl hohe als auch niedrige Augenzahlen gebrauchen kann, gibt es zumeist wenig Gerangel um diese. Man ist somit nicht auf das Würfelglück angewiesen, diese sind eher Mittel als Zweck, da „Roll Player“ eher ein Strategiespiel ist. Somit wird man nicht gespielt, sondern kann selber entscheiden.

Da in einer ordentlichen Partie sich auch jeder einfach „nur“ für einen Würfel entscheiden muss, ist das Spiel auch relativ flüssig und die gute Stunde vergeht im besten Fall wie im Flug. Zum Ende der Partie hin kann es aufgrund der angehäuften Spielerkarten wieder etwas langsamer werden, da man alles im Blick haben muss für die finale Optimierung. Über 90 Minuten sollte eine Partie aber nicht dauern. Wenn man das Spiel erst einmal verstanden hat, ist man hinterher auch nicht komplett erschöpft, wie nach einem mentalen Übungskampf. Ab 10 Jahre halte ich jedoch für fraglich. Um richtig Spaß zu haben, sollte das Kind schon noch etwas älter sein.

Damit man nie die Übersicht verliert, liegt der Rundenablauf für jeden Spieler bei und hilft vor allem den Grünschnäbeln. Damit sich kein Mitspieler beschweren kann („Was, dafür gibt es auch Punkte? Das hast du nicht erklärt!“) oder den Fokus verliert („Warum spiele ich das hier nochmal?!“) sind die finalen Wertungen auf jedem Tableau bereits abgedruckt, sodass man sich jederzeit errechnen kann, wie viele Punkte man bereits seinem Charakter antrainiert hat.

Die Spielausstattung

Das Cover ist leider sehr klischeehaft geworden. Film-Arwen-&-Aragorn dienten eindeutig als Inspiration dafür, ebenso erinnert der rote Power Ranger der Rückseite stark an Beregond vom „Herr der Ringe LCG“. Aber um Aufmerksamkeit zu erregen, reicht das, und wie bei einem guten Buch, sollte man bei einem Spiel auch nicht nach dem Cover gehen. Die Marktkarten (ebenfalls von John Ariosa gestaltet), welche die einzigen Illustrationen des Spielmaterials beinhalten, sind nämlich bedeutend besser und passen wunderbar in die Rollenspielerwelt. Gedruckt sind alle Karten auf stabiler Pappe, um nicht leicht zu knicken. Leider nutzen sich die Ränder dennoch schnell ab. Da es jedoch keine verdeckten Handkarten gibt, ist das nicht tragisch, sondern eher ein atmosphärischer Vintage-Look. Eine Beeinträchtigung des Spieles gibt es dadurch auf keinen Fall.

Die 72 Würfel sind gut lesbar, schön stabil und sinnvollerweise eckig. Damit passen sie sehr gut in die Vertiefungen auf den Tableaus und rutschen nicht weg. Einhellige Meinung war jedoch, dass Würfel mit Zahlenwerten für dieses Spiel besser gewesen wären. Denn da man so oft alles nachrechnen muss, sind ‚richtige Zahlen‘ einfach gewohnter und würden dem Spielfluss zu Gute kommen und diesen erleichtern.

Spieleranzahl & Wiederspielbarkeit

Wenngleich Klasse, Vorgeschichte und Gesinnung zufällig verteilt werden, sind doch durch jede Karte einer Rubrik gleich viele Punkte zu erhalten, sodass man nicht als Druide Nachteile (oder Vorteile) gegenüber einem Krieger hat. Man muss eben nur andere Attribute stärken. Somit gibt es immer wieder neue Möglichkeiten und die Wiederspielbarkeit ist nahezu unbegrenzt. Zusätzlich sind bereits ein paar Regelvarianten vom Autor vorgeschlagen. Mit mehr Spielern macht „Roll Player“ mehr Spaß und ist weitaus unvorhersehbarer. Die Würfelauswahl ist größer, wodurch man jedoch strategischer spielen kann. Das Spiel funktioniert aber auch sehr gut für 2 Spieler, hierbei ist es dann sogar etwas bedeutender, was gewürfelt wurde.

Der Solo-Modus gegen einen Bot ist hingegen chaotisch, da hier wirklich einmal durch Würfelglück etwas entschieden wird und der Gegner somit nicht ganz so berechenbar ist, wie ein menschlicher Spieler es mit seinen Charakterzielen wäre. Als Einzelspieler geht es dann nur darum, wie viele Punkte man erreicht hat und ob man somit als wahrer Held in die Geschichte eingehen wird oder als unbedeutender NSC umherwuselt. Da man die Marktkarten bereits nach ein paar Spielen allesamt gesehen hat und auch sehr gut kennt, gibt es in einer potenziellen Erweiterung vielleicht hier weiteres Material.

Fazit: Rollenspieler fühlen sich bei „Roll Player“ sofort wie zu Hause. Nicht nur wurde auf gängige Klischees zurückgegriffen (der Ork ist dabei, blaue Würfel für den Magier, ein Schurke benötige einen hohen Wert in der Geschicklichkeit, etc.), sondern diese auch konsequent berücksichtigt. Ganz so, wie man es von der Charaktergenerierung der bisher bestrittenen analogen oder digitalen Rollenspiele her kennt. Das Spiel spielt sich wie der große Bruder von „Sagrada“, allerdings mit etwas mehr Anspruch als „nur“ die Würfel zu platzieren. Ausstattung und Spielerlebnis sind auf alle Fälle einladend und aufgrund der moderaten Spielzeit für die richtige Gruppe ein passendes Spiel für zwischendurch.

Roll Player
Brettspiel für 1-4 Spieler ab 10 Jahren
Keith Matejka
Pegasus Spiele 2018
EAN: 4250231716553
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,95

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