Phex-Vademecum

Als der Gott der Diebe und Händler ist er bekannt, der Herr der Schatten und der Sterne. Doch wer hätte gedacht, dass auch mancher Reisende den Gott Phex um Beistand bittet oder dass es mit den Schattenkriegern Kämpfer in seinem Namen gibt? Und gilt er bei den Zwergen wirklich als kleiner Bruder des mächtigen Angrosch? Das „Phex-Vademecum“ beantwortet solche Fragen, gibt aber auch neue Rätsel auf, ganz wie es sich der listige Gott vorstellt.

von Ansgar Imme

Geweihte des Diebes- und Händlergottes Phex gehören sicherlich zu den häufiger gespielten Charakteren bei „Das Schwarze Auge“. Und doch hat es bis zum Erscheinen dieses Vademecums etwas gedauert. Die Autorin ist ein unbeschriebenes Blatt – man findet keinen Beitrag zu Spielhilfen, Abenteuern oder wenigstens Artikeln im „Aventurischen Boten“. Hier hat der Ulisses-Verlag hohes Vertrauen in die Premiere gesetzt ... oder hat auch hier der Gott seine Hände im Spiel und es handelt sich in Wirklichkeit um einen doch bekannteren Autor, der sich geschickt hinter einem Rätsel verbirgt?

Der Inhalt

Das „Phex-Vademecum“ enthält 160 etwa DIN-A5-große Seiten, welche mit Ausnahme des Vorworts eine Ingame-Sammlung von Texten, Gebeten und Rätseln eines unbekannten Phexgeweihten für einen seiner Schüler beinhalten.

Der Einstieg erfolgt direkt praxisnah für Spieler mit Gebeten zu Ehren des Gottes der Diebe und Händler. Hier werden sowohl verschiedene Arten von Gebeten und deren Ablauf erklärt als auch spezielle Gebete verschiedener Regionen Aventuriens (vom Svelltland bis zu den Tulamiden) explizit vorgestellt. Im Folgenden geht es um das liturgische Wirken in Form der zwölf Segnungen und deren Ausprägungen in der Phexkirche sowie die besonderen Liturgien des Diebesgottes. Die Segnungen sind dabei alle in Form eines Handels aufgebaut beziehungsweise bieten als Gegenwert einen Vorteil für Phex an. Die Liturgien beschreiben sowohl unscheinbare Zeichen als Hinweise von Phex? Wirken als auch die Abläufe und Wirkungen phexischer Mirakel. Eine Beschreibung der Gottesdienste und Rituale der Phexkirche wiederum verschiedener Regionen und Ausprägungen runden die drei spielnahen Kapitel ab.

Der vierte Abschnitt geht auf das Gefolge von Phex und seine halbgöttlichen Nachkommen wie Nandus, Aves, Borbarad und Rohal, Mada und die himmlische Gauklerschar ein. Hier finden sich vor allem viele altaventurische Quellentexte. Aber auch Heilige und lebende Legenden werden kurz vorgestellt. Es folgen Artefakte und Werke der Kirche. Von den meisten hat der normale Spieler vielleicht noch gar nicht gehört: Phexens Schattenraum, seine Axt Sternenschweif, die neun Masken der Täuschung oder „der erste Nickel“. Abgeschlossen werden die Kapitel von Beschreibungen rund um die Kirche und den Glauben sowie einer Schilderung des Aufbaus der Kirche selbst. Hier findet man die Unterscheidung der Geweihten im Rang, die Art und Weise der Ausbildung oder die Unterschiede der Tempel als öffentliche oder verborgene Häuser.

Mit den Orden innerhalb der Phexkirche beschäftigt sich das siebte Kapitel. Im Gegensatz zu beispielsweise Praios, Rondra oder Hesinde finden sich hier aber nicht klassische Ordensbünde, sondern Handelsgesellschaften wie die Mada Basari oder die Nachrichtenagentur Nanduria. Dazu gibt es mehrere verborgene Sekten, die dem normalen Aventurier nicht bekannt sind. Aber auch die Prinzipien der Phexkirche werden beschrieben: Und so findet man neben Handel und Diebeskunst auch Erklärungen zu unerwarteten Aspekten wie Strafe, Jenseits, Kampf und die Warnungen vor dem dämonischen Widersacher. Sowohl für Spieler als auch den Spielleiter eignen sich die Hinweise zur regionalen Ausprägung des Phexglaubens im neunten Abschnitt, die sowohl auf die Verbreitung wie auch das Ausleben des Glaubens eingehen und dabei sogar die Tulamidenlande oder die Zwerge bedenken. Die Geheimnisse und verborgenen Orte des Phexglaubens und der Kirche finden sich im vorletzten Kapitel, in dem vom legendären Orkenhort, der Magie der Zahlen oder der Phexenskluft in den Nebelzinnen erzählt wird. Ganz praktische Vorschläge finden sich im abschließenden Teil zur Ausgestaltung des Phexgeweihten, welches sowohl das heimliche wie offene Auftreten thematisiert und wie man in einer Gruppe damit umgeht, als auch die Tugenden und Gebote, das höchste Ziel eines jeden Geweihten oder die Anwendung von Liturgien.

Einige freie Seiten zur eigenen Ausgestaltung und für Notizen beenden das „Vademecum“.

Bewertung

Nichts unterscheidet das „Phex-Vademecum“ von seinen Vorgängern, was die Farbgebung und das Cover betrifft – hier in phexischem Grau gehalten und mit dem Fuchs als einziger Illustration als Begrüßung. Doch inhaltlich lassen sich durchaus einige Unterschiede finden, vom Offensichtlichen wie anderen Liturgien oder heiligen Orten mal ganz abgesehen. Zwar ist auch hier die Anzahl der Innenillustrationen durchaus überschaubar, aber im Gegensatz zu anderen Vademecums sind die Bilder nicht bewusst auf alt getrimmt. Dazu passen diese auch sehr gut zu den Texten. Komplett anders als alle anderen Vademecums ist die Einbindung phexischer Aufgaben in Form von Rätseln für den Leser. Dies ist zwar für den phexischen Schüler des Autors angelegt, aber natürlich kann auch der Leser sich im Entschlüsseln versuchen. So finden sich über den Band verstreut seltsame Anmerkungen, Zahlenkolonnen oder unlesbare Buchstabenreihen. Als Hilfe dient im hinteren Teil des Bandes eine Drehscheibe mit Symbolen, Zahlen und Botschaften. Die Rätsel sind allerdings weitestgehend sehr anspruchsvoll und nicht für zwischendurch gedacht. Autorin und Verlag haben dazu extra ein 40-seitiges (!)  PDF veröffentlicht, was den Aufwand und Umfang verdeutlicht. Einerseits grandios, dass solch ein Aufwand im Vorfeld der Texte betrieben wurde, andererseits ist zu vermuten, dass kaum ein Leser dies entdeckt hat. Leider findet man neben dieser tollen Idee auch etliche leere Seiten zwischendurch und am Ende, die als Vakatseiten für Notizen bezeichnet werden. Erneut hat man den Eindruck, dass die Seitenplanung nicht gelungen ist.

Der spielerische Nutzen wie auch die Unterstützung für den Spielleiter ist hoch und sehr hilfreich. Auch wenn die Gebete etwas lang geraten sind und kaum im Rollenspiel oder Live-Rollenspiel in dieser ausführlichen Form so benutzt werden, geben sie doch einen sehr guten Einblick und schaffen tolle Atmosphäre. Und in Einzelfällen mag auch mal rezitiert werden. Kürzer und schnell einsetzbar sind dagegen die Liturgien, bei denen sowohl die Hintergründe und der Ablauf einer jeweiligen Liturgie erläutert, aber auch der Text aufgeführt werden. Dabei erhält man auch Einblicke in Bereiche, die man vielleicht nicht unbedingt mit Phex verbindet, wie einen Wege-Segen oder einen Segen zum Kunstverstand. Alles ist dabei immer in direkter Ansprache des Lehrers an den Schüler dargestellt.

Ebenso gut verhält es sich mit den Artefakten, dem Aufbau und der Organisation der Kirche sowie deren Orden. Alles orientiert sich an einer Nutzbarkeit im Spiel und liefert trotzdem neue, unbekannte Ideen und Anstöße. Dabei wird auch immer wieder der Gegensatz von öffentlichem Auftreten und dem heimlichen und verborgenen Vorgehen hervorgehoben. Dabei lernt der Schüler (und Leser) unbekannte oder wenig beachtete Aspekte, Sekten und Orte außerhalb von Diebstahl und Handel kennen. Die regionalen Ausprägungen helfen zudem dabei dem Spieler, einen Phexgeweihten aus dieser Gegend mit eigenem Flair zu versehen, und dem Spielleiter, das Auftreten phexischer Gegenspieler mit unterschiedlichem Auftreten zu versehen. Spannend sind zudem die vielen Tipps zur Ausgestaltung der Figur eines Phexgeweihten innerhalb einer Spielgruppe: Die Autorin diskutiert sowohl das öffentlichen Auftreten als Geweihter oder das Verbergen der Identität mit seinen Vor- du Nachteilen. Weitere Spieltipps zu den Tugenden, einem besonderen Ziel oder den Liturgien helfen sehr bei der Ausgestaltung.

Fazit: So wie Phex eher im Geheimen wirkt und ein Phexgeweihter eher kleine Kräfte wirken lässt und nicht zu sehr auffallen will, verhält es sich ähnlich auch mit dem „Vademecum“: praktisch, spielnah mit vielen kleinen Hinweisen und Tipps (und knackigen Rätsel, die vom Gott selbst stammen könnten). Natürlich sind die Vademecums alle zusätzliche, ergänzende Publikationen, auf die man auch verzichten kann. Aber gerade das „Phex-Vademecum“ unterstützt sowohl den Spielleiter und erst recht den Spieler sehr bei der Ausgestaltung des Phex-Glaubens und ist sehr empfehlenswert.

Phex-Vademecum
Quellenbuch
Linda de Michko
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 3957520312
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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