Boron-Vademecum

Das Vademecum des Schweigsamen oder auch Ewigen erläutert als Hintergrundmaterial alles Wichtige zu Heiligen und Talismanen der Kirche, der Ausübung von Liturgien, Gebeten, Liedern und Ritualen oder auch Informationen zu den Alveraniaren. Dabei wird immer wieder auf die Unterschiede der beiden Zweige der Boronkirche aus dem Puniner und Al’Anfaner Ritus eingegangen und die entsprechenden Auswirkungen auf das alltägliche Wirken der Geweihten verdeutlicht. Sowohl Spieler als auch Spielleiter finden Hinweise für die rollenspielerische Darstellung der Geweihten und des Spieleinbindung.

von Ansgar Imme

In der ursprünglichen Idee hatte der Verlag nur die Umsetzung von ein, zwei oder drei Vademecums geplant – vor allem zu den beliebtesten „Spieler-Kirchen“ wie der Göttin Rondra. Doch durch die hohe Nachfrage der Spieler entschloss man sich, schließlich allen zwölfgöttlichen Kirchen und eventuell sogar weiteren Halbgöttern eine entsprechende Spielhilfe zur Verfügung zu stellen, die vor allem in der Umsetzung des Rollenspiels, aber auch bei Live-Rollenspielen helfen soll.

Als Autoren fanden sich Christian Bender, Tina Hagner, Martin Schmidt und Georg Blaudow zusammen, wobei vor allem Tina Hagner und Martin Schmidt bereits durch einige Texte in Spielhilfen, Anthologie-Abenteuern oder Artikeln des „Aventurischer Bote“ bekannt sind.

Der Inhalt

Im Gegensatz zu anderen Spielhilfen ist das „DSA“-Vademecum – mit Ausnahme von Impressum und Vorwort – wie ein echter Bericht aus der Kirche aufgemacht. Ein Geweihter oder externer Beobachter erzählt aus den jeweiligen Bereichen. Auf 170 kleinformatigen Seiten spricht hier der Borongeweihte Xeliander von Chetoba oder zitiert andere Quellen zu seiner Kirche.

Der Band beginnt mit einem allgemeinen Abschnitt zum Wesen des Gottes, in welchem die besonderen Aspekte der Gottheit wie Schlaf, Traum oder Vergessen aufgeführt sowie die beiden Kirchen des Puniner und Al’Anfaner Ritus konkretisiert werden. Das zweite Kapitel bringt dem Leser sowohl in „historischen“ Quellentexten wie auch Kommentaren des Geweihten die Alveraniare (wie Uthar oder Rethon) und Heiligen (wie Etilia oder Kalid) näher und erläutert, wofür sie stehen und welche Aufgabe sie in der Boronkirche wahrnehmen. Im dritten und vierten Teil lernt der Leser die beiden Kirchenzweige kennen: Sowohl zum Puniner als auch dem Al’Anfanger Ritus werden die Struktur respektive Hierarchie des Ritus, Tracht und Ornat der Diener und Geweihten, Umgang mit Gläubigen sowie die Boron besonders zusagenden Tempelgaben der Gläubigen geschildert.

Das fünfte Kapitel geht dann auf mehr als 20 Seiten ausführlich auf die verschiedenen Liturgien in Form von Segen, Bannflüchen und Gnadenssprüchen ein. Es werden einerseits die Wirkungen erläutert und andererseits der genaue Ablauf sowie Vorgehen des Geweihten geschildert, sodass ein Spieler dies im Rollenspiel besser verdeutlichen und ausspielen kann. Der sechste Abschnitt hat eine weitere praxisnahe Verwendung, wenn der Gottesdienst und Rituale der Boronkirche sowie in der Kirche genutzte Gebete zum Teil mit „echten“ Formulierungen beschrieben werden. Der Alltag des Geweihten und seine dort genutzten Gebete werden im siebten Teil des Bandes aufgeführt. Hier finden sich genaue Abläufe, was der Geweihte zu tun hat, und vorformulierte Gebete beider Kirchen beziehungsweise Riten.

Das achte Kapitel beschäftigt sich mit den Talismanen, Artefakten und heiligen Gegenständen beider Kirchen, auf die die Kirchenoberen, hohe Geweihte oder auch Geweihte in Not zugreifen können, und schildert, welche Kraft diesen Gegenständen innewohnen sowie wie man sie nutzen kann. Im neunten Abschnitt wird es dann weltlicher, wenn die Orden und Einheiten der Kirchen erläutert werden: Hier findet man die Basaltfaust, den Orden der Etilia, die Golgariten oder die Noioniten wieder. Über das dereweite Wirken Borons über Aventurien hinaus wird im zehnten Kapitel berichtet, wobei sich hier viele Gerüchte und Annahmen finden. Der elfte Teil wird wieder sehr praktisch für den Spieltisch, da sich Anregungen zum Spiel und zur Ausgestaltung des Borongeweihten finden. Hier wird auf Gebote, Verbote, Tugenden oder Ideale, das Verhältnis zu den anderen zwölfgöttlichen Kirchen sowie die Motivation des Geweihten im Spiel eingegangen. Für letzteres finden sich zudem mehrere Konzepte, wie man den Geweihten in einer Gruppe einbinden kann oder warum dieser überhaupt in die Welt hinauszieht. Während das zwölfte Kapitel nur einige kurze Anmerkungen enthält, findet sich im abschließenden Abschnitt die beispielhafte Weihe eines Boronangers (Friedhofs), in dem von der Vorbereitung über den Ablauf bis zu den zu sprechenden Worten alles komplett geschildert wird.

Bewertung

Die Vademecums stellen eine ganze eigene Art von Spielhilfen dar, die nicht mit den normalen Spielhilfen zu Regionen, den Magierakademien oder der Meeresspielhilfe zu vergleichen sind. Schon das Format ist mit etwa DIN-A5-Größe ganz anders, und auf den 170 Seiten findet sich eine wesentlich größere Schrift. Damit ist der Inhalt bei ähnlicher Seitenzahl nicht mehr vergleichbar. Allerdings ist auch der Preis mit knapp 15 Euro geringer als bei einer Spielhilfe selber Seitenzahl. Dazu findet man kein wirkliches Cover, sondern nur ein stilisiertes Zeichen des Gottes. Die ganz wenigen Illustrationen sind als grobe Skizzen oder Zeichnungen enthalten, die nicht mit denen aus den normalen Spielhilfen mithalten können. Allerdings scheint dies hier eher beabsichtigt zu sein (was zudem zum Gott Boron passt, der sich zumindest im Puniner Ritus auch eher bescheiden gibt).

Wenn das Äußere eher karg und einfach gehalten ist, muss man stattdessen auf einen guten und reichlichen Inhalt hoffen. Und hier glänzt die Spielhilfe wirklich. Bereits mit dem Abschnitt zum Wesen des Gottes erhält der Leser und Spieler einen tiefen Einblick zur Gottheit, der viele Aspekte beleuchtet, die schnell und leicht im Spiel – vor allem dem klassischen Rollenspiel – umgesetzt werden können, wenn man über die Gottheit spricht. Dabei werden auch genügend Unterscheidungen der Betrachtung Borons für die verschiedenen Regionen Aventuriens aufgeführt. Eine Fortsetzung vor allem zum Auftreten und Aussehen findet sich dann in den jeweiligen Kapiteln zu den beiden Kirchen beziehungsweise Riten, wenn sowohl Ornat und Tracht wie auch der Umgang mit den Gläubigen viele hilfreiche Hinweise vor allem für den Spieler bietet, die dieser gegenüber seinen Mitspielern aber auch mit Nichtspielercharakteren umsetzen kann.

Der Spielleiter wird hingegen vermutlich die Infos zu den Alveraniaren als auch zur Struktur der Kirche nutzen können und somit den Hintergrund im Spiel bereichern. Eine ganz hohe Spieltauglichkeit findet sich dann in den drei Kapiteln zu den Liturgien, Ritualen und Gebeten. Dabei wird natürlich zwar hauptsächlich auf die Boron zugehörigen, aber auch die Abwandlung der sogenannten 12 Segnungen eingegangen, die Geweihten aller zwölfgöttlichen Kirchen zur Verfügung stehen. Wer sich schon immer fragte, wie ein Borongeweihter einen Geburts- oder Feuersegen aussprechen mag, der wird hier direkt fündig. Ob als Anregung oder direkte Übernahme für den Spieltisch: Sowohl der Ablauf als auch die zu sprechenden Worte werden geschildert und können von Spieler wie Spielleiter (für NSC) genutzt werden. Diese sind dabei so gut beschrieben, dass man sich dies bildlich vorstellen kann. Ansonsten findet man ausführlich unzählige Liturgien und Gebete aus der Boronkirche, wobei auch hier wieder auf Unterschiede der beiden Riten eingegangen wird.

Nicht zuletzt ist das Kapitel zur Ausgestaltung des Geweihten selbstverständlich ein Muss, in dem man Gebote, Verbote, Tugenden und Ideale findet, die die wesentlichen Merkmale des Gottes/der Kirche auf den Lebensalltag und den Geweihten übertragen. Die Beschreibung des Umgangs mit den anderen Kirchen sowie die Kirche aus den Augen des normalen Volkes runden den Spieleinsatz ab. Sehr hilfreich kann zudem noch das Nutzen der vorgeschlagenen Konzepte sein, welche die Ausprägung des Geweihten und damit die Einführung im Abenteuer erleichtern (Totengräber, Seelsorger, Traumdeuter, Ordenskrieger etc.). Hier finden sich viele Ideen auch abseits des klassischen Boronpriesters, die das Spiel bereichern.

Auch wenn der Spielleiter obige Bereiche für seine Nichtspielerfiguren ebenso nutzen kann, findet vorrangig er im Kapitel zu den Talismanen und Artefakte hilfreiche Beschreibungen, vor allem da die Boronkirche im Gegensatz zu manch anderen Kirchen doch einige davon besitzt. Ebenso hilfreich mögen ihm die Schilderungen zu den Orden und Einheiten in den Kirchen sein, während der Spieler aus beiden Kapiteln nur ein wenig oberflächliches Wissen benötigt (ohne dass es aber nutzlos wäre). Kurze Beschreibungen reichen für die unterschiedlichen Darstellungen am Spieltisch aus, sofern die Spieler auf diese Orden treffen.

Fazit: Wer wegweisende Illustrationen und Cover erwartet, ist hier eindeutig falsch. Dafür kann der Inhalt umso mehr überzeugen! Spieler eines Borongeweihten oder Spielleiter, die tiefer in die Materie eintauchen wollen und mehr zur Kirche und Liturgien oder Gebeten wünschen, werden hier eindeutig fündig und können beide durchgängig – mal mehr, mal weniger – Informationen aus dem Band entnehmen. Das Material bietet einen hohen Spielnutzen und kann vielfältig das Rollenspiel der Kirche oder eines Geweihten sowie deren Ausgestaltung unterstützen. Für die Interessierten der Boronkirche ein absolutes Muss!


Boron-Vademecum
Quellenbuch
Christian Bender, Tina Hagner, Martin Schmidt und Georg Blaudow
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 3957521149
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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