Travia-Vademecum

Wärme, Zusammenhalt, Treue und Liebe findet man bei der Göttin und den Priesters des Herdfeuers, der Ehe, der Heimat und der Familie. Häuser und Schreine der Travia finden sich fast überall und haben einen festen Halt bei den Menschen. Im Vademecum wird geklärt, wie es sich mit Eiden vor Travia verhält, wie die Göttin das Leben der Menschen beeinflusst oder wie sich die traviagefällige Gastfreundschaft zeigt. Neben Hintergrundmaterial zur Kirche, ihren Geweihten oder heiligen Orten finden sich auch Informationen zu Liturgien, Gebeten, Orden und Glaubensgemeinschaften.

von Ansgar Imme

Als die Vademecums auf den Weg gebracht wurden, dachte man im Verlag noch nicht daran, wirklich alle „Zwölfgötter“ mit einem Vademecum zu versehen. Praios und Rondra auf jeden Fall, vielleicht auch Hesinde oder Phex als oft gespielte Geweihte, aber doch nicht Tsa oder Travia. Doch der Erfolg und die Nachfrage waren so groß, dass schließlich alle „Zwölfgötter“ sowie sogar ein paar Halbgötter ihre Veröffentlichung bekamen.

Der Inhalt

Wie üblich erscheint auch das „Travia-Vademecum“ in einem etwa DIN-A5 großen Büchlein mit 160 Seiten und enthält vor allem aventurische Schilderungen, Geschichten, Gebete und Beschreibungen, hier aus der Sicht eines Travia-Geweihten.

Der Band beginnt mit den Gebeten zu Ehren Travias. Hier wird auf Aspekte wie Morgendank, Rast, Heimkehr oder Hausgebete eingegangen. Ergänzt wird dies im zweiten Kapitel durch Choräle und Lieder, die zu Ehren der Göttin des Herdfeuers gesungen werden. Auch hier findet sich der Schwerpunkt in Gesängen zu Heimkehr oder vor allem Zusammenhalt, beispielsweise auch in einer Zunft der Bäcker. Das liturgische Wirken der Priester wird dann sowohl im Rahmen von spontanen Stoßgebeten wie auch ritualisierten Liturgien verdeutlicht. Beispiele sind der Speisesegen zur Kräftigung und Reinigung von Essen oder der Reisesegen zur sicheren Reise und steter Aufnahme bei Fremden. Gottesdienste und Rituale bilden den vierten Abschnitt, welche im Beisein vieler Menschen stattfinden: Der Ehesegen beziehungsweise die Feier des Travia-Bundes, die Weihe des Heimatortes oder die Speisung von Armen. Zu allem finden sich ausführliche Beschreibungen zum Ablauf, Hintergründen der Rituale wie auch aventurische Quellen.

Weniger spielnah erweitern die nächsten vier Kapitel den Hintergrund. Als erstes wird der Umgang der Göttin Travia und ihrer göttlichen Geschwister beleuchtet, sofern deren Aspekte sich im Travia-Glauben wiederfinden. Ebenso werden im zweiten Schritt Alveraniare und Heilige der Kirche vorgestellt und vor allem der Umgang der Aventurier mit diesen in aventurischen Quellen und Texten aufgezeigt. Dann beschreibt das insgesamte sechste Kapitel die Werte und Prinzipien, die der Travia-Kirche zugrunde liegen. Hier erfährt man mehr zu Gastfreundschaft und Herdfrieden, Tempelasyl, Wahrung von Sitte und Anstand und vor allem dem prägenden Travia-Bund als Grundlage der Familie. Im letzten Teil dieser Hintergrundabschnitte wird über die Geschichte der Kirche, ausgehend vom Alten Reich und den ersten Siedlern aus dem Güldenland über den Beginn des Neuen Reichs mit Raul dem Großen, die Magierkriege, Erbfolgekriege bis zur Rückkehr Borbarads in der jüngeren Zeit, berichtet.

Das letzte Drittel des Bandes kann wieder stärker im Spiel genutzt werden. Zunächst werden die Ränge der Kirche vorgestellt und welche Funktionen sie haben. Ebenso werden wichtige oder heilige Orte vorgestellt und sehr ausführlich auf die kulturellen Unterschiede des Travia-Glaubens in ganz Aventurien eingegangen. Im folgenden Abschnitt werden in vorwiegend aventurischen Quellen die Heiligen der Kirche sowie bekannte Artefakte wie der Heilige Kessel zur Hungerlinderung beschrieben. Gerade die Kirche Travias stellt einige bekannte Orden und Gemeinschaften, die im zehnten Kapitel aufgezeigt werden, etwa die Badilakaner zur Sättigung Hungernder oder der Drei-Schwestern-Orden (gewidmet Travia, Tsa und Peraine) zur Urbarmachung dämonisch verheerter Lande. Die Ausgestaltung eines Geweihten als Spieler oder Nichtspielercharakter erläutert das elfte Kapitel. Neben praktischen Hinweisen zum Auftreten und der Integration in eine Heldengruppe werden vor allem Gebote und Verbote des Geweihten thematisiert und schließlich noch auf verschiedene Strömungen und damit Ausprägungen der Kirche wie Mystiker, Dorfgeweihte oder auch Gänseritter eingegangen. Wie bisher üblichen schließen auch hier einige freie Seiten den Band ab.

Bewertung

Die Gestaltung des Bandes behält das übliche Vorgehen bei: eher schlicht mit wenigen und altertümlich gehaltenen Illustrationen sowie nur dem Zeichen der Travia auf dem Cover, dafür in warmem Orange, passend zur Herzlichkeit der Kirche. Es wird sich mehr auf den Inhalt konzentriert. Auch wenn die Themenblöcke natürlich ähnlich sind zu den anderen Vademecums (Liturgien, Gebete, Orden, Prinzipien, Heilige Orte), wird hier sehr stark auf den wichtigsten Aspekt der Kirche – Familie und Zusammenhalt – eingegangen und wie dieser sich in allen Themen ausprägt respektive die Kirche und das Leben der Geweihten wie auch der Gläubigen bestimmt. Dies wird von den Autoren immer wieder sehr schön deutlich gemacht, ohne dabei penetrant oder aufdringlich zu sein, und zieht sich durch alle Bereiche und wird dabei in unterschiedlichen Ausprägungen oder Einzelaspekten aufgezeigt und betont.

Bedingt durch die Aufgaben der Geweihten und Travias Wirken vor Ort bei den Menschen macht es dies natürlich schwerer, in einer laufenden Spielrunde einen Geweihten der Kirche zu spielen, während die Heldengruppe quer durch Aventurien reist. Natürlich lässt sich auch ein reisender Geweihter erklären, der vor Ort den Glauben verbreiten will. Und auch die Autoren bemühen sich ideenreich und mit vielen Tipps, darzulegen, wie eine Umsetzung am besten gelingt, gerade da ja viele Gebote der Kirche durchaus mit dem Vorgehen klassischer Heldengruppen kollidieren können. Letztlich wird dies aber in vielen Spielgruppen eher schwierig und der Geweihte eher der verquerte Außenseiter sein. Sehr hilfreich ist der Band dagegen für den Spielleiter (und natürlich auch trotzdem für Spieler, die diesen Außenseiter allen Voruteilen zum Trotz spielen wollen). Für diesen findet sich eine Fundgrube an Hinweisen, Quellen und möglichen Anwendungen für das Spiel, um die „langweilige“ Travia-Kirche den Spielern nahe zu bringen, die Aspekte zu verdeutlichen und im alltäglichen Leben der Helden einfließen zu lassen. Hier sind sehr schöne Beispiele enthalten, die man nebenbei erwähnen oder in Situationen einbauen kann. Auf diese können die Helden stoßen, ohne dass diese unbedingt das Abenteuer bilden müssen. Gerade die Atmosphäre eines Spielabends mag durch den Einbau der Travia-Kirche stark steigen.

Dabei sind die Gebete und Liturgien auch nicht zu lang, sondern so gestaltet, dass sie im Spiel gut nutzbar sind (ob vom Spieler oder Spielleiter). Gleichzeitig wird auch immer die Hintergründe dazu erläutert. Während man die Rituale kaum ausführlich im Spiel einfließen lassen wird, kann man aber Teile davon gut als atmosphärische Elemente in einen Spielabend einbauen. Besonders hilfreich sind die Werte und Prinzipien der Kirche, die die vielen Bereiche der Kirche verständlich und an Beispielen beschreiben sowie die Ausprägungen der Travia-Kirche in den verschiedenen Gegenden Aventuriens, was wiederum im Spiel schön die Unterschiede verdeutlichen kann.

Wenn man etwas an diesem sehr runden Band kritisieren möchte, dann ist es der manchmal eher langweilige Schreibstil, sodass der Zweck oft erst beim zweiten Lesen richtig deutlich wird, da man beim ersten Mal eher einiges nur überflogen hat. Und auch hier finden sich wieder etliche leeren (Vakat) Seiten, sicherlich mehr als zehn, die positiv „zur eigenen Verwendung“ betitelt werden. Dafür muss ich aber nicht zahlen, sondern kann auch eigene leere Blätter verwenden.

Fazit: Ein schöner, runder Band, der dem Leser die Travia-Kirche sehr viel näher bringt und viele Seiten und Aspekte der Kirche und Geweihten beleuchtet, die man bisher nicht kannte oder übersehen hat. Auch wenn die Umsetzung eines Travia-Geweihten schwierig erscheint, bietet das Vademecum doch für Spieler und erst recht Spielleiter eine tolle Unterstützung, die vor allem den Hintergrund und die Atmospähre eines Spielabends ungemein bereichern können.

Travia-Vademecum
Quellenbuch
Annelie Dürr, David Lukaßen
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 3957520894
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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