Firun-Vademecum

Der Alte vom Berge wurde er lange genannt, ehe er sich seinen Gläubigen offenbarte. Doch auch heute wird Firun, der Herr des Winters, der Kälte und der Jagd noch oft mit diesem Namen in Verbindung gebracht. Über ihn und seine Tochter Ifirn berichtet dieses Vademecum und erweitert die Spielwelt des „Schwarzen Auges“ um Hintergrundmaterial zu Liturgien, Gebeten, Gebräuchen, Erzählungen, aber auch seinem Gefolge oder heiligen Questen in seinem Namen.

von Ansgar Imme

„Firun“ ist sicherlich einer der selteneren Götter, die in der Spielwelt Aventurien von Spielleitern „genutzt“ oder als Geweihte von Spielern gespielt werden. Umso erstaunlicher ist es, dass selbst hierzu ein Vademecum erschienen ist. Dies zeigt allerdings auch, dass die Reihe durchaus erfolgreich ist. Bei den Autoren finden sich oft bisher weniger bekannte Gesichter – so auch hier, wo Melanie E. C. Meier die Verfasserin ist. Sie hat vor allem bei einigen Spielhilfen bisher mitgearbeitet.

Der Inhalt

Das 160-seitige Vademecum ist mit Ausnahme des Vorworts der Autorin und dem Kapitel zur Ausgestaltung eines Geweihten im Spiel komplett aus der Sicht des Geweihten Thorben Grimmwulf wiedergegeben.

Die Spielhilfe beginnt mit Quellen zum Wesen des „Alten vom Berg“ und seiner Tochter Ifirn, in denen deren grundsätzliches Wesen beschrieben wird. Im zweiten Kapitel kommen verschiedene Erzählungen, aber auch Maßregeln und Sinnsprüche über den göttlichen Vater und seine Tochter ergänzend dazu, was durch Gebete und Anrufungen im dritten Teil weitergeführt wird. Dies können Lobpreisungen zur Milderung von Firuns Zorn, aber auch Fürbitten bei seiner milden Tochter sein. Beim liturgischen Wirken im vierten Abschnitt werden einzelne Segen der zwölfgöttlichen Segen wie beispielsweise der Schutzsegen aus der Sicht eines Firungeweihten, aber auch Mirakel zur Bitte um Jagdglück oder das Mirakel zur Tiergestalt aufgeführt. Auch für Ifirn finden sich einige Segen und Mirakel, die dem Spieler eines Geweihten im Spiel weiterhelfen. Für alle Segen und Mirakel ist gemein, dass ihr Vorgehen und der Ablauf sowie die Wirkung beschrieben werden, sodass man dies rollenspielerisch nutzen kann.

Nach den drei sehr dem Spiel nahen und praktischen Kapiteln folgt im fünften Kapitel eine Abhandlung über Gebräuche und Grundregeln der Firun- und Ifirnkirche, wie das Leben in der Wildnis, die Jagd oder die Weihe. Diese werden mittels längerer Erzählungen verdeutlicht. Zudem wird auf die verschiedenen Ausprägungen der Geweihten im Dienste der Kirche eingegangen, sei es als einsamer Jäger in der Wildnis oder als Wildhüter am Adelshof. Der sechste Abschnitt stellt das Gefolge von Firun und Ifirn vor: die wilde Jagd mit den Himmelswölfen, dem Silberfuchs, dem weißen Hirsch und anderen Tieren Firuns, die Silberschwäne als Gefolge Ifirns, Heilige wie Mikail von Bjaldorn, Jarlak der Waldmann, Isegrein der Wanderer oder das Ifirnsrudel.

Im siebten Kapitel lernt der Leser die heiligen Gaben Firuns sowie seine heiligen Orte kennen: z.B. Firuns Ring, die Pfeile des Heiligen Mikail oder auch die Eisigen Stelen von Trallop und die Hängenden Gletscher. Das folgende achte Abschnitt beschäftigt sich dann mit dem Umgang der Firun- und Ifirnkiche untereinander sowie ihren Strukturen. Dabei wird auf die Geweihten und ihr Leben sowie ihr Dienen gegenüber Firun und Ifirn eingegangen, was sich ganz unterschiedlich ausprägen kann. Auch die heiligen Tage der beiden Götter, besondere Ratgeber und Weise oder Orte der Kirche werden beschrieben. Die heiligen Questen und Aufgaben im Namen des Herrn des Eises und seiner Tochter werden im neunten Abschnitt dargestellt und beziehen sich vor allem auf die Jagd. Inhaltlich abgeschlossen wird der Band mit Vorschlägen und Anregungen zur Ausgestaltung der Geweihten der beiden Kirche. Dieses Kapitel ist dann nicht mehr aus Sicht des Erzählers, sondern beinhaltet regeltechnische Vorschläge (welche Talente oder Eigenschaften eignen sich besonders gut?) wie auch Hinweise zur rollenspielerischen Darstellung.

Einige freien Seiten zur eigenen Ausgestaltung und für Notizen beenden das Vademecum.

Bewertung

Vom Äußerlichen findet sich beim „Firun-Vademecum“ dieselbe Ausgestaltung und Qualität wie bei den anderen Vademecums: ein DIN-A5-Buch, hier in einem bräunlichen Farbton, geziert vom passenden Göttersymbol, in diesem Fall einem Bären. Das wirkt ganz schlicht, passt aber doch recht gut zu diesen Fibeln, die ja auch für LARP-Spieler im Spiel nutzbar sein sollen. Auch die Anzahl der Illustrationen ist eher rar und in einem sehr groben Stil gezeichnet und unterstützt diesen Stil. Eine deutliche Abwertung stellen dagegen die vielen leeren Seiten dar, die als Vakatseiten für Notizen bezeichnet werden. Sicherlich an die zehn leeren Seiten findet man im Buch und vor allem am Ende. Hier hat man eher den Eindruck, dass Material fehlte beziehungsweise die Seitenplanung nicht gelungen ist.

Im Vergleich zu anderen Vademecums bietet das „Firun-Vademecum“ weniger direkte Hinweise für das Spiel wie etwa Mirakelsprüche oder Gebete (vgl. beispielsweise das „Boron-“ oder „Phex-Vademecum“), sondern vor allem viele Geschichten und Stimmungstexte. In diesen kann man dem Wesen von Firun und seiner Tochter Ifirn nahekommen und mehr über die Gefühlswelt eines Geweihten oder Anhängers der beiden Götter erfahren. Oft ist das alles allerdings sehr mystisch oder märchenhaft geprägt. Diese Texte sorgen zwar für eine Atmosphäre und Emotionaliät, aber gleichzeitig bleibt ein spielpraktischer Nutzen etwas auf der Strecke. Eine Umsetzung für den Spieler eines Firun-Geweihten erschwert dies maßgeblich, sodass er wesentlich mehr als bei anderen Vademecums selbst erarbeiten muss (sofern er nicht gegenüber seinen Mitspielern nur Märchen und Geschichten über seinen Gott erzählen will). Kurze, prägnante Hinweise, Beschreibungen oder Gebete sind seltener vorhanden, seitenlange Beschreibungen prägen den Band. Deutlich sieht man dies beispielsweise an den Gebräuchen und Grundregeln, die ausufernd beschrieben werden, obwohl man sie hätte kürzer halten können.

Sehr gut gelungen sind dagegen die Liturgien aus dem Regelwerk in ihrer Umsetzung des Spiels. Hier finden sich schöne Beschreibungen der Ausprägungen in der Firun- und Ifirnkirche, die sich deutlich von den anderen Kirchen unterscheiden. Hier ist alles mehr auf das Überleben in der Wildnis und Kälte, den Schutz vor Tieren, die Jagd und handwerkliche Fähigkeiten zum Überleben ausgerichtet. Dabei erhält man sowohl Texte, die man für das Rollenspiel nutzen kann, als auch Beschreibungen, wie ein Geweihter um die Unterstützung des Gottes bittet. Allerdings hätte man sich einerseits noch ein paar Beispiele mehr gewünscht, denn es gibt ja noch einige Liturgien, und andererseits sind auch hier die Texte teilweise deutlich zu lang und erschweren die Nutzbarkeit am Spieltisch.

Vielleicht auch durch die durchgehende Beschreibung aus Sicht des Firun-Geweihten fehlen die praktischen Umsetzungen für den Spieltisch. Recht gut wird dies am Kapitel zum Gefolge der beiden Götter deutlich. Auch wenn man Heiligen oder halbgöttlichen Wölfen nicht so häufig begegnet, fehlen ein paar Hinweise, wie man diese vielleicht in ein Abenteuer einbauen könnte oder wie der Geweihte diese vielleicht zu Hilfe rufen kann oder diese ihm zu Hilfe kommen. Gänzlich schade ist dies auch bei den Heiligen Questen, Aufgaben der Kirche, bei denen genau eine Pilgerfahrt genannt wird – wenngleich diese ausführlich beschrieben wird. Gerade angesichts der noch vielen, freien Seiten hätten zwei bis drei weitere Questen dem Band gut getan. Dies gilt ebenso der auf zwei kurzen Seiten vorgeschlagenen Anregungen zur Ausgestaltung von Firun- und Ifirn-Geweihten. Hier wäre sicherlich noch einiges möglich gewesen.

Fazit: Mit dem „Firun-Vademecum“ wurde der Rezensent nicht richtig warm – wenn dieser kleine Kalauer erlaubt ist. Grundsätzlich finden sich sehr atmosphärische, teils mystische Beschreibungen und Märchen, in dem Buch, aber die direkte Spielbarkeit und schnelle Umsetzung am Spieltisch fehlt häufiger. Spielleiter und Spieler, die nur Anregungen für Geweihte suchen, sollten lieber eines der anderen Vademecums wählen. Für den Spieler von Firun- oder Ifirn-Anhängern bietet sich hier trotzdem einiges an Material, das mit etwas Arbeit auch am Spieltisch nutzbar gemacht werden kann.

Firun-Vademecum
Quellenbuch
Melanie E. C. Meier
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 3957520363
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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