Kor-Vademecum

Der schwarze Mantikor, Herr der Schlachten, Sohn der Kriegsgöttin Rondra, Herr der Gemeinschaft des Blutes – der Halbgott und Göttersohn Kor hat viele Namen. Und wo Schlachten zu erwarten sind oder dämonische Umtriebe drohen, da sind seine Streiter nicht weit. Das ehrenvolle Auftreten der Rondrageweihten ist ihnen fremd, und sie versuchen, vor allem den Kampf zu gewinnen, fast egal mit welchen Mitteln. In diesem Band finden sich daher viele Infos zur Ausgestaltung der Streiter Kors und seiner Geweihten, wie Gebete, Liturgien oder Schlachtgesänge.

von Ansgar Imme

Die Vademecums sind so erfolgreich geworden, dass nicht nur alle „Zwölfgötter“ veröffentlicht wurden, sondern sogar Halbgötter wie der blutige Kor ihre Beschreibung erhalten. Wie bei vorherigen Bänden finden sich die aventurischen Beschreibungen und Texte zur Kirche und Gemeinschaft Kors sowie Liturgien oder Wundern sowie heiligen Orten auf 160 Seiten im DIN-A5-Format.

Der Inhalt

Die bisherigen Vademecums bezeichneten sich selbst meist als das „Brevier des reisenden Geweihten“, doch nicht so Kor: Hier wird in zehn Kapiteln aus dem „Brevier des kämpfenden Geweihten“ berichtet. In diesem hat der Kor-Geweihte Karmal ibn Dajin Texte zum Halbgott zusammengetragen.

Im ersten Abschnitt wird nur in aventurischen Quellen das Wesen des Schwarzen Mantikors, wie der Gott Kor auch von seinen Anhängern bezeichnet wird, beschrieben. Seine Entstehung, die Beziehung zu seiner Mutter Rondra, seine Aufgaben und Aspekte unter den Göttern, aber auch die Ansicht seiner menschlichen Streiter und warum sie ihm folgen oder ihn verehren, werden hier thematisiert. Als Halbgott hat er weit weniger Heilige oder Alveraniare als die Hauptgötter, aber es finden sich im zweiten Teil trotzdem einige Streiter, die vorgestellt werden. Besonders sind seine heiligen Orte und Waffen, die der dritte Abschnitt erwähnt: Es gibt weniger ein oder zwei heilige Orte, sondern Wallfahrtsstätten, die sich auf den Schlachtfeldern Aventuriens oder vergangener Kämpfe finden, wo einst gegen Goblins, Dämonen, Echsen oder Orks gekämpft wurde. Die heiligen Waffen Schwarzer Speer, Sokramor (angeblich Leib der gleichnamigen Gigantin) und die blutende Lanze stammen alle aus Urzeiten mit langer Geschichte.

Die „Gemeinschaft des Blutes“ nennen sich de Anhänger Kors, welche im vierten Kapitel beschrieben werden. Dabei gibt es wenig Aufzeichnungen über die Vergangenheit und meist nur Gerüchte, denn der Kampf zur heutigen Zeit steht im Mittelpunkt der Kor-Streiter. Man erhält aber Informationen zu den Prinzipien der Kor-Gemeinschaft, zur Schlachtordnung oder Hierarchie der Geweihten, der besonderen Weihe im Vergleich zu anderen Göttern, dem Arsenal der Waffen und den Unterschieden des Kor-Glaubens in den verschiedenen aventurischen Gegenden, vor allem Orden und Söldnerverbänden. Ein eigenes (fünftes) Kapitel erhält der berühmte „Khunchomer Kodex“, welcher in der Stadt Khunchom im Tempel des Kor gehütet wird. Neben spirituellen Passagen findet sich auch genaue Vorgaben für die Erstellung von Söldnerkontrakten sowie Verhaltensweisen für Söldner während ihrer Tätigkeit. Sehr genau wird darauf eingegangen, was ein Kontrakt enthalten sollte und dass Vertragstreue ein hohes Gut ist.  

Der sechste Teil des Bandes beschreibt die Gebete, Anrufe, Rituale und vor allem Schlachtgesänge, die im Gegensatz zu anderen Göttern im Vordergrund stehen. Fast alle Gebete oder Rituale haben mit dem Kampf zu tun, etwa darum, die Stimmung einer Söldnerkompanie zu heben oder die Marschgeschwindigkeit zu steigern. Auch die Liturgien des siebten Teils fördern oft den Kampf. Dazu werden sie als „laustark, durchschlagend und angsteinflößend wie eine vorrückende Armee“ beschrieben. Interessant ist, wie die Kor-Kirche die göttlichen Segnungen wie den Feuersegen oder Glückssegen sieht und für ihre Kirche interpretiert. Mit Objektweihen, Tiergestalt oder Kampfesliturgien wird der eigene Erfolg im Gefecht gefördert.

Das achte Kapitel bietet dann viele Anregungen zur Ausgestaltung eines Kor-Geweihten. Hier werden Gebote und Tugenden aufgezeigt, der sogenannte „Gute Kampf“ erläutert, was alles mit Gold zu tun hat oder auch warum Gnadenlosigkeit innerhalb der Kor-Kirche erstrebenswert ist. Ebenso werden verschiedene Strömungen innerhalb der Kirche und damit Ausprägungen eines Geweihten vorgestellt und auf mögliche Motivationen oder Archetypen wie Kämpfer, Söldner, Geknechteter, Rebellin oder Taktiker eingegangen. Zudem wird der Kor-Geweihte innerhalb einer Heldengruppe thematisiert. Ein kurzer Anhang präsentiert im neunten Kapitel einen beispielhaften Söldnervertrag, während einige Vakatseiten in Teil 10 den Band abschließen.

Bewertung

Am Aufbau, Layout und Illustrationen hat sich nichts geändert. Mit einem blutroten Cover passend zu Kor und wenigen schlichten Illustrationen bietet der Band eher weniger für das Auge. Umso mehr kann sich der Inhalt in Szene setzen. Und auch wenn ähnliche Themenbereiche – Liturgien, Gebete, heilige Orte, Aufbau und Hierarchie der Kirche – wie in den anderen Vademecums beschrieben werden, so unterscheidet sich der Band doch deutlich und macht seine eigenen Schwerpunkte klar. Kampf, Blut, Opferbereitschaft, Gnadenlosigkeit, Schutz der Gläubigen – all dies steht im Mittelpunkt und wird detailliert beschrieben. Trotz der starken Fokussierung auf Blut und Kampf schafft es die Autorin, nicht über das Ziel hinaus zu schießen und eben nicht sinnlose Gewalt in den Mittelpunkt zu stellen. Sie zeigt auf, warum der Kampf so wichtig und im Glauben verankert ist.

Die bisherige Beschreibung Kors und seiner Anhänger wird zudem deutlich erweitert und klar betont, dass trotz aller Brutalität der Halbgott und seine Streiter entschieden auf Seite der Zwölfgötter stehen, gegen deren Gegner kämpfen sowie den letzten Schutzwall bilden. Es geht aber eben weniger um den ehrenhaften (Zwei)Kampf wie bei Rondra, sondern um das Besiegen des Gegners, auf welche Art auch immer. Dabei sind die Anhänger Kors durchaus zur Selbstaufgabe bereit, um die Schwächeren zu schützen, deren Wohl immer wieder betont wird.

Natürlich beziehen sich die Gebete und Liturgien auf den Kampf sowie dessen Unterstützung. Aber man findet hier nicht bloß die Verbesserung der Kampffähigkeiten, sondern mannigfaltigen Beistand für die Auseinandersetzung. Wunderbar passend sind dazu die Schlachtgesänge, die man so von anderen Göttern gar nicht kennt. Für den Spielleiter finden sich etliche Anregungen, die er als stimmungsvolle Beschreibungen einbringen kann, wenn Spieler auf Kor-Anhänger treffen. Interessant ist ebenso die Anpassung und Interpretation der verschiedenen Segen, die allen Kirchen der Zwölfgötter zur Verfügung stehen. Die allgemeinen Liturgien werden dem Kor-Glauben angepasst und es wird erklärt, wie dessen Anhänger diese verwenden beziehungsweise sie dem Glauben nützlich sind. Mit nur neun statt zwölf Segnungen wird es auch dem Glauben angepasst, dessen heilige Zahl die Neun ist (so wie auch der Meister der Neun Streiche).

Insgesamt ist die spielnahe Einbindung hervorragend gelungen (wozu auch das Kapitel um den „Khunchomer Kodex“ gehört), wie dann auch noch mal das achte Kapitel aufzeigt. Vielfältige Vorschläge und Hinweise erleichtern dem Spielleiter und Spieler den Einbau eines Kor-Geweihten, den man vorher vielleicht als tumben, brutalen Blutsäufer und Kämpfer wahrnahm (womit Kor kaum vom dämonischen Gegenpart Belhalhar zu unterscheiden war). Mit den verschiedenen Konzepten und Motivationen sowie den Hinweisen zum Kor-Geweihten als Gefährten wird der Einbezug in eine Spielgruppe erleichtert, ohne dass der Spieler eines Kor-Geweihten zu viele Abstriche machen muss und weiter sein unverwechselbare Identität erhält.

Zwei kleine Punkte der Kritik sollen trotzdem erwähnt werden: Nach dem Band hat man den Eindruck, dass Kor-Geweihte und Anhänger sehr oft und ständig auf den Schlachtfeldern Aventuriens zu finden sind. Bisherige Abenteuer oder Berichte aus dem „Aventurischen Boten“ zeigen dies aber natürlich nicht. Hier sollte man sanft eine Anpassung in der Zukunft vornehmen. Der zweite Punkt sind wie in vorherigen Bänden die doch vielen Vakatseiten (nett als „zur eigenen Ergänzung“ betitelt), was knapp an die zehn Seiten ausmacht.

Fazit: Natürlich sind die Vademecums alle Spezialbände, die man nicht unbedingt benötigt, sofern man nicht einen der Geweihten spielt und selbst dort besonders viel Flair erzeugen möchte. Gerade der Band zu Kor (wie auch Travia oder Peraine) geben dem eher einseitigen Bild aber sehr viel weiteren Hintergrund für Spieler und Spielleiter. Vieles wird deutlicher, spannender und facettenreicher und eine Einbindung erleichtert. Insgesamt ist dieses Vademecum damit sehr empfehlenswert, sobald Kor in der eigenen Spielrunde eine Rolle spielt.  

Kor-Vademecum
Quellenbuch
Nicole Euler
Ulisses Spiele 2016
ISBN: 3957523362
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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