Tsa-Vademecum

Man nennt die Göttin Tsa auch die junge Göttin, denn sie gilt als Jüngste der Zwölfgötter und damit als das Ende und der Beginn des Kreislauf des Lebens. Entsprechend steht sie für Geburt, Erneuerung, ewigen Wandel, das Leben an sich und die Wiedergeburt, aber auch für Kinder, Neugier oder Freiheit. Durch genau diesen Wunsch nach Freiheit und wenig Bindung beschreibt im „Vademecum“ ein Magier, wie sich die Göttin in ihrer Einzigartigkeit zeigt, wie die Gemeinschaft der Gläubigen zusammenfindet, welches Gefolge die Göttin besitzt oder auch welche Gebete man spricht und wie der Tempeldienst versehen wird.

von Ansgar Imme

Der Inhalt

Auch das „Tsa-Vademecum“ wird auf 160 Seiten in einem DIN-A5 großen Büchlein veröffentlicht. Während die Bände zu den anderen Göttern in einer passenden Farbe des Gottes gehalten waren, explodiert der Buchdeckel des „Tsa-Vademecums“ geradezu in unzähligen Farben und zeigt verschiedenste Elemente.

Neben einem kurzen, irdischen Vorwort, erklärt im aventurischen Vorwort ein Magier, dass er die Zusammenfassung übernommen hat, da Tsa-Anhänger für so etwas Strukturiertes nicht die Geduld aufbringen würden. Zu Beginn berichtet er aus verschiedenen aventurischen Quellen passend dazu über das Wesen der jungen Göttin, für welche Merkmale, Aspekte und Eigenschaften sie steht, aber auch wie man ihr Wirken erkennt. Das zweite Kapitel berichtet dann von der Geschichte der Gemeinschaft Tsas. Ihr erster Auserwählter wird vorgestellt und der Tsa-Glaube aus der tulamidischen Urzeit über das bosparanische Zeitalter bis zu den Priesterkaisern begleitet.

Im dritten Abschnitt wird das Gefolge der Wandelbaren vorgestellt: ihre einzige Alveraniarin, ihre Söhne Simia und Kardan (mit Ingerimm beziehungsweise dem diebischen Phex geschaffen), aber auch die Friedenslerche oder ganz eigenartige Wesenheiten oder Zustände wie der Frühling, die Morgenröte, Tsas Lachen und die Kobolde als Tsas bekannteste Herolde. So einzigartig wie eben dieses Gefolge sind auch die Gebete an die Göttin, wie der vierte Teil zeigt. Es wird betont, dass alle unterschiedlich sind und sich keines gleicht, sodass nur Beispiele genannt werden können. Und selbst bei diesen ist nicht immer klar, was der Betende wünscht oder erhofft, da die Gebet frei und offen formuliert sind. Titel sind dann beispielsweise „Frühlingsblühen“, „Höre mich“ oder „Neuer Wind“.

Im fünften Kapitel wird von wundersamen Orten und Artefakten der Kirche berichtet. Hier geht es für Tsas Verhältnisse sehr strukturiert zu. Es werden das Eidechsenauge zu Wiederbelebung und Tsas Kreide zu Geschlechterbestimmung bei der Geburt vorgestellt. Die Orte sind oft Stellen der Ruhe, des Lebens oder Kreativität, aber auch Plätze der Zerstörung, die wiedergeboren wurden. Auch der Tempeldienst und die Glaubensgemeinschaften im sechsten Abschnitt folgen dem ruhigen Muster: Dabei wird aber die Unterschiedlichkeit der Tempelhäuser, der Gottesdienste, Gewandung der Geweihten wie auch der Anhänger betont.

Nicht anders verhält es sich mit den Glaubensströmungen im siebten Teil, welcher zum Beispiel die Friedensfreunde, die radikale Sekte der Tsaischa, die Wiedergeborenen, Bilderstürmer, Freiheitskämpfer, Koboldfreunde und noch viele mehr vorstellt. In vermutlich keiner zwölfgöttlichen Kirche gibt es so viele Glaubensströmungen wie bei Tsa, die alle einzelne Aspekte der Göttin verkörpern, aber doch oft für Schutz des Lebens, der Freiheit oder Wandlung stehen. Passend zu dieser Vielfalt steht auch das achte Kapitel, welches mit Sammelsurium betitelt ist. Hier finden sich lauter verschiedene Quelltexte, die die Göttin, ihre Kirche oder ihre Geweihten beleuchten und beschreiben. Diese sind sowohl aus Sicht von Anhängern der jungen Göttin verfasst, aber beschreiben auch die Sicht auf genau diese, wie auch Erlebnisse, die mit der Wandelbaren zu tun haben.

Im letzten Abschnitt des Buches findet sich dann der irdische Teil zur Ausgestaltung eines Geweihten aus der Kirche der Göttin. Hier wird betont, dass die Friedensliebe zwar einen zentralen Punkt des Glaubens darstellt, aber diese wie auch andere Tugenden angestrebt und nicht immer erreicht werden. Auch der Umgang mit den anderen Kirchen wird erläutert sowie die Motivation und das Konzept für einen Tsa-Geweihten näher beleuchtet. Beispiele können Feenfreund, Freiheitskämpfer, Pazifist oder Suchender sein, die alle ganz unterschiedliche Aspekte verkörpern. Ebenso wird auf die – kaum vorhandene – Kirchenhierarchie und die Ausprägung der Liturgien je nach Region eingegangen sowie zwei neue Liturgien vorgestellt. Der Band schließt dann mit mehr als 10 freien Vakatseiten zur eigenen Gestaltung ab.

Bewertung


Bei der Gestaltung des Bandes hat man sich mit Ausnahme des Covers an die vorherigen Bände gehalten. Wenige, eher schlichte und altertümliche Bilder sollen einen Eindruck erwecken, als hätte das Buch tatsächlich jemand verfasst.

So wie schon das Cover sich deutlich zu den Bänden der anderen Götter unterscheidet, ist auch der Inhalt deutlich anders gestaltet. Zwar finden sich hier auch mal Übereinstimmungen, wie Texte zu Gebeten, Heiligen Orten oder der Kirche selbst, aber es wird einerseits außergewöhnlich oft mit aventurischen Quellen und andererseits mit unstrukturierten Kapiteln gearbeitet. Das passt inneraventurisch natürlich gut zur Göttin des Wandels und der Freiheit, erschwert aber oft das Lesen und die Verständlichkeit. Gerade die aventurischen Quellen oder auch die sehr kreativen Gebete lassen zudem den Leser manchmal nachdenklich zurück, da sich die Inhalte nicht auf den ersten Blick erschließen. Hier muss man dann eher von Einarbeiten als Lektüre sprechen.

Die fehlende Struktur oder Verbindlichkeit zieht sich durch fast alle Textbestandteile. Neben den Beispielen wird immer betont, dass die Göttin, die Geweihten und die Kirche keine Regeln oder Vorgaben haben sowie so individualistisch sind, dass es etwa keine klassischen Gebete gibt, keine Hierarchien, keine speziellen Liturgien oder Gesten. Dies sorgt für eine gewisse Beliebigkeit, was am Spieltisch schnell für Ärger sorgen kann, wenn sich der entsprechende Spieler genau darauf beruft oder die Spieler die Tsa-Kirche und ihre Geweihten vielleicht eher als lächerlichen Verbund wahrnehmen. Aventurisch mag dies durchaus passen, aber für eine Spielhilfe hätte es an manchen Stellen gut getan, einige verbindliche Aussagen zu treffen. Aus aventurischer Sicht erfüllt das Vademecum sicherlich seinen Zweck, aber der Nutzen am Spieltisch bleibt zu sehr auf der Strecke, da die spielpraktischen Hinweise zu selten sind. Als weitreichendere Betrachtung der Göttin und ihrer Kirche, vielleicht sogar bei der Ausgestaltung eines Hintergrundes, mag dieser Band besser funktionieren als für die Unterstützung eines Spielers.

Durchaus kritisch sind die vielen freien Seiten zu sehen. Nach vielen Kapiteln folgt eine freie Seite für „eigene Notizen“ (wie viele Spieler mögen das wirklich nutzen?), um dann am Ende noch einmal mehr als zehn Seiten zur eigenen Gestaltung („für neue und ungewöhnliche Ideen“) dem Leser zu „überlassen“. Zusammen mit den vielen aventurischen Quellen ist man sich hier nicht sicher, ob die Autoren einfach nicht genug Ideen für den Band hatten.

Fazit: Noch mehr als alle anderen „Vadmecums“ zu den Göttern ist der Band zur jungen Göttin für eine sehr spezielle Leserschaft gedacht. Konnte man sonst oft Inhalte für sich als Spieler oder Spielleiter herausziehen, ist dies hier durch die Beliebigkeit und Betonung des Indvidualismus der Kirche noch etwas schwieriger. Spieler und Interessierte zum Tsa-Glauben finden sicherlich viele Anregungen oder Ideen und werden selbst dadurch motiviert, Neues zum Spiel beizutragen. Für alle anderen mag dagegen die Lektüre zu beispielsweise Phex, Travia oder Boron mehr zur weihnachtlichen Entspannung beitragen.

Tsa-Vademecum
Quellenbuch
Melanie Meier
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 978-3-957520333
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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