von André Frenzer
Dabei ist der Aufhänger gut gelungen und verrät wenig von den kommenden Ereignissen. Die Helden werden in Khunchom angeworben, damit sie herausfinden, warum die Alabasterlieferungen von der nahen Insel Jilaskan ausbleiben. Jilaskan, südlich von der ähnlich klingenden Insel Maraskan im Golf von Tuzak gelegen, ist nicht nur für seine Nähe zum Gott des Lichtes und der Gerechtigkeit Praios bekannt, sondern eben auch für seinen wertvollen und weit gehandelten Alabaster. Nach kurzer Überfahrt machen die Helden halt in Praiosdank, der einzigen größeren Siedlung auf der Insel. Und dort müssen sie auf eine Intrige stoßen, in der es um nichts weniger als die Herrschaft über Jilaskan geht.
An dieser Stelle verlasse ich die spoilerfreie Zusammenfassung – Spielern sei also angeraten, die nächsten Absätze zu überspringen. Denn die vom Autor Martin Liebe erdachte Figurenkonstellation hat es in sich und soll daher auch Teil dieser Besprechung sein. Da wären auf der einen Seite der Praetor – eine Art Richter – Gurvan Praiobur XII sowie die alternde Gräfin Trontir von Alfz, welche bemüht sind, den Status Quo auf der Insel so gut es geht zu erhalten. Leider entpuppt sich ausgerechnet die Tochter des Praetors – trotz ihrer Weihe zur Praiospriesterin – als Magierin. Dies spielt nicht nur den konkurrierenden Praiospriestern in die Karten, sondern auch Herdin von Tuzak, ehemals grausamer Fürst von Maraskan und Opfer Borbarads, der in den Dämonenkriegen seinen Verstand verlor. Allerdings wittert sein Leibdiener die Chance, in seinem Namen die Macht auf Jilaskan zu ergreifen. Die Tochter des Praetors – Amelthona – wiederum stürzt die Praiospriester vor Ort in eine Sinnkrise und hat einige Anhänger um sich geschart, welche mit ihr an die Vereinbarkeit von Magie und Praiosfurcht glauben wollen. Und diese Anhänger wiederum blockieren den Alabastersteinbruch, was schlussendlich die Helden auf den Plan gerufen hat.
Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage gibt es für die Helden nun freilich einiges zu tun. Da wäre das Verhindern eines Staatsstreiches, die Versöhnung von Vater und Tochter, die Gewissensfrage rund um Magie und Praiotentum und natürlich noch die eine oder andere handfeste Begegnung, da jede Seite ihre Ziele mit Nachdruck verfolgt. „Magica Lucis“ ist dabei herrlich tief im aventurischen Hintergrund verankert und liefert nicht nur einen starken, innerweltlichen Konflikt, sondern auch gleich einige alte Bekannte aus der großen aventurischen Geschichte. Dass diese eher in Nebenrollen auftreten, stört dabei überhaupt nicht.
Das Szenario ist geschickt als eine Art Sandbox aufbereitet: Nach dem sehr linear geführten Einstieg sind die Helden im Rahmen ihrer Erkundigungen auf Jilaskan völlig frei. So bietet der Autor verschiedene Szenen und Anlaufstellen an, welche in beliebiger Reihenfolge und zu unterschiedlichen Zeiten aufgesucht werden können, sodass sich die Spielleitung rasch und unkompliziert an die Handlungen der Heldengruppe anpassen kann. Das weiß zu gefallen. Allerdings verliert sich dieser Ansatz im Finale, welches dann doch eher in vorbereiteten (und nachzuspielenden) Szenen angelegt ist, wie man sie aus alten „Das Schwarze Auge“-Abenteuern kennt.
Optisch weiß „Magica Lucis“ zu überzeugen. Neben einer Stadtkarte von Praiosdank hat sich auch noch eine Übersichtskarte über den Schauplatz der finalen Konfrontation eingefunden. Das Abenteuer ist für Heldenwerkverhältnisse reich illustriert und auch an alle wichtigen Spielwerte wurde gedacht. Lektorat und Korrektorat haben gute Arbeit geleistet.
Fazit: Ein intrigenreiches Abenteuer mit gerade epischen Zügen, welches geschickt aventurische Geschichte und starke innerweltliche Konflikte vereint. Dazu ein recht flexibler Aufbau: „Magica Lucis“ ist ein ganz starker Vertreter der „Heldenwerk“-Reihe und auch unabhängig davon ein tolles aventurisches Abenteuer.
Magica Lucis (Heldenwerk)
Abenteuerband
Martin Liebe
Ulisses Spiele 2023
16 S., Softcover, deutsch
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