Zwist der Raben (Heldenwerk)

Die Reihe der „Heldenwerke“ bleibt sich treu und springt nicht nur munter durch die aventurischen Regionen, sondern auch durch die Genres. Nachdem der Vorgänger „Magica Lucis“ eher (kirchen-)politisches Intrigentum zum Thema hatte, liegt mit „Zwist der Raben“ mal wieder ein eher klassischer Kriminalfall vor – wobei die kirchenpolitische Intrige tatsächlich auch hier eine Rolle spielt. Aber der Reihe nach.

von André Frenzer

Versteckt in den Ausläufern der Goldfelsen, irgendwo am Unterlauf des Yaquirs liegt das Tal von Mantrash’Mor. Dies ist das Hauptkloster des „Bundes des Wahren Glaubens“, ein Orden, der sich während der Dunklen Zeiten Aventuriens der gemeinsamen Verehrung aller Zwölfgötter verschrieben hat. Bereits seit Jahrhunderten arbeiten die Mönche des Klosters an einem gigantischen Zwölfgöttermonument, welches aus den Goldfelsen herausgearbeitet und später die Köpfe aller zwölf Götter zeigen soll. Aufgrund des bereits 350 Jahre zurückliegenden Schismas der Boronkirche, welche sich seither in den Al’Anfaner und den Puniner Ritus gespalten hat, ist man sich uneins, wie Boron aussehen soll. Nun aber sind Delegationen beider Kirchen in Mantrash’Mor eingetroffen, um endlich eine Einigung zu erzielen. Doch natürlich kommt alles anders als man denkt …

An dieser Stelle verlasse ich die spoilerfreie Zusammenfassung – Spielern sei also angeraten, die nächsten Absätze zu überspringen. Denn die junge Puniner Novizin Dana Unterbauer will die Verhandlungen sabotieren und stiehlt daher die Verhandlungsunterlagen der Al’Anfaner Delegation. Diese will ihr Gesicht nicht verlieren und zögert unter fadenscheinigen Vorwänden den Beginn der Verhandlungen heraus, um die Unterlagen wieder zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund braucht es natürlich die Helden, um die fehlenden Dokumente wieder zu beschaffen. Vor ihnen liegt ein Kriminalfall in zwei Etappen, denn auch die Puniner Novizin ist mittlerweile bestohlen worden …

Kriminal-Abenteuer sind nicht einfach zu schreiben, muss doch der Autor einerseits genügend Hinweise flexibel genug platzieren, um die Spielgruppe auch sicher auf alle wichtigen Spuren stoßen zu lassen; andererseits darf des Rätsels Lösung natürlich auch nicht auf dem Silberteller präsentiert werden. Im Rahmen dieses „Heldenwerks“ ist die Aufbereitung einerseits recht gut gelungen: Durch die relativ überschaubare Personenriege und die recht klar verteilten Rollen ergeben sich nur wenige Sackgassen, sodass die Helden nicht allzu lange im Dunkeln tappen werden, um zumindest der ersten Täterin auf die Spur zu kommen. Andererseits sind die verschiedenen Hinweise kaum flexibel untereinander auszutauschen, sodass die Gefahr eines Nadelöhrs durchaus gegeben ist. Hier muss vielleicht seitens der Spielleitung noch ein wenig nachgeholfen werden.

Die unterschiedlichen Charaktere sind – wenn auch zumeist sehr überschaubar gerade in ihrer Rolle im Abenteuer – ausreichend interessant, um sich mit ihnen beschäftigen zu wollen. Leider lässt einen „Zwist der Raben“ gerade an dieser Stelle recht alleine. Neben fehlenden Spielwerten sind viele Personen auch sehr oberflächlich charakterisiert – teilweise sogar so oberflächlich, dass man ihre Rolle im Szenario anzweifeln möchte. Wieso sich der Anführer der Al’Anfaner Delegation in totaler Passivität übt, bleibt ebenso unklar wie die Motivation des finalen Diebstahls. Auch sind die relevanten Informationen zu weit über das „Heldenwerk“ verstreut, was die Vorbereitung des Szenarios etwas ungelenk macht. Alles in Allem ist „Zwist der Raben“ damit – trotz des interessanten Konfliktes und dem ungewöhnlichen Schauplatz – eher ein mittelmäßiger Kriminalfall mit einigen Schwächen.

Optisch weiß „Zwist der Raben“ allerdings zu gefallen. Man hat dem „Heldenwerk“ einige Illustrationen spendiert, und auch die Karte des Klosters ist gut aufbereitet und sicherlich auch für eigene Abenteuer zu gebrauchen. Wie so oft hätte sie aber größer ausfallen können – besonders wenn man bedenkt, dass gerade die letzte Seite dieses „Heldenwerks“ noch Raum übriggelassen hat. Nachdem Lektorat und Korrektorat wieder eine gute Arbeit abgeliefert haben, gibt es technisch wenig zu meckern.

Fazit: Ein eher simpler Kriminalfall mit Schwächen in der Aufbereitung vor interessanter Kulisse. „Zwist der Raben“ ist keine Sternstunde der „Heldenwerk“-Reihe, sondern eher solide Kost.

Zwist der Raben (Heldenwerk)
Abenteuerband
Jan-Christopher Altenhoff
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